Anton Corbijn

Life

Dennis Stock (Robert Pattinson) fotografiert den betrunkenen James Dean (Dane DeHaan, re.). Foto: Universum Film
(Kinostart: 24.9.) Mit nur drei Filmen wurde James Dean zum Superstar; er starb mit 24 Jahren. Sein Antlitz kennt die Welt aus Fotos von Dennis Stock. Ihre gemeinsame Zeit hat Anton Corbijn verfilmt – als stimmigen Historienfilm über die USA vor 60 Jahren.

Ein junger Mann läuft rauchend mit hochgezogenem Mantelkragen eine regennasse Straße entlang. Erst bei genauem Hinsehen erkennt man ihn – es ist James Dean. Diese Aufnahme machte der junge Fotograf Dennis Stock 1955 am menschenleeren Times Square. Sie trug maßgeblich zur Aura des damals aufstrebenden Schauspielers bei und brachte auch dem Fotografen Ruhm ein. Anton Corbijns neuer, wohl persönlichster Film erzählt die Geschichte vor diesem Foto.

 

Info

 

Life

 

Regie: Anton Corbijn

111 Min., USA/ Kanada 2015;

mit: Robert Pattinson, Dane DeHaan, Ben Kingsley

 

Website zum Film

 

Dabei ist die Hauptfigur nicht James Dean (Dane DeHaan), sondern der Fotograf Dennis Stock, gespielt von Ex-Vampir Robert Pattinson. Er begegnet bei einer Künstler-Party dem extrem charismatischen Jungschauspieler und ist sofort von ihm fasziniert. Dean fliegt scheinbar alles mühelos zu. Er ist mit seiner Freundin Pier Angeli glücklich, und in Hollywood reißt man sich nach Sichtung der ersten Filmaufnahmen von „Giganten“ (1956) förmlich um ihn.

 

Dem Star wie ein stalker nachstellen

 

Stock hingegen ist frisch und unglücklich geschieden. Er sieht seinen Sohn nur gelegentlich und hadert mit seinem Job als Set-Fotograf in Hollywood. Insgeheim sieht er sich als Künstler und sucht dafür das passende Sujet. Freigeist Dean scheint ihm der Richtige zu sein; mit einer an stalker erinnernden Beharrlichkeit versucht Stock, ihn vor die Linse zu bekommen.

Offizieller Filmtrailer


 

Fotografen-story lockt Fotografen-Regisseur

 

Das zahlt sich aus: Bald darf er den Schauspieler nicht nur in seinem New Yorker Alltag begleiten, sondern auch bei einer Fahrt in dessen Heimat Indiana, wohin sich der frischgebackene Star wegen des Rummels um seine Person zurücksehnt. Dabei entstehen auch die selbstvergessen wirkenden und mittlerweile klassischen Bilder des privaten Dean; sie machten nach ihrer Veröffentlichung im „Life Magazine“ 1955 den Fotografen ebenfalls berühmt.

 

Der Entstehungsprozess solcher Aufnahmen und die auf den Fotografen fokussierte story dürften Regisseur Anton Corbijn für sie eingenommen haben. Er hat viel Erfahrung mit der Inszenierung von Pop-Legenden; nicht nur durch seinen Debüt-Film „Control“ (2007) über die Postpunk-Band Joy Division und den Selbstmord ihres Sängers Ian Curtis. Corbijn hat in den 1980er Jahren als Fotograf und Videoclip-Regisseur das image zahlreicher Rockbands wie U2 oder Depeche Mode mitgeprägt.

 

Lebemann gegen Ruhmsüchtigen

 

Die Fotostrecken, die Stock von Dean anfertigt, bilden den roten Faden von „Life“. Darüber hinaus erzählt der Film noch viel mehr: Mit unaufgeregter Beiläufigkeit entwirft er ein äußerst stimmiges Bild der USA und der Filmbranche Mitte der 1950er Jahre. Am Spannendsten ist jedoch das Wechselspiel der beiden Hauptakteure, die zugleich künstlerische Antipoden sind.

 

Der geniale und gleichzeitig bodenständige Lebemann Dean wird von allen hofiert. Er nimmt mit schlafwandlerischer Leichtigkeit eine Karrierestufe nach der anderen, obwohl er ständig an sich zweifelt. Dagegen ist Stock das glatte Gegenteil: verspannt, gehetzt und kaum fähig zum Glück, dem er hinterher rennt – einem Ruhm, dem Dean zutiefst misstraut.

 

Mit Eartha Kitt + Drogen die Nacht durchmachen

 

Dennoch finden die jungen Männer für kurze Zeit eine gemeinsame Basis. Beide gehören nicht wirklich zum show business, sind am Scheideweg ihres Lebens und spüren irgendwie, dass ihre Begegnung für sie wichtig wird. Stock ist zugegen, wenn Dean mit Künstlerfreunden wie Eartha Kitt drogenbefeuert die Nacht durchmacht, seine alte Schauspielschule oder seine Verwandten auf dem Bauerhof in Indiana wieder besucht. Die Fotos entstehen scheinbar nebenbei.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier ein Interview mit Anton Corbijn über "Life"

 

und hier eine Besprechung des Films “A Most Wanted Man” – Agenten-Thriller von Anton Corbijn mit Philip Seymour Hoffman

 

und hier einen Bericht über den Film “On The Road” – Verfilmung des Beatnik-Kultbuchs von Jack Kerouac durch Walter Salles

 

und hier einen Bericht über den Film “Das erstaunliche Leben des Walter Mitty” – fantasievolle Komödie über einen Foto-Archivar des "Life Magazine" von + mit Ben Stiller.

 

Diese Reise in unbekannte Welten wird für den Fotografen immer wichtiger, obwohl er als Hollywood-Fotograf das bohème– und glamour-Milieu kennt. Doch hier erlebt er ungefiltertes, ungeschöntes Leben. Das verwirrt zunächst seinen Agenten: Er kann mit Fotos eines Jungschauspielers, der auf dem Kneipentisch schläft oder ein Spielzeugauto repariert, nichts anfangen. Erst Deans plötzlicher Starruhm lässt die Bilder in neuem Licht erscheinen.

 

Magische Momente einfangen

 

Solche magischen Momente kann man nicht herstellen, nur einfangen. Darüber weiß Anton Corbijn sicher mehr als viele andere Regisseure: Keine Einstellung des Films wirkt künstlich gestellt oder unpassend; auch die Musik fügt sich harmonisch ins Arrangement ein. Wobei Dane DeHaan nicht versucht, den Gestus von Dean zu kopieren, obwohl er dessen näselnden Tonfall ziemlich gut trifft.

 

Auch Pattinson macht sich gut als linkisch-steifer Fotograf, der wohl nie richtig lernen wird, das Leben zu genießen. Zudem sind die Nebenfiguren wie Hollywood-Studioboss Jack Warner (schön fies: Ben Kingsley) passend besetzt. „Life“ ist also ein ziemlich kluger und zurückgenommen inszenierter Film über das kurze Leben einer Legende, sein Abbild und das Künstlerdasein an sich. Danach wird man das Dean-Foto vom Times Square garantiert mit anderen Augen sehen.