Frankfurt am Main

RAY Fotografieprojekte 2015 – Imagine Reality

Cristina De Middel: Ijewa, aus der Serie „This Is What Hatred Did“, 2014 , © Cristina De Middel. Fotoquelle: Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main
Fotoflut im Rhein-Main-Gebiet: Zwölf Institutionen in fünf Städten präsentieren gemeinsam zeitgenössische Fotografie. Sie unterscheidet sich immer weniger von bildender Kunst; das zeigt die zentrale Schau „Imagine Reality“ an drei Orten.

Das ganze Rhein-Main-Gebiet im Fotorausch: Im Rahmen des zweiten Festivals RAY 2015 zeigen zwölf verschiedene Institutionen in fünf Städten aktuelle Fotografien und Videokunst von 35 Künstlern. Im Zentrum steht die Ausstellung „Imagine Reality“ an drei Orten in Frankfurt: dem Museum für Moderne Kunst (MMK1), Museum für Angewandte Kunst (MAK) und Fotografie Forum Frankfurt (FFF).

 

Info

 

RAY Fotografieprojekte 2015 – Imagine Reality

 

20.06.2015 - 20.09.2015

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr,

mittwochs bis 20 Uhr

 

im Fotografie Forum Frankfurt, Braubachstraße 30 – 32,  im Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17,  und im Museum für Moderne Kunst (MMK1), Domstr.60, Frankfurt am Main

 

Katalog 25 €

 

Website zur Ausstellung

 

Die ersten „RAY Fotografieprojekte“ fanden 2012 statt; nun steht fest, dass sie künftig als Triennale fortgeführt werden sollen. Der Titel der Hauptausstellung „Imagine Reality“ verweist darauf, dass Fotografie im digitalen Zeitalter ihre ursprüngliche Abbild-Funktion immer mehr hinter sich lässt und selbst kreatives Medium wird: Fotografen verfremden die Wirklichkeit bis hin zu Neuerfindungen.

 

Alles wie vor 150 Jahren

 

Damit wiederholt die Fotografie, was sie in ihren Anfängen vor 150 Jahren bei der bildenden Kunst ausgelöst hatte: Damals verlor Malerei ihre Aufgabe, Realität zu dokumentieren; also begann sie, andere Möglichkeiten auszuloten – es war der Beginn der Klassischen Moderne. Nun geschieht das abermals im Zeichen digitaler Bildmanipulationen bei Fotografie und Film, die den Wirklichkeitsanspruch von Aufnahmen fragwürdig werden lassen.


Feature über die Ausstellung; © MMK


 

Techno-Mandalas im ecstasy-Rausch

 

Dadurch entstehen teils Werke, die oft gar nicht mehr als Fotografien erkennbar sind, wie „Imagine Reality“ zeigt. Etwa diejenigen der iranischen Künstlerin Sanaz Mazinani im FFF: Schon mit ihren polygonen Formen weichen sie demonstrativ vom konventionellen Rechteck bei klassischen Fotos oder Tafelbildern ab.

 

Arbeiten wie „Dark Explosion“ wirken zunächst wie technoide Mandalas (Meditationsbilder) für buddhistische Mönche im ecstasy-Rausch. Erst bei genauem Hinsehen erkennt man, dass die scheinbar abstrakt-ornamentalen Muster aus mehrfach gespiegelten Kopien winziger Fotos von realen Objekten zusammengesetzt sind. Dabei benutzt die Künstlerin als Vorlagen unzählige Nachrichten-Bilder, die sie aus dem Internet kopiert.

 

Beton-Bausünden in 100 Einzelbildern

 

Ganz anders als diese Foto-Arabesken tritt die im MAK gezeigte Werkgruppe der Berliner Künstlerin Beate Gütschow auf. Auf den ersten Blick wirken ihre großformatigen Schwarzweißbilder wie Ansichten brutalistischer Beton-Bausünden aus den 1960/70er Jahren. Doch diese Aufnahmen sind regelmäßiger und symmetrischer als die graue Wirklichkeit.

 

Ähnlich wie Andreas Gursky in seinen Monumental-tableaus setzt Gütschow ihre Arbeiten am Computer aus bis zu 100 Einzelaufnahmen zusammen. Angebliche Dokumentarfotos entpuppen sich als hoch artifizielle Synthesen.

 

Schwiegervater-Wohnzimmer rekonstruiert

 

Direkt gegenüber befindet sich eine verspielte Rauminstallation mit surreal anmutendem Titel der Österreicherin Barbara Breitenfellner. Ihre Umsetzung eines Eintrags aus ihrem „Traumtagebuch“ enthält neben anderem einen chinesischen Porzellanhund in einem rosa Plexiglas-Kubus, der unterschiedlich beleuchtet wird.

 

Nüchtern und alltäglich fällt dagegen die Installation von Klaus Elle im FFF aus: „Ich war Sigi“ ist seinem verstorbenen Schwiegervater gewidmet. Mit Möbeln aus dessen Wohnzimmer plus Fotos von Sigis letzten eigenen Super-Acht-Filmaufnahmen entsteht das Porträt eines gewöhnlichen Bundesdeutschen und seines Alltags in der Nachkriegszeit.

 

René Magritte praktiziert Voodoo

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Das Salz der Erde" - brillantes Doku-Porträt des Fotografen Sebastião Salgado von Wim Wenders

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Zoom! Architektur und Stadt im Bild" - erstklassige Fotoschau über Urbanistik in der Pinakothek der Moderne, München

 

und hier einen Beitrag über das 4. Fotofestival "The eye is a lonely hunter: Images of humankind" in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg 2011.

 

Im Kontrast zu dieser Doku-Inszenierung formulieren die im MMK1 gezeigten Fotos der Spanierin Cristina De Middel mystische Bilderrätsel. Sie ließ sich vom 1954 veröffentlichten Roman „My Life in the Bush of Ghosts“ („Mein Leben im Busch der Geister“) des Nigerianers Amos Tutuola inspirieren, einer Sammlung magisch-kryptischer Episoden. Ihre Fotoserie sieht aus, als habe sich der belgische Surrealist René Magritte mit Voodoo-Zauberei befasst.

 

Sehr poetisch ist die am selben Ort gezeigte Installation „Entre os Olhos o Deserto“ („Zwischen den Augen die Wüste“) von Miguel Rio Branco aus Brasilien. Er projiziert mehr als 400 verschiedene Fotos wie Dias auf unterschiedlich strukturierte Untergründen wie Metall- und Spanplatten auf einer Wand: Dabei verschmelzen menschliche Augenpaare mit Unterwasser- und Wüsten-Aufnahmen.

 

Weitere RAY-Partnerprojekte mit Sonderschauen einzelner Fotokünstler sind u.a. im Museum Wiesbaden, dem Stadtmuseum Hofheim, Designhaus Darmstadt und den Opelvillen in Rüsselsheim zu sehen. Zudem bietet Frankfurt noch Gruppenausstellungen zur „Idee der Landschaft“ in der DZ Bank Kunstsammlung in Frankfurt und des “Deutsche Börse Photography Prize“ mit vier Finalisten im MMK3.