
Der Mensch ist für das ewige Leben einfach nicht geschaffen. Selbst wenn er als Vampir über Superkräfte verfügt: Nach ein paar hundert Jahren wird jedes Dasein allmählich fad. Man hat alles gesehen, alles gemacht, war schon überall – und die Jagd nach frischem Blut bietet auch keinen kick mehr.
Info
Therapie für einen Vampir
Regie: David Ruehm,
87 Min., Österreich/ Schweiz 2014;
mit: Tobias Moretti, Jeanette Hain, Karl Fischer
Lebensmüde auf Freuds Couch
Als Untote kann sie sich ja nicht selbst betrachten, weil kein Spiegel ihr Bild reflektiert; dazu ist sie auf Beschreibungen ihres Ehemanns angewiesen, womit sie ihn auf Dauer reichlich überfordert. Um es ganz platt zu sagen: Die Alte nervt! Also legt sich der lebensmüde Geza auf Freuds Couch und redet sich allen Überdruss vom Leib.
Offizieller Filmtrailer
Rosenkrieg im nächtlichen Wien
Sein ennui hat sich über Jahrhunderte angesammelt, was der inzwischen schon etwas schusselige Begründer der Psychoanalyse nicht bemerkt. Dagegen entgeht ihm die plötzliche Belebung seines Patienten nicht: ausgelöst durch die junge Kellnerin Lucy, die Freundin von Freuds Mitarbeiter Viktor.
In Lucy glaubt der Graf seine erste Liebe wieder zu erkennen; nun will er sie unbedingt zurückerobern, was jene zunächst wenig beeindruckt. Doch Gräfin Elsa bleiben die Abwege ihres Gatten nicht verborgen: Bald tobt ein verbissener Rosenkrieg auf den nächtlichen Straßen von Wien, der für einen Ehepartner mit dem finalen Sonnenbad am Morgen endet.
Psychoanalyse in Praxis + Theorie
Natürlich ist dieses Psycho-Drama mit beschränktem Budget nicht besonders ernst gemeint; schon dadurch hebt es sich wohltuend von vielen high tech– Blutsauger-Sagas der letzten Jahre ab. Der österreichische Regisseur David Ruehm orientiert sich eher an der Tradition von Horror-Komödien der 1950/60er Jahre, etwa „Tanz der Vampire“ von Roman Polanski.
Mit solchen bewährten Muster jongliert Ruehm sehr unterhaltsam. Wobei er zugleich ein wenig psychoanalytische Praxis einschmuggelt, etwa indem Graf Közsnöm seinem Psychiater allnächtliche Besuche abstattet und diesen bis in seine Träume hinein verfolgt. Zudem erinnert die Frustration seiner Angetrauten, dass sie ihr Bild nicht sehen kann, an die Spiegeltheorie von Jacques Lacan (1901-1981): Ihm zufolge nehmen sich Kleinkinder erstmals bewusst als Person war, wenn sie sich vollständig im Spiegel erblicken. Kein Wunder also, dass Gräfin Elsa unter Selbstentfremdung leidet und darüber außer sich gerät.
Wenn kein Tod je scheidet
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Only Lovers Left Alive” – satirische Vampir-Liebesgeschichte von Jim Jarmusch mit Tilda Swinton
und hier einen Beitrag über den Film "5 Zimmer Küche Sarg" - Vampir-Doku-Komödie von Jemaine Clement + Taika Waititi
und hier einen Bericht über den Film “Eine dunkle Begierde” von David Cronenberg über die Entstehung der Psychoanalyse aus der Rivalität zwischen Sigmund Freud + C.G. Jung.
Dabei dekliniert der Film alle Stadien einer Paarbeziehung in unterschiedlichen Konstellationen durch: vom frischen Verliebtsein bei Lucy und Freund Viktor und ihrem ersten Streit bis zur grantelnden Gewöhnung der alten Vampir-Eheleute aneinander. Beide kennen alle Marotten des anderen, aber sie müssen scheinbar bis in alle Ewigkeit zusammenbleiben.
Viel Charme + Herzblut
Alles ist mit einigem slapstick, viel Wortwitz und schön pointierten Dialogen garniert; das lässt vergessen, dass Spezialeffekte mitunter recht handgemacht aussehen und die Dramaturgie etwas holpert. Perfektion darf man nicht erwarten, doch viel Charme und Herzblut sind in diesem im besten Sinne altmodischen Film allerorten zu spüren. Das können keine noch so teuren Computer-Effekte mithalten.