Devid Striesow

Ich bin dann mal weg

Glücklicher Gipfelstürmer: Hape (Devid Striesow) auf dem Jakobsweg. Foto: Warner Bros. Pictures
(Kinostart: 24.12.) Pilgerreise mit nassen Zigaretten und Fuß-Blasen: Hape Kerkelings Bestseller über seine Jakobsweg-Wanderung verfilmt Regisseurin Julia von Heinz als banalen Episoden-Reigen – ein dauerschmunzelnder Devid Striesow wirkt wenig spirituell.

Manche Dinge liegen so nahe, dass man besser die Finger davon lassen sollte. So ein Fall ist die Verfilmung von „Ich bin dann mal weg“: Der 2006 erschienene Reisebericht verkaufte sich rund fünf Millionen Mal, führte 100 Wochen lang die bestseller-Liste an – und wurde zum erfolgreichsten deutschen Sachbuch seit einem halben Jahrhundert.

 

Info

 

Ich bin dann mal weg

 

Regie: Julia von Heinz,

92 Min., Deutschland 2015;

mit: Devid Striesow, Martina Gedeck, Karoline Schuch

 

Website zum Film

 

Autor Hape Kerkeling ist ein sagenhaft beliebter entertainer; berühmt-berüchtigt für Auftritte in irrwitzigen Verkleidungen, sei es als Königin Beatrix oder als Möchtegern-Politiker Horst Schlämmer. Mit seiner Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg erfüllte er sich Wünsche, die viele teilen: eine Auszeit nehmen, alles hinter sich lassen und nach dem Wesentlichen im Leben suchen. Da scheinen alle Voraussetzungen für einen Kassenknüller beisammen – kann gar nicht schief gehen, oder?

 

Kerkeling stellte Mitarbeit ein

 

Doch, es geht ziemlich viel schief. Als Bombenerfolg mag „Ich bin dann mal weg“ nach einer Kino-Adaption geradezu schreien, aber dadurch wird das Buch noch lange nicht zur tauglichen Vorlage. Was sich daran ablesen lässt, dass drei Drehbuch-Autoren drei Jahre lang am Skript gefeilt haben – und Kerkeling selbst anfangs beteiligt war, sich dann aber zurückzog. Sein Reisetagebuch ist persönlich gehalten, gibt durchaus Intimes preis; das passt schlecht zu den üblichen Klischees im deutschen Kommerzkino.

Offizieller Filmtrailer


 

Dissertation über freundliche TV-Übernahme

 

Dass dessen Standards eingehalten werden, dafür garantiert UFA-Chef Nico Hofmann als Premium-Produzent von großen Gefühlen im prime time-TV. Seine Regisseurin Julia von Heinz ist Spezialistin für den Spagat zwischen Anspruch und Massentauglichkeit; nicht nur mit Filmen vom Kinderspaß „Hanni & Nanni 2“ (2011) bis zum Kammerspiel „Hannas Reise“ (2013). Sie hat darüber sogar 2012 ihre Dissertation veröffentlicht: „Die freundliche Übernahme – Der Einfluss des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf den deutschen Kinofilm“.

 

Dieser Einfluss ist „Ich bin dann mal weg“ in jeder Einstellung anzusehen. Dem Buchinhalt folgend, beginnt der Film mit dem burnout-Kollaps des Ich-Erzählers, der ihn zur Pilgerreise motiviert. Dann klappert er geruhsam alle Etappen auf dem 800 Kilometer langen Camino Francés von den Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela ab – nur unterbrochen von Rückblenden auf die gut katholische Ruhrgebiets-Kindheit des kleinen Hans-Peter mit liebevoller Omma (Katharina Thalbach) und ersten Gehversuchen als Nachwuchs-Komiker.

 

Bucherfolg befördert Massentourismus

 

Dauerndes Laufen fällt dem korpulenten Wandersmann sichtlich schwer; und das Zuschauen auch. Alle kleinen Widrigkeiten eines wochenlangen Fußmarsches – Wolkenbrüche, nasse Zigaretten, leere Wasserflaschen und Blasen an den Füßen – mögen sich amüsant lesen, wirken aber auf der Leinwand albern aufgebläht. Ebenso das Treiben in den Pilgerorten: Herbergen sind gammelig und laut, Mitreisende lästig und peinlich, Souvenirs kitschig und überteuert – sieh einer an! Auch auf dem Jakobsweg herrscht Massentourismus; seit Kerkelings Bucherfolg noch viel mehr.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Der grosse Trip – Wild" - beeindruckendes Fernwanderungs-Epos von Jean-Marc Vallée mit Reese Witherspoon

 

und hier einen Bericht über den Film "Zeit der Kannibalen" - Unternehmensberater-Groteske mit Devid Striesow von Johannes Naber

 

und hier einen Beitrag über den Film "Koffelschroa. Frei. Sein.Wollen" - feinsinnige Doku über Neo-Volksmusik-Gruppe aus Oberammergau von Barbara Weber.

 

Dieses Potpourri recht vorhersehbarer und banaler Episoden hält nur die Hauptperson zusammen: Stoisch stiefelt Devid Striesow als Kerkeling mit unerschütterlichem Dauerschmunzeln durch alle Szenen. Damit er zuweilen den Mund aufmachen darf, laufen ihm zwei sidekicks zu: die geheimnisvolle Stella (Martina Gedeck), die schon mehrmals auf der Route unterwegs war, und die vorwitzige Journalistin Lena (Karoline Schuch), die darüber Reportagen schreiben soll.

 

Gewagte Großaufnahme vom joint

 

Es dauert etliche Kilometer und Minuten, bis das Trio unzertrennlich wird und alle drei einander ihr Herz ausschütten – somit wäre auch der Aspekt Problembewältigung abgehakt. Dabei bleibt der Film stets wohltemperiert und familientauglich brav; dass Stella gern kifft und sich in Großaufnahme einen joint anzündet, ist schon der Gipfel an Gewagtheit. Bevor die Drogenbeauftragte der Bundesregierung protestiert: Keine Sorge, wir sind in Spanien, da wird das lockerer gesehen.

 

Dieses dahinplätschernde easy going verfehlt aber die Essenz von Kerkelings bestseller: seine Selbstbefragung und -infragestellung samt Reflexionen über den Sinn des Lebens. Beides kommt nur als willkürlich eingestreute bonmots oder als animiertes Gekritzel ins Tagebuch vor. Es ist aber genau diese spirituelle Suche, verpackt in flapsige Formulierungen, die viele Leser des Buches begeistert.

 

Kein Heureka-Erlebnis am Kreuz

 

Darin finden sie ihre eigenen, diffusen Glaubensvorstellungen und religiösen Gefühle wieder – getröstet durch sein Heureka-Erlebnis am Eisernen Kreuz von Ponferrada, dem höchsten Punkt des Jakobswegs. Diesen erhabenen Moment lichtet Regisseurin von Heinz zwar ab, doch Erbauung bleibt aus. Manche Bücher kann man einfach nicht sinnvoll verfilmen.