Ein Goebbels-Zitat als eines von Goethe zu verkaufen, ist wirklich dreist – nicht nur in Deutschland. Noch fieser wäre, den falschen Goethe einem politischen Gegner so schmackhaft zu machen, dass er sich damit beim nächsten Auftritt den Mund verbrennt. Aber derlei zählt zum ganz normalen Handwerkszeug im Berufsstand der Protagonistin: den PR-Beratern oder spin doctors, die für gute Umfragewerte und Wahlsiege von Politikern sorgen.
Info
Die Wahlkämpferin –
Our Brand is Crisis
Regie: David Gordon Green,
107 Min., Bolivien/ USA 2015;
mit: Sandra Bullock, Billy Bob Thornton, Joaquim de Almeida
Gegen den Erzfeind antreten
Jane ziert sich lange; das kennt man aus unzähligen gangster-Filmen über den one last job. Endlich sagt sie zu: Ihr eigentlicher Ansporn ist weniger der Auftrag selbst als vielmehr die Tatsache, dass ihr alter Konkurrent und Erzfeind Pat Candy (Billy Bob Thornton) den gleichen job für den aussichtsreichsten Kandidaten der bolivianischen Opposition übernommen hat.
Offizieller Filmtrailer
Herausforderer auf Nazi-Fotomontage
In La Paz – der höchstgelegenen Hauptstadt der Welt zwischen 3200 und 4100 Metern – macht Jane nicht nur die dünne Höhenluft zu schaffen, sondern auch die bisherige Wahlkampf-Strategie: Sie soll Präsident Castillo (Joaquim de Almeida), der zur reichen Oberschicht gehört und mit internationalen Geldgebern kungelt, ganz gegen seinen Charakter als Mann des Volkes präsentieren.
Was tun? Jane hat eine Eingebung, als Castillo auf der Straße spontan einen Provokateur niederschlägt: Sie richtet seinen Wahlkampf als „negative Kampagne“ neu aus. Fortan setzt der Amtsinhaber auf eine Kombination aus Angstmacherei und Gehabe als „starker Mann“. Dazu fädelt Jane furiose Auftritte, griffige PR-Floskeln und schmutzige Tricks ein: So wird der Gegenkandidat gemeinsam mit der Nazi-Größe Klaus Barbie auf ein Foto montiert.
Doku-Film von 2005 hatte denselben Titel
Diese Strategie funktioniert so gut, dass das eingangs genannte Goebbels-Zitat eigentlich nicht nötig wäre und als dramaturgisch überflüssiger gag rüberkommt. Solche Momente gibt es öfter im überschäumenden, aber wenig stringenten Drehbuch, was dem Film einen barock überladenen touch verleiht. Das überrascht, denn die Handlung beruht auf tatsächlichen Ereignissen. 2002 setzte sich der neoliberale Anwärter Gonzalo Sánchez de Lozada knapp gegen den indigenen Herausforderer Evo Morales durch; dieser wurde 2006 Präsident von Bolivien.
Hintergrund
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Eigentlich sind doch alle gleich!
Im Film erinnert Billy Bob Thornton als Pat Candy mit Glatze und lustvoller Perfidie an den echten Carville – obwohl er hier für die Gegenseite agiert, was die historischen Vorgänge verfälscht. Auch Lozadas damaliger Hauptkontrahent, der jetzige bolivianische Staatschef Evo Morales, wird im Film fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.
Insofern transportiert „Die Wahlkämpferin“ im Grunde zynische Politikverdrossenheit nach dem Motto: Eigentlich sind doch alle gleich! Regisseur David Gordon Green versucht, das mit einem moralisierenden Schluss zu kompensieren, der etwas aufgesetzt wirkt. Außerdem lässt er auch die bolivianische Bevölkerung lautstark auftreten, etwa bei Protesten gegen den Internationalen Währungsfonds (IWF).
Kino-Frau ohne Liebeshändel
Dabei bleibt die Inszenierung gerade durch manche Ungereimtheiten bei plot und Charakteren für eine Polit-Satire erfreulich schillernd und vielschichtig. Größte Stärke des Films ist aber zweifellos Sandra Bullock, die ihre Hauptrolle mit Verve und Feuer spielt: eine Frau im besten Alter, die sich auf der Leinwand einmal nicht mit familiären oder amourösen Fragen herum schlagen muss.