Berlin

Ich. Menzel zum 200. Geburtstag + Blinde Blicke. Sehen und Nicht-Sehen bei Adolph Menzel

Adolph Menzel: Selbstbildnis, wohl Mai 1853. Foto: Oliver Ziebe, Fotoquelle: Märkisches Museum
Ein visueller Allesfresser, der zum Malen auf Leitern stieg: Adolph Menzel wurde als Autodidakt zum wohl bedeutendsten deutschen Künstler des 19. Jahrhunderts. Seinen 200. Geburtstag würdigen Nationalgalerie und Stadtmuseum – überschaubar, aber gelungen.

Adolph Menzel (1815-1905) zählt zu den wenigen deutschen Künstlern des 19. Jahrhunderts, die international bekannt sind. Anlässlich seines 200. Geburtstags wird der Breslauer, der in Berlin berühmt wurde, mit zwei eher überschaubaren Ausstellungen gewürdigt. Sie stellen weder den künstlerischen Historiographen des Alten Fritz noch den vermeintlichen Vorimpressionisten in den Mittelpunkt. Ihr Besuch lohnt sich dennoch.

 

Info

 

Ich. Menzel zum 200. Geburtstag

 

03.12.2015 - 28.03.2016

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr

im Märkischen Museum, Am Köllnischen Park 5, Berlin

 

Katalog 19,90 €

 

Weitere Informationen

 

Blinde Blicke. Sehen und Nicht-Sehen bei Adolph Menzel

 

08.12.2015 - 21.02.2016

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr

in der Alten Nationalgalerie, Museumsinsel, Berlin

 

Katalog 19,80 €

 

Weitere Informationen

 

Wer die Ausstellung des Fotografen Anton Corbijn in der Berliner C/O-Galerie besucht hat, die bis Ende Januar lief, konnte neben vielen Popstar-Porträts auch eines des Malers Gerhard Richter entdecken – allerdings nur seinen Hinterkopf vor einem großformatigen abstrakten Gemälde. Sich als Kritiker vor dem eigenen Werk präsentieren und zugleich den neugierigen Blicken des Publikums entziehen: Das hätte auch Adolph Menzel gefallen.

 

Künstler taucht in Gemälde ein

 

Der große Berliner Realist hat wie kein zweiter die Kunst der Selbstinszenierung und Selbstverschlüsselung von seiner Person auf sein Œuvre umgelenkt. Um 1852 malt er sich im erlesenen Pastellkreide-Schimmer in einer Pose, die der von Richter auf Corbijns Foto ähnelt. Nur scheint der kurzsichtige und kleinwüchsige Menzel, von dem man die Rückenansicht mit übergroß wirkendem Glatzkopf sieht, förmlich in die Leinwand seines eigenen, im Bild dargestellten Gemäldes einzutauchen.

 

Der Titel der Arbeit führt das Verwirrspiel zwischen den Realitätsebenen fort: „Ein Betrachter vor Menzels ‚Flötenkonzert’“ heißt das ungewöhnliche Selbstporträt aus der Sammlung des Berliner Kupferstichkabinetts. Es wird nun mit gut 20 weiteren Papierarbeiten des Künstlers im Menzel-Kabinett der Alten Nationalgalerie ausgestellt.

Impressionen der Ausstellung im Märkischen Museum


 

Ständig in Alter Nationalgalerie präsent

 

Wie feiert man in Berlin den 200. Geburtstag eines Künstlers, von dem man schon jeden Leinwandstreifen irgendwo einmal gesehen zu haben meint? Eine große internationale Ausstellungs-Tournee wie zuletzt 1996/97 wäre weder finanzierbar noch nötig gewesen: Angesichts der Tatsache, dass Menzel in der Dauerpräsentation im Erdgeschoss der Alten Nationalgalerie mit seinen wichtigsten groß- und kleinformatigen Ölgemälden und Gouachen ohnehin reich vertreten ist.

 

Bilder wie das „Eisenwalzwerk“, das „Balkonzimmer“ oder die „Ansprache Friedrichs des Großen an seine Generale vor der Schlacht bei Leuthen“ gehören, auch wenn die Themen teils schon recht entrückt erscheinen, noch immer zu den populärsten Kunstwerken der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB).

 

Kosmos Menzel gezielt beleuchtet

 

Die beiden Jubiläums-Ausstellungen, die das Kupferstichkabinett in der Alten Nationalgalerie und die Stiftung Stadtmuseum Berlin im Märkischen Museum veranstalten, sind zwar überschaubar, beleuchten jedoch den Kosmos Menzel an so gezielten Stellen, dass dadurch das Ganze heller und klarer wird. Die große Stärke von „Ich. Menzel zum 200. Geburtstag“ im Märkischen Museum liegt in der Darstellung seiner künstlerischen Herkunft aus dem Handwerkermilieu der lithografischen Druckerwerkstatt seines Vaters; also den Jahren vor 1840. Gewissermaßen Menzel vor Menzel.

 

Dass sich der 16-Jährige nach dem frühen Tod des Vaters 1832 allein um die Etablierung der Werkstatt, die erst zwei Jahre zuvor aus Breslau umgezogen war, und die Ernährung von Mutter und Geschwistern kümmern musste, ist bekannt. Wie jedoch diese frühen Auftrags- und Gelegenheits-Grafiken in Gestalt von Gesellenbriefen, Einladungskarten und Kinderbuch-Illustrationen tatsächlich aussehen, zeigt das Stadtmuseum anhand eigener Bestände. Damit wird anschaulich, wie sich der Autodidakt, der nur wenige Monate an der Berliner Kunstakademie studierte, seinen Weg aus dem qualitativen mainstream heraus bahnt.

 

400 Holzstiche für Friedrich den Großen

 

Mit der Lithografie-Mappe „Künstlers Erdenwallen“ nach Goethes gleichnamigem Dramolett erntet Menzel 1834 anerkennende Worte des Akademie-Direktors Johann Gottfried Schadow; weitere Aufträge und die Aufnahme in einen der wichtigen Berliner Künstlervereine folgen. Menzel war ein visueller Allesfresser, der alles und jedes gezeichnet hat. Überdeutlich wird seine Akribie in den unzähligen Kostüm-, Uniform- und Detailstudien, mit denen er sich seinem ersten großen Thema nähert: König Friedrich II. von Preußen.

 

Menzel stößt auf den Alten Fritz, der ihn künstlerisch zwei Jahrzehnte lang beschäftigen wird, 1839 durch den Auftrag, sämtliche Entwürfe für die rund 400 Holzstich-Illustrationen von Franz Kuglers Bestseller „Geschichte Friedrichs des Großen“ zu liefern. Mit Friedrich beginnt und dank Friedrich erhält sich Menzels populärer Ruhm bis ins hohe Alter.

 

Erster Künstler im Schwarzer-Adler-Orden

 

1898, sieben Jahre vor Menzels Tod, ernennt ihn Kaiser Wilhelm II. als ersten bildenden Künstler zum Ritter des Schwarzen-Adler-Ordens; diese Ehrung kam sonst nur hohen Militärs und gekrönten Häuptern zu. Die „Kleine Exzellenz“ ist im Berlin der Kaiserzeit eine allgegenwärtige Autorität; unter Künstlerkollegen und seinen Sammlern gefürchtet wegen äußerst schroffer Urteile, die Menzel zeitlebens jedoch auch gegen sich selbst ausspricht.