Helen Mirren + Bryan Cranston

Trumbo

Die Kolumnistin Hedda Hopper (Helen Mirren) macht Stimmung gegen Dalton Trumbo (Bryan Cranston). Foto: Paramount Pictures Germany
(Kinostart: 10.3.) Hollywoods berühmtestes Phantom: Von Kommunistenjägern kaltgestellt, schrieb Dalton Trumbo heimlich Film-Drehbücher, die Oscars erhielten. Sein Geschichte erzählt Regisseur Jay Roach als dichtes, rundum gelungenes Biopic.

Er machte eine Blitzkarriere: Während des Zweiten Weltkriegs zählte Dalton Trumbo (1905-1976) zu den bestbezahlten und -beschäftigten Drehbuch-Autoren in Hollywood. Aus seiner Feder stammen die scripts zu Kassenschlagern wie dem Melodram „Fräulein Kitty“ (1940), für den Ginger Rogers in der Titelrolle einen Oscar erhielt, sowie den Kriegsfilmen „Kampf in den Wolken“ (1943) und „Dreißig Sekunden über Tokio“ (1944).

 

Info

 

Trumbo

 

Regie: Jay Roach,

124 Min., USA 2015;

mit: Bryan Cranston, Diane Lane, John Goodman, Helen Mirren

 

Original-Website zum Film

 

Dabei hatte Trumbo erst 1939 sein Buch-Debüt veröffentlicht: den radikalen Anti-Kriegs-Romans „Johnny zieht in den Krieg“, den er 32 Jahre später selbst verfilmen sollte. Durch seine pazifistische Haltung und soziales Engagement kam er zu Beginn des Kalten Krieges auf Hollywoods berühmt-berüchtigte blacklist: Er sollte beruflich kaltgestellt werden.

 

Helen Mirren als böse Stiefmutter

 

Seine Geschichte erzählt nun ein denkbar unzeitgemäßes biopic. Dabei tauchen ausnahmslos historische Figuren auf – neben Trumbo etwa der Schauspieler Kirk Douglas, Autoren-Kollege Ian McLellan Hunter und die Klatschkolumnistin Hedda Hopper. Diese Kommunistenfresserin spielt Helen Mirren mit einer Bösartigkeit, die sonst Stiefmüttern in Märchenfilmen vorbehalten ist.

Offizieller Filmtrailer


 

„Breaking Bad“-Drogenbaron als Studienrat

 

Damit wird der Film, trotz witziger Momente, zu einem realistischen Gegenstück der eher absurden Ereignisse in „Hail, Caesar!“, dem jüngsten Film der Coen-Brüder. Deren angebliche Verschwörung kommunistischer Drehbuchschreiber wird hier vom Kopf auf die Füße gestellt und als das gekennzeichnet, was sie war: ein Versuch, Angst zu schüren, um damit Linke in Hollywood mundtot zu machen. Dass diese linke bzw. liberale Tradition noch nicht am Ende ist, beweist Regisseur Jay Roach.

 

Den ungewöhnlichen Helden seines Films spielt Bryan Cranston; er machte in der TV-Serie „Breaking Bad“ einen Wandel vom unbeholfenen Chemielehrer zum Drogenbaron durch. Cranston verleiht seinem Trumbo die gemessene Würde eines Studienrats, die trotz aller Schicksalsschläge während des gesamten Films intakt bleibt. Obwohl er die ganze Zeit moralisch im Recht ist, macht sein Charakter eine Entwicklung durch: Er verliert seine Naivität.

 

Seit 1943 Mitglied der KPUSA

 

Zuerst kann sich Trumbo nicht vorstellen, dass im Heimatland der Freiheit seine Freiheit so begrenzt sein soll. So bietet er anfangs John Wayne noch Paroli; schließlich hat er tatsächlich am Krieg teilgenommen, während der Vorzeige-cowboy des US-Kinos in Filmstudios Platzpatronen verschoss. Doch es nützt nichts.

 

Trumbo wird mit zahlreichen Kollegen 1947 vor das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ (HUAC) geladen, um über ihre Verbindung zur Kommunistischen Partei in Amerika (KPUSA) auszusagen oder andere anzuschwärzen – Trumbo war der Partei 1943 beigetreten. Viele seiner Kollegen fallen um, exemplarisch vorgeführt am Fall des Star-Schauspielers Edward G. Robinson (Michael Stuhlbarg).

 

Oscar posthum an Witwe überreicht

 

Mit starken Nebendarstellern gelingt es Regisseur Jay Roach, die Hysterie und Dummheit des Red Scare als menschliches Drama zu entfalten, das viele Opfer und keine Sieger hervorbringt. Zehn Befragte verweigern eine Aussage vor dem Komitee; sie werden mit Gefängnis und Arbeitsverbot bestraft. Von diesen Hollywood Ten ist Trumbo ist der Berühmteste.

 

Doch er setzt sich zur Wehr. In der Branche beliebt, lässt ihn seine Fähigkeit beruflich überleben, auch mittelmäßige Vorlagen zu Drehbüchern für Erfolgsfilme zurechtzubiegen. Allerdings zu einem hohen Preis: Er muss anonym bleiben. So heimsen andere die Lorbeeren ein; zum Beispiel für die Romanze „Ein Herz und eine Krone“ (1953) mit Gregory Peck und Audrey Hepburn, die dafür einen Oscar bekam. Der Academy Award für das Drehbuch wurde erst 1993 an Trumbos Witwe überreicht.

 

Für Stanley Kubricks „Spartacus“ engagiert

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Hail, Cesar!" - wunderbare Komödie über Hollywoods Studio-System in den 1940/50ern mit Starbesetzung von Joel + Ethan Coen

 

und hier einen Beitrag über die Doku “The Real American – Joe McCarthy” über den US-Kommunistenjäger der 1950er Jahre von Lutz Hachmeister

 

und hier einen Beitrag über den Film „Maps to the Stars“ – sarkastische Satire über Hollywood heute von David Cronenberg

 

Den Bann bricht schließlich Kirk Douglas: jung, ungestüm und erfolgreich, lässt er sich vom Kleinmut im schockstarren Hollywood nicht beirren und engagiert Trumbo als Drehbuchautor für „Spartacus“ (1960). Es war das erste Mal nach 13 Jahren, dass sein Name wieder in den credits auftaucht; Regie führte Stanley Kubrick in seinem fünften Film.

 

Nach diesem kleinen Sieg geht der nicht uneitle Autor in die Offensive: Er gibt öffentlich bekannt, dass er trotz Arbeitsverbots weiter tätig gewesen sei und jahrelang heimlich B-pictures geschrieben habe. Damit wollte er seinen Lebensstandard halten, was der Film nicht verschweigt. Als ihn Regisseur Otto Preminger für den Nahost-Monumentalfilm „Exodus“ (1960) anheuert, ist Trumbo rehabilitiert.

 

Träume gegen den Rechtsruck

 

All das schildert Regisseur Jay Roach in üppig ausgestatteten Retro-tableaus ohne Leerlauf. Fürs Drehbuch wurde intensiv recherchiert: Die Mitwirkung von Trumbos Töchter sorgt dafür, dass ihr Vater als durchaus widersprüchliche Figur porträtiert wird – wobei das happy end auf die Gegenwart abstrahlt.

 

In einer Zeit, in der ein stinkreicher Kasper wie Donald Trump das höchste Staatsamt anstrebt, scheinen die unter Kosten- und Quotendruck leidenden Medien zunehmend ihre Funktion als unabhängiges Korrektiv zu vergessen. Da setzt ausgerechnet Hollywood dem Rechtsruck noch breitenwirksame Erzählungen entgegen. Oder, um im Bild zu bleiben: Träume.