Out of their minds: Genies, die übermenschlich erscheinende geistige Höchstleistungen vollbringen, begeistern und beunruhigen gleichermaßen. Nur zu gerne möchten viele glauben, bei ihnen handele es sich entweder um soziopathische nerds oder um Elfenbeinturm-Bewohner, die dem Wahnsinn nahe sind.
Info
Bauernopfer -
Spiel der Könige
Regie: Edward Zwick,
115 Min,. USA 2014;
mit: Tobey Maguire, Liev Schreiber, Peter Sarsgaard
Mit 14 jüngster Schach-Großmeister
Aus diesem Spannungsfeld eines begnadeten Schach-Virtuosen, der ständig zwischen wagemutiger Strategie am Brett und psychotischem Realitätsverlust pendelt, gewinnt das biopic von Edward Zwick seine Faszination – obwohl sein Aufbau recht brav geraten ist. Es beginnt mit Fischers Kindheit: Der Junge wächst bei seiner allein erziehenden Mutter in Brooklyn auf und lernt mit sechs Jahren die Schachregeln. Fortan gibt es für ihn nichts Wichtigeres mehr; er spielt pausenlos und wird 1958 mit 14 Jahren der jüngste Schach-Großmeister aller Zeiten.
Offizieller Filmtrailer
Sowjets mogeln mit Remis-Absprachen
Auf dem internationalen Parkett dominieren jedoch die scheinbar unschlagbaren sowjetischen Spieler; sie haben seit 1945 jede Weltmeisterschaft gewonnen. Gegen den amtierenden Weltmeister Boris Spasski (Liev Schreiber) wirkt der hitzköpfige Fischer (Tobey Maguire) anfangs chancenlos. Die Sowjets verdanken ihre Stärke auch illegalen Absprachen zu Remis, also unentschiedenen Partien; das macht es ihren Gegnern fast unmöglich, bei Turnieren den Gesamtsieg zu erringen.
Als der US-Meister das beobachtet, will er aus Protest seine Profi-Karriere aufgeben. Doch mit Hilfe seines Managers Paul Marshall (Michael Stuhlbarg) sowie des Priesters und Ex-Schachgroßmeisters Bill Lombardy (Peter Sarsgaard) kehrt Bobby Fischer in die internationale Arena zurück. Seine Laufbahn gipfelt im Titelkampf um die Weltmeisterschaft gegen Spasski 1972 in Reykjavik.
US-Außenminister Kissinger überredet Fischer
Dieses Turnier ist nicht nur ein Höhepunkt der Schach-Geschichte, sondern zugleich eine bizarre Fortsetzung des Kalten Krieges mit anderen Mitteln – quasi ein Kampf der Systeme mit Methoden der psychologischen Kriegsführung. Da überrascht kaum, dass dem schon lange psychisch labilen Fischer nun endgültig alle Sicherungen durchzuschmoren drohen.
Erst nachdem US-Außenminister Henry Kissinger ihm gut zugeredet hat, ist der US-Spieler bereit, nach Island aufzubrechen – die Begegnung mit Spasski wird von den Medien zum „Match des Jahrhunderts“ hochstilisiert. Der öffentliche Erwartungsdruck, der auf Fischer lastet, ist enorm; er steigt nach seiner Ankunft in Reykjavik unaufhörlich.
Spider-Man als kratzbürstiger Exzentriker
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ – Biopic über das Informatik-Genie Alan Turing im Zweiten Weltkrieg von Morten Tyldum mit Benedict Cumberbatch
und hier einen Bericht über den Film „No Turning Back (Locke)“ – spannendes One-Man-Roadmovie von Steven Knight mit Tom Hardy
und hier einen Beitrag über den Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ – Biopic über den Physiker Stephen Hawking von James Marsh mit Eddie Redmayne.
Zwicks größter Besetzungs-coup ist, ausgerechnet Tobey Maguire – in den drei „Spider-Man“-Filmen der nette Superheld von nebenan – den kratzbürstigen Exzentriker Bobby Fischer spielen zu lassen, wobei Maguire in dieser hoch komplexen Rolle absolut überzeugt. So eigenwillig wie geglückt ist auch die Auswahl von Liev Schreiber als Kontrahent. Schreiber ist sonst auf mäßig interessante action-Knaller abonniert. Diesmal spricht er nicht nur fließend Russisch, sondern verleiht auch seiner Figur eine perfekte Mischung aus Charisma, Würde und Gefährlichkeit.
Zwei geistige Welten kollidieren
Während Fischer als inspiriertes, aber unberechenbares Nervenbündel auftritt, bleibt sein Gegenspieler Spasski unerschütterlich souverän und siegesgewiss. Bei ihrer Konfrontation prallen somit nicht nur die politischen Blöcke aufeinander, sondern auch zwei konträre geistige Welten.
Dabei fängt der Film die elektrisierende Atmosphäre des Titelkampfes ebenso ausgezeichnet ein wie das Zeitkolorit der frühen 1970er Jahre. Damit wird „Bauernopfer“ zum Psychothriller eigener Prägung – der auch Zuschauer in seinen Bann schlägt, die von Schach keine Ahnung haben.