Thomas Vinterberg

Die Kommune

"Dafür" - gemeinsame Abstimmung in der Kommune. Foto: © 2016 PROKINO Filmverleih GmbH
(Kinostart: 21.4.) Gemeinsam sind wir stark: Regisseur Thomas Vinterberg beschwört die Atmosphäre in Wohngemeinschaften der 1970er Jahre herauf. Allerdings ohne kreatives Chaos, dafür mit Eifersuchts-Ehedrama – das lässt das Experiment vorhersehbar scheitern.

Gute Nachbarschaft bewahrt nicht vor sprachlichen Missverständnissen: Den dänischen Titel „Kollektivet“ übersetzt der deutsche Verleih als „Kommune“ – das erinnert an die 68er-Revoluzzer der „Kommune 1“ und ähnlich radikale Vergemeinschaftungs-Experimente, etwa die Pariser commune 1870 oder die sowjetische komunalka mit Küche und Bad für mehrere Mietparteien.

 

Info

 

Die Kommune

 

Regie: Thomas Vinterberg,

111 Min., Dänemark 2015;

mit: Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm, Helene Reingaard-Neumann

 

Website zum Film

 

Was Regisseur Thomas Vinterberg in Szene setzt, entspricht jedoch eher dem deutschen Begriff Wohngemeinschaft. Allerdings weniger heutigen Zweck-WGs, deren Mitglieder nur Miete sparen wollen und ansonsten getrennte Wege gehen. Sondern mehr dem WG-Verständnis der 1970er Jahre: gemeinsam kochen und feiern, sich umeinander kümmern – und bei Plenums-Diskussionen auch mal ausgiebig streiten. Eine Lebensform, deren utopischer Überschwang in dieser Variante von skandinavischem Pragmatismus gedämpft wird.

 

Heulsuse zahlt keine Miete

 

Architektur-Professor Erik (Ulrich Thomsen) und TV-Nachrichtensprecherin Anna (Trine Dyrholm) sind ein Paar mit Tochter im Teenager-Alter; ihre Beziehung wirkt ausgelaugt. Um sie aufzufrischen, schlägt Anna vor, eine WG zu gründen, als Erik eine große Villa erbt. Sie rekrutieren eine bunte Schar Mitbewohner, vom trinkfesten Ole bis zur flippigen Mona. Der politischen Korrektheit halber ist auch der Immigrant Allon dabei; er schlägt sich irgendwie durch, zahlt nie seinen Mietanteil und bricht häufig melodramatisch in Tränen aus.

Offizieller Filmtrailer


 

Bankrott der kollektiven Bier-Kasse

 

Anfangs ist die Stimmung geradezu ausgelassen. Alle kochen und schmausen ausgiebig an einer großen Tafel, schon tagsüber werden reichlich Bierflaschen geleert, und wenn es hitzig zugeht, springen alle zur Abkühlung nackt in den nächsten See. Bis die ersten Reibereien auftreten: von unterschiedlichen Ordnungsvorstellungen – Ole verbrennt Habseligkeiten, die Allon herumliegen lässt – bis zum Bankrott der kollektiven Bier-Kasse: Jeder bedient sich, aber keiner zahlt ein.

 

Was den Haussegen noch nicht aus dem Lot bringt: Abgesehen von Allon haben alle einen geregelten Alltag mit bürgerlichen Berufen – das sorgt für die Bereitschaft zu vernünftigen Kompromissen. Bis sich Erik von seiner koketten Studentin Emma (Helene Reingaard Neumann) verführen lässt. Nun biegt der Film in ein geläufiges Schema ein: Ehemann nimmt sich jüngere Geliebte, und die abgelegte Gattin verzehrt sich vor Kummer.

 

Silberner Bär für Trine Dyrholm

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier ein Interview mit Thomas Vinterberg über "Die Kommune"

 

eine Rezension des Films „Am grünen Rand der Welt“ viktorianisches Liebesdrama nach Thomas Hardys Romanklassiker mit Carey Mulligan von Thomas Vinterberg

 

und hier einen Bericht über den Film Die Jagd – packendes Psycho-Drama über Pädophilie mit Mads Mikkelsen von Thomas Vinterberg

 

und hier einen Beitrag über den Film “Love Is All You Need” – wunderbar beschwingte Sommer-Komödie von Susanne Bier mit Trine Dyrholm.

 

Erik besteht sogar darauf, dass Emma in die WG einziehen darf. Mit ihrer Nebenbuhlerin unter einem Dach wohnen zu müssen, gibt Anna den Rest. Ihre Selbstzerfleischung spielt Trine Dyrholm beklemmend intensiv; für diese Glanzleistung erhielt sie bei der Berlinale zurecht einen Silbernen Bären. Doch mit der Verengung auf ein Untreue-Kammerspiel drängt Regisseur Vinterberg die übrigen Mitbewohner an den Rand: Die Kommune wird zur Zweierkiste samt Tochter und Flittchen.

 

Dass Erik seine emotionale Rücksichtslosigkeit als progressiven Lebensstil rechtfertigt und zugleich auf seine Vorrechte als Hausbesitzer pocht, ist ein Klassiker in vermeintlich egalitären Gruppen, in denen einige gleicher sind als andere. Sie werden zur Trauergemeinde, als plötzlich ein Kind stirbt – ein Schicksalsschlag, der aufgesetzt wirkt und alles endgültig auf Moll stimmt.

 

Überraschung geht flöten

 

Dabei geht die komplexe Psychodynamik verloren, die für Wohngemeinschaften typisch ist: Jede Initiative hat Auswirkungen auf mehrere Personen, die verschieden reagieren. Dagegen läuft Vinterbergs Film linear und etwas vorhersehbar ab wie ein Planspiel.

 

Man würde dieser „Kommune“ mehr Perspektivwechsel und überraschende Interaktion wünschen, damit etwas vom kreativen Chaos spürbar wird, das WGs zwar anstrengend, aber auch spannend und attraktiv macht. Das geht hier rasch flöten; dieses Ehedrama könnte genauso gut im Einfamilienhaus im Grünen ablaufen.