Ralph Fiennes + Tilda Swinton

A Bigger Splash

Harry (Ralph Fiennes) und seine Tochter Penelope (Dakota Johnson) am Pool. Foto: Studiocanal
(Kinostart: 5.5.) Schlag ins Badewasser: Regisseur Luca Guadagnino will den glamourösen Jet-Set-Lebensstil der 1960/70er Jahre heraufbeschwören. Sein Remake eines Krimis von 1969 ist hochkarätig fehlbesetzt und läuft in deplatzierter Aktualisierung aus.

Wie passé all das in unseren neopuritanischen Zeiten wirkt! Natürlich fahren immer noch Millionen in die Sommerferien, aalen sich in der Sonne und planschen im pool. Doch das hat nichts mehr Luxuriöses oder gar Dekadentes an sich: Es ist ein konfektioniertes, routiniertes Urlaubsvergnügen zum all inclusive-Pauschalpreis, good clean fun for the whole family!

 

Info

 

A Bigger Splash

 

Regie: Luca Guadagnino,

124 Min., Italien/ Frankreich 2015;

mit: Tilda Swinton, Ralph Fiennes, Dakota Johnson, Matthias Schoenaerts

 

Website zum Film

 

Vor einem halben Jahrhundert war das anders: Ferne Reiseziele und großzügige Hotelanlagen waren den Reichen und Schönen vorbehalten. Hier zelebrierten sie einen lifestyle, von dem Normalbürger nur träumen konnten: lässig und easy going, verschwenderisch und frivol, erotisch und ekstatisch. Symbole ihrer vermeintlichen und tatsächlichen Ausschweifungen waren die swimming pools, an denen sich makellos gebräunte Leiber lasziv räkelten.

 

Gefrorene Wasserspritzer in der Leere

 

Den Mittelpunkt einer unbeschwerten Überfluss-Gesellschaft hat David Hockney in visuelle Ikonen verwandelt. So sorglos dieser Begriff oft verwendet wird, hier ist er absolut angebracht: Die leuchtend bunten Gemälde des Pop Art-Künstlers mit flirrenden Wellenlinien auf makellosem Blau spiegelten das leichtfertige Lebensgefühl dieser Ära formvollendet wider – und ihre Leere. Am eindrucksvollsten gelang ihm das beim Bild „A Bigger Splash“: In der Mitte scheinen Wasserspritzer wie eingefroren; der Schwimmer ist soeben untergetaucht.

Offizieller Filmtrailer


 

Überdeterminierte Gleichung

 

Indem Regisseur Luca Guadagnino den Titel übernimmt, will er offenkundig diese Atmosphäre heraufbeschwören. Zugleich schließt er an den Film „La Piscine“ (1969) von Jacques Deray an: Die Hauptrollen übernahmen damals Romy Schneider und Alain Delon, wenige Jahr zuvor das Traumpaar des europäischen Kinos. Diesen Schwimmbecken-Krimi nennt Guadagnino nur eine „Inspirationsquelle“, doch seine Neufassung gleicht einem remake mit kleinen Änderungen.

 

Zwei völlig verschiedene Klassiker – einer angloamerikanisch, einer französisch – als Bezugspunkte: Dadurch entsteht, was Mathematiker bei einer Gleichung „überdeterminiert“ nennen. Zu viele Variablen sind festgelegt, so dass ein überzeugend eindeutiges Ergebnis unmöglich wird; wie bei „A Bigger Splash“.

 

Verblasster Mythos der Leitfiguren

 

Anfangs trifft der Film look and feel der späten 1960er und frühen 1970er Jahre recht gut. Die italienische Insel Pantelleria zwischen Sizilien und Tunesien ist ein subtropisches Ferienparadies aus endlosen Sandstränden, malerischen Felsformationen und lauschigen osterie – der perfekte Schauplatz für dolce far niente. Auch die Bildsprache passt: Reißschwenks und Ransprünge der Kamera erinnern an zeittypische genres wie blaxploitation.

 

Doch das Personal spielt nicht mit. Regisseur Guadagnino bemüht Leitfiguren der Epoche, deren Mythos verblasst ist; heutige Schauspieler können sie kaum plausibel verkörpern. Die wunderbar vielseitige Tilda Swinton kann alles mögliche spielen, nur keine Rock-Röhre namens Marianne, irgendwo zwischen Gianna Nannini und Patti Smith, die Massen in Sportstadien vor Begeisterung rasen lässt.

 

Flüchtlinge lenken von pool-Leiche ab

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine kultiversum-Rezension des Films "I am Love" - hinreißendes Kulinarik-Liebesdrama von Luca Guadagnino mit Tilda Swinton

 

und hier das Interview "Liebe löst Revolutionen aus" mit Tilda Swinton über ihren Film "I am Love"

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung „Pacific Standard Time“ über "Kunst in Los Angeles 1950 - 1980" mit der Pop-Art-Ikone "A Bigger Splash" von David Hockney im Martin-Gropius-Bau, Berlin

 

und hier einen Bericht über den Film "Fifty Shades of Grey" - SM-Romanze von Sam Taylor-Johnson mit Dakota Johnson.

 

Ralph Fiennes soll als Plattenboss Harry berühmte Alben der „Rolling Stones“ produziert haben: Seine hyperaktive Stimmungskanone, deren Dauergequassel nervt, gerät zur Witzfigur. Tochter Penelope tritt als maulfaule Lolita mit dem spröden Charme eines GZSZ-Sternchens auf; wie schon in „Fifty Shades of Grey“ versprüht Dakota Johnson den aseptischen sex appeal einer high school cheerleader. Nur Matthias Schoenaerts wirkt als erfolgloser Fotograf Paul halbwegs glaubwürdig.

 

Der um dieses Quartett gestrickte plot ist rasch erzählt. Paul und Marianne urlauben; in ihre Zweisamkeit platzt Harry samt Töchterchen. Er will mit penetrantem Gequatsche seine Ex wiedergewinnen; derweil lässt sich Paul vom koketten Früchtchen verführen. Am Abend vor der Abreise gibt ein Wort das andere, und plötzlich liegt ein Toter im pool. Die Aufklärung des Falls zieht sich hin, weil sich der Kommissar mehr um Leichen ertrunkener Flüchtlinge kümmern muss – eine so deplatzierte wie geschmacklose Aktualisierung.

 

Verflossene playboy-Internationale

 

Was bleibt: schöne Landschaftsaufnahmen, ziellos mäandernde Dialoge, alberne Folklore-intermezzi, zwei Mal kurzer casual sex. Und die Einsicht, dass sich dieser verflossene way of life kaum wiederbeleben lässt. Regisseur Luca Guadagnino hat 2009 mit Tilda Swinton das hinreißend sinnliche Drama „I am Love“ gedreht, doch mit diesem Film gehen beide baden. Vermutlich, weil die Kaste steinreicher Industriebarone, in der „I am Love“ angesiedelt war, fest im Sattel sitzt. Die Internationale leichtlebiger jet set playboys und starlets ist zerstoben.