Baden-Baden + Düsseldorf

Andreas Achenbach – Revolutionär und Malerfürst

Andreas Achenbach: Küstenlandschaft, 1837, Öl auf Leinwand, Privatsammlung. Foto: Museum LA8 - Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts - BadenBaden
Herrscher über Land und Meer: Mit atmosphärisch dichten Natur-Szenen wurde Achenbach im 19. Jahrhundert zum Starkünstler. Museum LA8 und Museum Kunstpalast laden zur Wiederentdeckung ein – kaum jemand malte Scheitern so schön schrecklich wie er.

Vergangenheit, die keinen sonderlich kümmert: Abgesehen vom elegischen Romantiker Caspar David Friedrich und dem Allesmaler Adolph Menzel steht deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts nicht mehr hoch im Kurs. Entsprechende Abteilungen großer Museen wirken etwas verstaubt und wenig besucht. Die fleißige Bildproduktion dieser Epoche zu allen möglichen sujets wird heute eher geflissentlich ignoriert.

 

Info

 

Andreas Achenbach – Revolutionär und Malerfürst

 

19.03.2016 - 04.09.2016

täglich außer montags

11 bis 18 Uhr

im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts (Museum LA8), Lichtentaler Allee 8, Baden-Baden

 

Katalog 19 €

 

Weitere Informationen

 

07.07.2017 - 01.10.2017

täglich außer montags

11 bis 18 Uhr,

donnerstags bis 21 Uhr

im Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, Düsseldorf

 

Weitere Informationen

 

Pittoreske Panoramen, penibel ausgeführte genre-Szenen und pathetische Historien-Schinken gelten als gestrig und leicht spießig – farbenfrohes Augenfutter für Omas. Liegt es an der Meistererzählung der klassischen Moderne, die mit der Autonomwerdung von Malerei im französischen Impressionismus beginnt? Oder an antibürgerlichen Affekten gegen die behäbige Selbstdarstellung des Großbürgertums, das damals die Macht übernahm?

 

Akademie zur Rheinland-Befriedung

 

Zu den einflussreichsten Künstlergruppen des 19. Jahrhunderts zählt die Düsseldorfer Malerschule – auch international. 1819 gründete das preußische Königshaus die dortige Kunstakademie neu; als eine der Maßnahmen, um die Bevölkerung im vier Jahre zuvor eingegliederten Rheinland zu befrieden. Rasch gewann die Hochschule an Strahlkraft; zugleich entwickelte sich Düsseldorf zu einem Zentrum des Kunsthandels. Viele der hier wohnenden Maler sollten die Kunst der Romantik und des Realismus‘ in Deutschland prägen.

Interview mit Kurator Matthias Winzen + Impressionen der Ausstellung


 

Ein Bild für sieben Jahreslöhne

 

Einer ihrer prominentesten Köpfe war Andreas Achenbach (1815-1910). Der Sohn eines Glücksritters, der sich in diversen Berufen versuchte, war ein Ausnahmetalent. Er wurde bereits mit zwölf Jahren als Schüler an der Akademie aufgenommen und spezialisierte sich bald auf Landschaften. Als 17-Jähriger reiste er mit seinem Vater nach Sankt Petersburg: In Travemünde zeichnete er eine Bleistift-Ansicht, die ein Engländer so gut bezahlte, dass beide davon ihren zweiwöchigen Aufenthalt in der Hafenstadt bestreiten konnten.

 

Mit nur 20 Jahren erlebte Achenbach seinen Durchbruch: Prinz Friedrich von Preußen, der Statthalter der Rheinprovinzen, kaufte sein Küsten-Gemälde „Große Marine mit Leuchtturm“. Als er mit 28 Jahren zu seiner ersten Italien-Reise aufbrach, berichtete die Lokalpresse ausführlich; man fürchtete, der Starkünstler verlasse Düsseldorf für immer. Doch er kehrte zurück und verwandelte seinen Ruhm in klingende Münze: So erlöste er 1845 für ein Bild mehr als 1.400 Taler – das siebenfache Jahres-Einkommen eines Handwerkers.

 

Adelung + Kaiser-Porträt abgelehnt

 

Wohlhabend, angesehen und beliebt, konnte sich Achenbach eigenwillige Ansichten leisten. Während der Revolution 1848/9 verspottete er die Herrscher in ätzenden Karikaturen, doch das blieb Episode. Später bewirtete er die städtische Elite mit üppigen Gastmählern, blieb aber auf Distanz zur Monarchie: Die Erhebung in den Adelsstand lehnte er mehrmals ab. Einen vom Kaiser beauftragten Künstler-Kollegen, der ihn zum 70. Geburtstag porträtieren sollte, schickte er unverrichteter Dinge heim.

 

Als er mit 95 Jahren starb, glich der Trauerzug zu seiner Beisetzung einem Staatsbegräbnis. Achenbach hatte halb Europa bereist und seine Gemälde bis in die USA verkauft. Er war ein wahrer Malerfürst, wie ihn nur das 19. Jahrhundert mit seinem Geniekult kannte; mit der Abschaffung der Ständegesellschaft schwand auch seine Popularität. Seine Bilder hängen heute noch in vielen deutschen Museen – aber eben unter ferner liefen.

 

Unnachahmlich subtile Lichtregie

 

Das will das rührige Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts (Museum LA 8) ändern. Es lädt zur Wiederentdeckung ein: mit der Präsentation der größten Privatsammlung von Achenbachs Grafik sowie einer Auswahl von rund zwei Dutzend Gemälden und Aquarellen. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum Kunstpalast; dort wird sie im Sommer 2017 in erweiterter Form gezeigt. Das Düsseldorfer Haus besitzt einige Hauptwerke, die in Baden-Baden leider fehlen. Etwa das Monumentalbild „Der Untergang der President'“ von 1842; hier ist nur die gleichnamige Lithographie von 1851 zu sehen.

 

Dabei zeigen gerade die Ölgemälde, worin Achenbach brillierte: Seine unnachahmlich subtile Lichtregie verleiht jedem Bild eigenes Gepräge. Während andere Realisten gleichmäßig beleuchtete Farbflächen brav aneinander setzen, schafft Achenbach stets eine eigentümliche Atmosphäre. Geschickt kontrastierte helle und dunkle Zonen, Glanzlichter und sfumato sorgen für visuellen Rhythmus und lenken den Blick des Betrachters.

 

Abstraktion nur im Detail

 

Wobei sich der Maler auf drei genres konzentrierte, die er bis zur Perfektion ausfeilte: nordische Landschaften, Strand- und Seestücke sowie Mühlenbilder. In allen spielt Wasser eine wichtige Rolle, bei dessen Darstellung er technische Raffinesse bewies: Die Widergabe von funkelnder Gischt oder strahlendem Schimmern auf sanftem Wellengang gelang ihm so meisterlich wie kaum einem Zeitgenossen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Elger Esser – zeitigen" mit Landschafts-Fotografie und Seestücken im Stil des Piktorialismus um 1900 in der Staatlichen Kunsthalle, Karlsruhe

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Es drängt sich alles zur Landschaft…" über "Landschaftsbilder des 19. Jahrhunderts" im Museum für bildende Künste, Leipzig

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Camille Corot: Natur und Traum" über den bedeutendsten französischen Landschaftsmaler des 19. Jh. in der Staatlichen Kunsthalle, Karlsruhe

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Claude Lorrain: Die verzauberte Landschaft" - große Werkschau im Städel Museum, Frankfurt/Main.

 

Ebenso diffuses Leuchten am nebligen oder bewölkten Himmel: Seine Küsten im Gegenlicht erinnern an die golden überströmten Ideal-Veduten von Claude Lorrain (1600-1682), nahezu monochrom modellierte Strandszenen wie „Twilight“ von 1859 an den Proto-Impressionisten William Turner (1775-1851). Dessen Abdriften in die Abstraktion praktizierte Achenbach allerdings höchstens im Detail; seine Kompositionen blieben stets figurativ und perspektivisch korrekt, wie es wohlgeordneter bürgerlicher Weltsicht entsprach.

 

Chronist von Naturkatastrophen

 

Auf den zweiten Blick bemerkt man, wie es darin brodelt: Schiffe sind meist in Seenot, als Spielbälle der tobenden Elemente. Spuren menschlicher Tätigkeit sind häufig winzig klein – wie die Staffage-Gestalten, die das Geschehen passiv beobachten, etwa die Schaulustigen am Leuchtturm der „Großen Marine“ von 1836. Der „Herrscher über Land und Meer“, so ein enthusiastischer Kritiker 1861, war zugleich ein Maler von Naturkatastrophen.

 

Seine vermeintlichen Idyllen enthüllen sich bei näherem Hinsehen oft als erhabene Chroniken von Ohnmacht und Verfall. Wie die ausgewogen kolorierte „Küstenlandschaft“ von 1837: Die Strandhütte am rechten Rand ist arg mitgenommen. Das lustig bunte Gewimmel in der Bildmitte entpuppt sich als Schar von Leuten, die auf ein gestrandetes Wrack zueilen: um zu retten oder zu plündern?

 

Schön schreckliches Scheitern

 

Bilder voller Dramatik und tragischem Scheitern waren im 19. Jahrhundert sehr populär; diese Lust am Untergang bediente kaum ein Künstler so malerisch wie Achenbach. In der heutigen Rückbesinnung auf beschauliches Landleben, die seine Gefahren nur als harmlose action-Spektakel erträgt, hat er eine Renaissance verdient: Er gewann den Schrecken des Daseins die allerschönsten Ansichten ab.