Ethan Hawke + Greta Gerwig

Maggies Plan

John (Ethan Hawke) und Maggie (Greta Gerwig) lernen sich zufällig in der Uni kennen. Foto: © Copyright 2015 Lily Harding Pictures, LLC. Fotoquelle: MFA+FilmDistribution
(Kinostart: 4.8.) Großstadt-Neurotiker einer neuen Generation: Maggie will ein Kind ohne Vater, bekommt ihn trotzdem dazu – und versucht, ihn an seine Ex abzuschieben. Daraus macht Regisseurin Rebecca Miller eine Selbstfindungs-Sittenkomödie mit Mehrwert.

Das Wort „irgendwie“ ist ein „sprachliches Verhütungsmittel“, sagt Paul (Ethan Hawke) auf einer Parkbank zu Maggie (Greta Garwig) – und er hat Recht. Leben wir nicht alle längst unter der Herrschaft des Unverbindlichen? In der alles nur irgendwie, aber nichts wirklich so ist, wie es ist, und in der nichts auf sich selbst, sondern immer auf etwas Anderes verweist?  Das Gespräch von Paul und Maggie zum Auftakt des neuen Films von US-Regisseurin Rebecca Miller steht für die Widersprüche im Dasein der Figuren.

 

Info

 

Maggies Plan

 

Regie: Rebecca Miller,

98 Min., USA/ Großbritannien 2015;

mit: Ethan Hawke, Greta Gerwig, Julianne Moore

 

Website zum Film

 

Die robuste Mittdreißigerin Maggie ist als Dozentin für Kunstökonomie in ihrem Job erfolgreich, hat aber keine Festanstellung. Sie möchte Kinder bekommen, aber keine Familie gründen. Stattdessen bittet sie einen alten Schulfreund – einen bärtigen slacker-Typen, der gerade ein start up für saure Gurken gegründet hat – um eine Samenspende.

 

Professorin mit Drachen-Blick

 

Paul hingegen ist renommierter Dozent und Experte für „fiktokritische Anthropologie“, möchte aber lieber Romane schreiben. Wozu er jedoch nicht kommt, weil seine Frau Georgette (Julianne Moore) – eine hyper-ehrgeizige Professorin an der elitären Columbia University, bewaffnet mit dem laser-artigsten Drachen-Blick seit Tilda Swinton als weiße Hexe in „Die Chroniken von Narnia“ – ihm nicht nur den Haushalt, sondern auch weitgehend die Erziehung ihrer gemeinsamen Kinder überlässt.

Offizieller Filmtrailer


 

Bloß kein Kind vom Gurken-Mann!

 

„Beziehungen sind wie Rosen und Gärtner“, heißt es im Verlauf des Films: Der Gärtner ist in diesem Fall Paul. Auf dem Uni-campus lernt er Maggie kennen, mit der er einiges gemeinsam hat; beide stecken in einer Sackgasse ihrer Biographie fest. Während Maggie als Großstadt-single in ihrer mit Büchern vollgestopften Wohnung ein einsames, aber selbstzufriedenes Dasein fristet, bleibt Paul echte Selbstverwirklichung verwehrt.

 

Beste Voraussetzungen für eine Romanze: Paul steht nach regelmäßigen Treffen mit Maggie rasch im Bann ihrer optimistisch-pragmatischen Aura und kann eines Tages nicht anders, als ihr seine Liebe zu gestehen. Mit einer absurden Mischung aus Ergebenheit und Lakonie kniet er plötzlich vor ihr: Er wolle nicht, dass sie von dem Gurken-Mann ein Kind bekommt. Schnitt.

 

Die Krankheit, nicht mehr zu lieben

 

Nach einem Zeitsprung von drei Jahren schwebt die Kamera unaufgeregt durch die Räume eines hippen loft apartement. Maggie hält ihre Tochter auf dem Arm, das Telefon klingelt und Paul, der für sie und das Kind seine Frau Georgette verlassen hat, sitzt im Büro und schreibt an einem Roman. Hermetisches Familienglück.

 

Wären da nicht das Unbehagen, das Maggie jetzt heimsucht, weil sich ihr Ehemann inzwischen vom Gärtner in eine Rose verwandelt hat und nichts anderes mehr macht als das, wofür sie ihn einst liebte: schreiben. „Bin ich krank, wenn ich immer aufhöre, zu lieben?“, fragt sie sich in einer Szene. Und schmiedet anschließend einen Plan, Paul wieder an seine Ex-Gattin abzuschieben.

 

Stilsicherer shooting star

 

„Maggies Plan“ erinnert an Woody Allens New York bohème-Filme, aber auch an jüngere hipster-Komödien von Noah Baumbach. Es wird geliebt und infrage gestellt; man diskutiert die Wechselfälle des Lebens oder Romanstoffe, während man mit guten Freunden durch gentrifizierte Stadtviertel spaziert, um für ein paar Stunden dem eigenen Narzissmus zu entkommen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films “Frances Ha”  – New Yorker Bohemien-Tragikomödie von Noah Baumbach mit Greta Gerwig

 

und hier eine Besprechung des Films "Boyhood" von Richard Linklater über das Drama einer Kindheit mit Ethan Hawke

 

und hier einen Bericht über den Film “Before Midnight” von Richard Linklater über eine unendliche Liebesgeschichte mit Ethan Hawke + Julie Delpy

 

und hier einen Beitrag über den Film  “Maps to the Stars” – sarkastische Satire über die Filmbranche in L.A. von David Cronenberg mit Julianne Moore.

 

Dass Regisseurin Miller für die Titelrolle shooting star Greta Gerwig engagiert hat, die bald Kult-Status genießen dürfte, beweist Stilsicherheit. Keine US-Schauspielerin verkörpert das komplizierte Leben als Mittelstands-Mittdreißiger zwischen Selbstverwirklichung und Selbstzweifel so gut wie Gerwig, die zwischen Grazie und Tölpelhaftigkeit changiert.

 

Im Gefängnis zeitgenössischer Freiheit

 

Sie begann als star von mumblecore, einem genre des independent-Films der 2000er Jahre mit kleinen Budgets, improvisierten Dialogen und punkiger do it yourself-Ästhetik. Später reüssierte Gerwig in Tragikomödien von Noah Baumbach wie „Greenberg“ (2010) und „Frances Ha“ (2012). Auch diese Filme handeln von der Orientierungslosigkeit einer Akademiker-Generation, die am Gefängnis der zeitgenössischen Freiheit zu scheitern droht.

 

Im Vergleich dazu ist „Maggies Plan“ jedoch wesentlich harmloser. Anstelle von manischer Depression und angestrengter Lockerheit geht es hier um fast schon klassische Themen: die Halbwertzeit der Liebe, Neujustierung von Geschlechter-Rollen und emotionale Irrungen moderner patchwork-Familien. Das ist ziemlich unterhaltsam, was nicht nur an skurrilen Figuren wie Karriere-Professorin Georgette liegt, von Julianne Moore genial gespielt, sondern auch am lässigen soundtrack voller rocksteady, dem reggae-Vorläufer der 1960/70er Jahre.

 

Keine flipchart-Planung

 

Dabei geht der Film manchmal über eine screwball comedy hinaus. Es ist eine Geschichte über die Fallstricke des Schicksals. Darüber, dass das Leben nicht planbar ist wie an einem flipchart – auch in einer Welt, in der sich Arbeit und Privatleben möglichst perfekt einfügen sollen in die individualisierten, narzisstischen social media-Biographien. Irgendwie banal, aber auch irgendwie lehrreich und: irgendwie komisch.