Lee Tamahori

Mahana – Eine Maori-Saga

Tamihana Mahana (Temuera Morrison) schurigelt seinen Enkel Simeon (Akuhata Keefe). Foto: © 2016 PROKINO Filmverleih
(Kinostart: 1.9.) Generationen-Konflikt beim Schafschur-Wettbewerb: Ein junger Maori begehrt gegen den Patriarchen auf, der seinen Clan tyrannisch beherrscht. Authentisch und etwas glatt inszeniertes Familienepos aus Neuseeland von Regisseur Lee Tamahori.

Tamihana Mahana (Temuera Morrison) ist ein Patriarch, wie er im Buch steht: ein kräftig gebauter Mann mit graumeliertem, akkurat gestutzten Bart und stets korrekter Kleidung. Ihn umgibt eine Aura latenter Gewalt. Ein durchdringender Blick von ihm genügt, um alle in seiner Umgebung zum Schweigen zu bringen. Nur der vorwitzige Enkel Simeon (Akuhata Keefe) wagt leisen Widerspruch, wenn sich die vielköpfige Familie zum Essen versammelt. Dann versucht seine Mutter verzweifelt, den 14-Jährigen zum Gehorsam zu bringen.

 

Info

 

Mahana -
Eine Maori-Saga

 

Regie: Lee Tamahori,

103 Min., Neuseeland 2015;

mit: Temuera Morrison, Akuhata Keefe, Nancy Brunning

 

Website zum Film

 

Die Mahanas sind ein Maori-clan von Schafscherern an der ländlichen Ostküste von Neuseeland in den 1960er Jahren. Sie haben es durch jahrelange harte Arbeit und skrupellose Methoden ihres Familien-Oberhaupts zu einigem Wohlstand und Ansehen gebracht. Dennoch sind die Mahanas von der Gunst weißer Farmer abhängig: Sie besitzen die riesigen Schafherden und verteilen die Aufträge zur Schur nach Gutdünken. Auch das Justizsystem benachteiligt die Maori. Die Ureinwohner dürfen vor Gericht ihre Muttersprache nicht benutzen; wegen Nichtigkeiten verurteilt man sie zu harten Strafen.

 

Erbfeindschaft mit anderem clan

 

Dem aufgeweckten teenager Simeon springen diese Ungerechtigkeiten ins Auge; er beginnt dagegen aufzubegehren. Ebenso gegen die Machtverhältnisse in seiner Familie, in der allein der Patriarch bestimmt, dem alle anderen gehorchen. Zufällig fällt dem Jungen ein altes Foto in die Hände. Es zeigt seine Großmutter Ramona (Nancy Brunning) mit einem anderen Mann vom clan der Poatas, mit dem die Mahanas seit langem verfeindet sind.

Offizieller Filmtrailer


 

Durchbruch mit „Die letzte Kriegerin“

 

Dabei ist Simeon ausgerechnet in das Poata-Mädchen Poppy verliebt. Als ihn sein Vater Joshua im Dauer-Streit mit dem Patriarchen in Schutz nimmt, greift dieser zu drastischen Maßnahmen: Er enterbt Joshua und verbannt seine Familie aus dem gemeinsamen Haus. Der Konflikt schwelt weiter bis zum alljährlichen Schafschur-Wettbewerb; dabei treten erstmals zwei teams aus einem clan gegeneinander an.

 

Vor mehr als 20 Jahren wurde Maori-Regisseur Lee Tamahori mit seinem Debüt-Spielfilm „Die letzte Kriegerin“ („Once were warriors“, 1994) international bekannt: Sein Drama über das von Alkohol und Gewalt geprägte Leben einer Maori-Familie beleuchtete die heutige Situation vieler neuseeländischer Ureinwohner.

 

Anleihen bei klassischen Western

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Das Talent des Genesis Potini" – vielschichtiges Biopic über einen Maori-Blitzschachmeister von James Napier Robertson

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung „Maori: Die ersten Bewohner Neuseelands“ – gelungene Überblicks-Schau im Linden-Museum, Stuttgart

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung „Gottfried Lindauer: Die Māori Portraits“ – einzigartige Gemälde des 1874 nach Neuseeland emigrierten Künstlers in der Alten Nationalgalerie, Berlin.

 

Der vielfach preisgekrönte Film ebnete Tamahori den Weg nach Hollywood. Dort inszenierte er mit wechselndem Erfolg; zum Kassenschlager wurde „James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag“ (2002). Dagegen floppte 2011 sein Thriller „The Devil’s Double“ über den Doppelgänger von Iraks Ex-Diktator Saddam Hussein.

 

Nach fünf Jahren Drehpause ist Tamahori zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Dass er vom klassischen Hollywood-Kino viel übernommen hat, sieht man seinem neuen Werk an: „Mahana“ zeigt deutliche Anleihen bei klassischen Western, etwa bei den schlicht großartigen Landschafts-Aufnahmen. Auch das Duell zwischen Simeon und seinem Großvater ist fesselnd: Akuhata Keefe beeindruckt mit seiner Mischung aus Unbedarftheit und Hartnäckigkeit, Temuera Morrison verkörpert den Patriarchen mit physischer Präsenz.

 

Weg zur Gleichberechtigung

 

Zudem wurde viel Wert auf authentische Ausstattung gelegt: mit Mode und Autos, die very british und im Neuseeland der Epoche recht exotisch wirken. Allerdings gerät auch die Inszenierung, wie in Hollywood üblich, etwas glatt und vorhersehbar; bei aller Dramatik mutet Tamahori dem Zuschauer nicht zuviel zu.

 

Im Vergleich zu „Die letzte Kriegerin“ fehlt die existentielle Tragik. Stattdessen werden die Maori als diskriminierte Minderheit porträtiert, die sich aufmachen, ihren gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft zu erobern – was ihnen im Lauf der letzten 50 Jahre in vielen Belangen auch gelungen ist. Seit 1987 ist Maori neben Englisch die zweite Amtssprache Neuseelands.