Timur Bekmambetov

Ben Hur

Der Verräter Messala (Toby Kebbell, vorne) ist Judah Ben Hurs Rivale. Foto: Paramount Pictures Germany
(Kinostart: 1.9.) 57 Jahre nach Charlton Heston jagt ein neuer Wagenlenker durch die Arena: Regisseur Timur Bekmambetow dreht ein achtbares Remake des Monumentalfilms von 1959 – samt überfälliger Versöhnung der feindlichen Brüder im heiligen Land.

Der Historien-Roman „Ben Hur“ des US-Generals und -Politikers Lew Wallace, der nach seinem Erscheinen 1880 flugs zum bestseller wurde, ist bereits fünf Mal verfilmt worden. Die bekannteste und pompöseste Version drehte Regisseur William Wyler 1959 mit Charlton Heston in der Hauptrolle; sie wurde mit elf Oscars prämiert. Da stellt sich die Frage, wozu es 57 Jahre später ein remake braucht.

 

Info

 

Ben Hur

 

Regie: Timur Bekmambetov,

123 Min., USA 2016;

mit: Jack Huston, Tobby Kebbell, Morgan Freeman

 

Website zum Film

 

Zumal die neue Variante des kasachisch-russischen Regisseurs Timur Bekmambetow auf teure Stars weitgehend verzichtet. Am bekanntesten sind noch Morgan Freeman in der Rolle des Scheichs Ildirim und der Däne Pilou Asbæk als Pontius Pilatus, der sonst in den TV-Serien „Borgen“ und „Game of Thrones“ mitspielt. Hauptdarsteller Jack Huston kommt dagegen als Ben Hur an den Charakterkopf von Charlton Heston nicht heran.

 

Mediterraner surfer-Jesus

 

Huston wirkt so nett, dass man ihm mühelos zutraut, stets den christlich-weichherzigsten Weg zu gehen; man hätte ihn besser gleich als Jesus besetzt. Der erscheint bei seinen drei bis vier Kurzauftritten als jener mediterrane zen surfer-Typ, als den Hollywood ihn mittlerweile kanonisiert hat. Dagegen kann der smarte Brite Toby Kebbell seiner Figur des Messala als Gegenspieler von Ben Hur einige Nuancen abgewinnen.

Offizieller Filmtrailer


 

Adoptierter Römer in jüdischer Familie

 

Die Geschichte wird recht straff entlang der Romanvorlage abgespult, an der sich das Drehbuch mit viel Mut zur Lücke orientiert. So kommt der neue „Ben Hur“-Film mit rund zwei Stunden Laufzeit aus, ohne dabei gehetzt zu wirken. Der bekannte plot ist von geradezu biblischer Gleichnishaftigkeit: Zwei junge Männer wachsen gemeinsam auf.

 

Der eine, Messala, wurde als Spross einer gefallenen römischen Sippe von der Familie des anderen, Judah, adoptiert. Die jüdische Familie Hur ist reich, aber unfrei; das heilige Land steht unter römischer Besatzung. Dann entsteht Zwietracht zwischen den Brüdern: Messala liebt Judahs Schwester Tirza. Um seine Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden, verlässt er die Familie und sucht sein Glück in der Armee.

 

Gut computergenerierte Seeschlacht

 

Drei Jahre später kehrt er einflussreich und mächtig zurück. Doch als der jüdische Widerstand der Zeloten vom Haus Hur aus ein Attentat auf den Statthalter Pontius Pilatus verübt, trifft die ganze Familie harte Strafen. Judah wird Rudersklave auf einer Galeere, was er fünf Jahre lang überlebt. Bis sein Schiff in einer Seeschlacht untergeht und er unversehrt an Land gespült wird.

 

Hier muss sich der Film erstmals gegenüber seinem übergroßen Vorbild bewähren: Regisseur Wyler hatte 1959 die Seeschlacht als Alptraum an Dichte und Intensität bei der Darstellung menschlicher Todesangst inszeniert. Sein Nachfolger Bekmambetow löst die Aufgabe recht gut, obwohl überall durchscheint, dass die Bilder computergeneriert sind.

 

Broadway-Wagenrennen auf Laufbändern

 

Anschließend trifft Judah auf den Wüsten-Scheich Ildirim, der mit Wagenrennen Geschäfte macht. Beide werden Partner, und bald steht Judah in der neu erbauten Arena von Jerusalem seinem feindlichen Bruder Messala gegenüber. Das folgende Wagenrennen ist der unique selling point von „Ben Hur“. Schon vor der ersten Verfilmung wurde der Stoff am Broadway inszeniert; schon damals war die technische Umsetzung ein Gradmesser für die Güte der show. Vor beweglichen Hintergrund-Prospekten galoppierten echte Pferdegespanne auf Laufbändern in Richtung Publikum.

 

Im Film von 1959 war das zehnminütige Wagenrennen ein extravagantes Kino-Spektakel für sich: mit Tausenden von Komparsen, deren Gesichter auf 70-Millimeter-Film heute noch gestochen scharf zu erkennen sind. Außerdem wurde erstmals in großem Maßstab das neuartige blue screen-Verfahren angewandt.

 

Durchbruch mit russischer fantasy

 

Heutzutage vertraut man auf CGI: So bekommt das digitale „Ben Hur“- Wagenrennen eine fragmentierte Bildsprache mit fast expressionistischer Optik der Zerstörung, ohne Tierschutz-Bestimmungen zu verletzen. Nichtsdestoweniger ist das ebenfalls zehn Minuten lange Rennen ein dynamischer und würdiger showdown – der allerdings kaum in die Filmgeschichte eingehen wird.

 

Hintergrund

 

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Regisseur Timur Bekmambetow hatte seinen Durchbruch mit dem fantasy thriller „Wächter der Nacht“ (2004), der ebenso wie die Fortsetzung „Wächter des Tages“ (2006) in Russland zum Kassenschlager wurde. Seit 2008 dreht er durchaus erfolgreich in Hollywood; etwa „Abraham Lincoln Vampirjäger“ (2012), ein mash up aus Historien- und Blutsauger-Film.

 

Christliche Friedensbereitschaft

 

Seine „Ben Hur“-Version unterhält recht gelungen und bringt zugleich ein paar gute Ideen unter. Romanautor Lew Wallace war zwar gläubig, aber kein Kirchenmitglied. Seine Geschichte, deren moralischer Angelpunkt die Abkehr vom gewaltsamen Widerstand ist, verprellt keine der monotheistischen Religionsgemeinschaften; auch werden die Juden nicht als Mörder Christus‘ diffamiert.

 

Zudem lassen sich Parallelen zwischen der römischen und der unseligen Dynamik der heutigen Herrschaft in den besetzten Gebieten ziehen; samt der sehr christlichen Empfehlung, auch aus einer Position der Schwäche heraus friedensbereit zu sein. Indikator dafür ist, wie das Drehbuch mit der Figur des Messala umspringt.

 

Zwischen Arena-Tod + Versöhnung

 

Im Roman wird er ermordet; pikanterweise von einer Geliebten, die er zuvor Judah Ben Hur ausgespannt hat. In Wylers Version stirbt er noch in der Arena, was den Racheaspekt der Geschichte betont. Bei Bekmambetow dagegen überlebt er das Rennen schwer verletzt, was den beiden Brüdern Gelegenheit gibt, sich endlich zu versöhnen. Dagegen ist wenig einzuwenden – vorausgesetzt, man mag Wagenrennen und Seeschlachten.