Alles läuft nach Plan – Mamas Plan. Die Witwe Baya (Sabah Bouzouita) gibt vor, was ihr jüngster Sohn Hedi (Majd Mastoura) auszuführen hat. Sie arrangierte seine bevorstehende Hochzeit mit Khedija, einer folgsamen Tochter aus gutem Hause. Zuvor verschaffte sie Hedi eine Stelle beim tunesischen „Peugeot“-Vertrieb; seither reist er als Vertreter durchs Land und versucht, anderen Unternehmen Autos zu verkaufen – praktisch erfolglos.
Info
Hedis Hochzeit
Regie: Mohamed Ben Attia,
88 Min., Tunesien/ Belgien/ Frankreich 2016;
mit: Majd Mastoura, Rym Ben Messaoud, Sabah Bouzouita
Comics voller Endzeit-Szenarien
Eigensinn erlaubt er sich nur, wenn er zeichnet: düstere Endzeit-Szenarien voller Monster und aliens. Hedi träumt davon, comics in Frankreich zu veröffentlichen: Dort lebt sein älterer Bruder Ahmed (Hakim Boumessoudi), Mamas ganzer Stolz, der beruflich erfolgreich ist und eine Familie gründete – sie aber bei Heimatbesuchen noch nie mitgebracht und vorgestellt hat.
Offizieller Filmtrailer
Doppelspiel endet mit Aufstand
In der Woche vor der Eheschließung wird Hedi zur Auftrags-Akquise in die Küstenstadt Mahdia geschickt. Dort quartiert er sich in einem komfortablen all inclusive resort ein – es steht fast leer, da ausländische Touristen fernbleiben. Zufällig lernt er die 30-jährige Rim (Rym Ben Messaoud) kennen: Als Animateurin bei abendlichen dance shows tingelt sie durch Hotelanlagen im gesamten Mittelmeerraum. Unbeschwert scheint Rim ein unabhängiges Leben zu führen, das Hedi bislang verwehrt blieb – er will sofort mit ihr auswandern.
Doch die Zeit läuft ihm davon: Am Telefon drängt Mama, er solle schleunigst heimkehren und sich um seine Hochzeit kümmern. Auch sein Vorgesetzter lässt sich kaum länger hinhalten. Hedi pendelt hektisch zwischen dem Hotel-Refugium und seinem Wohnort Kairouan hin und her, kann aber immer schlechter verbergen, dass er seine Pflichten vernachlässigt. Bis sein Doppelspiel auffliegt und er den Aufstand probt.
Verkatertes Tunesien
So stoisch Hedi anfangs ständige Fremdbestimmung erträgt, so lakonisch wird er dabei von der Kamera beobachtet. Regisseur Mohamed Ben Attia zeigt ein von der aktuellen Wirtschaftskrise gebeuteltes Tunesien: Die Produktion wurde gedrosselt, Firmen und Hotellerie mussten Personal entlassen; Strände, Straßen und Urlaubsorte sind halb verwaist. „Mein Land ist verkatert“, sagt der Filmemacher: Die latente Depression des Hauptdarstellers und der gesamten Gesellschaft fallen zusammen.
Hintergrund
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Diktator weg, Diktatur bleibt
Insofern ist „Hedis Hochzeit“ weniger das Porträt eines Muttersöhnchens als vielmehr eines ganzen Kulturkreises: Der verblühte „Arabische Frühling“ hat überall tiefe Desillusionierung hinterlassen. Mancher Alleinherrscher wurde verjagt, doch die Diktatur des Patriarchalismus herrscht weiter ungebrochen – selbst wenn sie eine Frau im Familienkreis ausübt.
Kein Wunder, dass die Untertanen ihr Heil allein in der Flucht in den Westen suchen. Da wirkt der Silberne Bär, den Majd Mastoura auf der Berlinale 2016 als bester Darsteller erhielt, wie ein Trostpreis: als hiesige Anerkennung, die ihm daheim versagt bleibt.