Rachel Weisz+ Michael Fassbender

The Light between Oceans

Tom Sherbourne (Michael Fassbender) und seine Frau Isabel Sherbourne (Alicia Vikander), Foto: © 2016 Constantin Film Verleih GmbH
(Kinostart: 8.9.) Wie Moses im Bastkörbchen: Mit einem Findelkind genießt ein Paar ohne Nachwuchs Familienglück am Ende der Welt– bis die leibliche Mutter auftaucht. Verklärendes Gefühlskino von Regisseur Derek Cianfrance in majestätischer Naturkulisse.

Ein Baby zwischen zwei Müttern – das kommt schon im Alten Testament vor: König Salomon sollte den Streit zweier Frauen um ein Neugeborenes entscheiden. Er befahl, das Kind mit einem Schwert zu zerteilen, damit beide Frauen je eine Hälfte bekämen. Da flehte eine Frauen, es ihrer Widersacherin zu überlassen. An diesem Verzicht erkannte Salomon die Mutter und sprach ihr das Baby zu.

 

Info

 

The Light between Oceans

 

Regie: Derek Cianfrance,

132 Min., Neuseeland/ USA/ Großbritannien 2016;

mit: Michael Fassbender, Alicia Vikander, Rachel Weisz

 

Website zum Film

 

Auch in „The Light between Oceans“ nach dem gleichnamigen bestseller der Australierin Margot L. Stedman von 2012 geht es um ein unrechtmäßig angenommenes Kind und die Frage, was wahre Mutterschaft ausmacht: Blutsbande oder gemeinsam verbrachtes Leben? Anfang der 1920er Jahre wohnt die lebenslustige und bildschöne Isabel Sherbourne (Alicia Vikander) mit ihrem schweigsamen Mann Tom (Michael Fassbender) auf der einsamen Insel Janus Rock. Dort, am äußersten Zipfel Westaustraliens, treffen der Pazifik und der Indische Ozean aufeinander.

 

Strandgut-Baby nach zweiter Fehlgeburt

 

Auf dem abgelegenen Eiland arbeitet Tom als Leuchtturm-Wärter. Im Ersten Weltkrieg hat er als Soldat in Europa viele Gräuel erlebt – nun sehnt er sich nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Alle paar Wochen kommt ein Versorgungsschiff vorbei; ansonsten hat das Paar keinen Kontakt zur Außenwelt. Ihre Liebe ist leidenschaftlich, nur Nachwuchs bleibt ihnen versagt. Bald nachdem Isabel ihre zweite Fehlgeburt erlitten hat, wird ein Boot am Ufer angeschwemmt; darin liegen ein toter Mann und ein noch lebendes Baby.

Offizieller Filmtrailer


 

Stiefvater landet im Gefängnis

 

Tom will seiner Pflicht nachkommen und den Vorfall melden. Doch Isabel bestürmt ihn, alles zu vertuschen, das Mädchen zu behalten und es als das eigene auszugeben. Schweren Herzens gibt er seiner Frau zuliebe nach; beide hegen die Illusion, dass ihr Findelkind ohnehin keine lebenden Eltern mehr habe. Doch Jahre später treffen sie bei einem Besuch auf dem Festland zufällig die leibliche Mutter des Mädchens.

 

Seit dem tragischen Verlust von Ehemann und Kind ist Hannah Roennfeldt (Rachel Weisz) eine gebrochene Frau. Als sie nun ihre Tochter wieder in die Arme schließen kann, muss sie feststellen, dass diese natürlich Isabel für ihre Mutter hält. Am bitteren Streit um das Mädchen drohen alle Betroffenen zu zerbrechen: Isabel läuft vor ihrer Verantwortung davon. An ihrer Stelle nimmt Tom alle Schuld auf sich; er landet im Gefängnis. Die kleine Lucy-Grace weiß nicht mehr, wohin sie gehört.

 

Nostalgischer Sepia-Farbstich

 

Hintergrund

 

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In seiner Roman-Verfilmung bietet US-Regisseur Derek Cianfrance alle Zutaten auf, die ein großes Hollywood-Melodram braucht: Drei berühmte und attraktive Hauptdarsteller, differenziert gezeichnete Nebenfiguren, einen pittoresken Schauplatz weitab von geläufigen Gegenden und eine Handlung, die in der guten alten Zeit angesiedelt ist. Die Welt vor rund 100 Jahren wird durch aufwändige Ausstattung mit viel Liebe zum Detail heraufbeschworen; ein in diesem genre beliebter Farbstich in Sepia tönt etliche Einstellungen nostalgisch ein.

 

Zudem glänzt der Film mit malerischen Panorama-Aufnahmen der wilden Natur am Ende der Welt: Zwischen Meer und Himmel steht der Leuchtturm einsam auf einem kahlen Felsen, mitten in unermesslicher Weite. Damit kontrastieren Großaufnahmen der Gesichter, oft im Gegenlicht aufgenommen, was die Protagonisten zusätzlich überhöht. Die ohnehin schon überlebensgroßen Gefühle werden durch den pathetischen score akustisch noch verstärkt.

 

Eier zählen + Kränze flechten

 

Regisseur Derek Cianfrance wurde mit dem Liebesdrama „Blue Valentine“ (2010) und der dreiteiligen Vater-Sohn-story „The Place Beyond the Pines“ (2012) bekannt. Diesmal schöpft er aus dem Vollen: Tom und Isabel verbindet reine Liebe; mit dem Findelkind ist ihr Glück für einige Zeit perfekt. Abseits der störenden Zivilisation bilden sie eine Art Robinson-Familie auf ihrer windumtosten Paradies-Insel. Elternschaft ist pure Freude: Mit dem niedlichen Nachwuchs werden Hühnereier im Korb abgezählt und Gänseblümchen-Kränze geflochten. Das ist so sentimental wie verklärend und überschreitet mitunter die Grenze zum Kitsch.

 

Nach ausführlich geschilderter Familien-Idylle wird der Film recht einsilbig, wenn es um die Folgen von Isabel und Toms Tun geht. Anstelle von äußeren und inneren Konflikten menschelt es arg; zum Schluss wird mit zwanzig Jahre Abstand ein happy end serviert, das die der Geschichte innewohnende Tragik leichthändig relativiert.