Angenommen, Filme wären Seismografen der Gesellschaft: Was würde der Erfolg der aktuellen deutschen mainstream-Komödien über die Wirklichkeit aussagen? Warum sind Mittelstands-Romanzen mit infantilen Titeln oder lahme Klamotten über kulturelle Klischees so beliebt? Lassen wir diese Fragen zunächst beiseite – immerhin gelang Regisseur Oliver Rihs 2006 mit der Berlin-Satire „Schwarze Schafe“ ein so bodenständiger wie derber Überraschungserfolg.
Info
Affenkönig
Regie: Oliver Rihs,
98 Min., Deutschland 2016;
mit: Hans-Jochen Wagner, Samuel Finzi, Oliver Korittke
Viel versprechende Feier-Tage
Ihre Lebensläufe sind grundverschieden: Viktor hat Karriere in der Politik gemacht. Martin ist ein gealterter pop star, dessen einziger number one hit lange zurückliegt; außerdem Vater eines Sohnes. Ralph arbeitet als Software-Programmierer; seine Geschäfte laufen genauso miserabel wie die Beziehung zu seiner Ehefrau Ruth (Jule Böwe). Doch nun stehen exzessive Feier-Tage bevor. So weit, so viel versprechend.
Offizieller Filmtrailer
Luftgitarre im Lendenschurz spielen
Es vergehen nur wenige Film-Minuten, bis die Vorschuss-Lorbeeren verwelkt sind. In der ersten Szene stehen Ralph, seine Frau und ihre gemeinsame gothic-Tochter Greta auf dem Flughafen in einer langen Warteschlange vor dem check in-Schalter für die economy class. Dort trifft Ralph auf Viktor – Spitzname „Fick-tor“ – und dessen schwangere Freundin Sima; beide stolzieren an ihm vorbei, weil sie Erste Klasse fliegen. Ralph betrachtet entgeistert seinen alten Jugendfreund – was als flacher Seitenhieb auf Sozialneid zu verschmerzen ist.
Als alle im Provence-Domizil von Wolfi ankommen, steht der Hausherr – Spitzname „Affenkönig“ – auf dem Dach seiner Villa: Im Lendenschurz spielt er Luftgitarre, dann kippt er sich eine Flasche Champagner in den Rachen. Nun ist klar: Geboten wird keine Satire über alternde hipsters, sondern eine Krawall-Komödie mit Spaß-Imperativ, die Situationskomik mit schreiendem Unterleibs- und Fäkal-Humor verwechselt und dazu mit Klischees um sich wirft.
Sämtliche Figuren wirken, als seien sie aus Archetypen der boulevard-Medien zusammengesetzt. Dabei verhalten sie sich so plump sexistisch und rassistisch, dass man sich unwillkürlich fragt, ob das beabsichtigt ist oder der Film womöglich auf Beifall in fremdenfeindlichen Kreisen schielt.
Dauermonolog unter crystal meth
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Toni Erdmann" – skurrile Vater-Tochter-Dramödie von Maren Ade
und hier eine Besprechung des Films "A Bigger Splash" – luxuriöser Lebemann-Krimi am Urlaubs-Pool von Luca Guadagnino mit Ralph Fiennes + Tilda Swinton
und hier einen Beitrag über den Film „Wir sind die Neuen“ – amüsante Generationen-Komödie über Alt-68er versus Jung-Spießer von Ralf Westhoff.
Im letzten Drittel des Films werden die Narben der Protagonisten ansatzweise angedeutet; davon hätte Regisseur Rihs erzählen können: Mit der Chance, die Widersprüche heutiger Individuen im Würgegriff von Selbstverwirklichung, Jugendwahn und Angst vor Statusverlust klar auszuformulieren, anstatt sie nur als Kontrastfolie für billige gags einzusetzen.
Alles soll bleiben, wie es ist
Regisseur Rihs unterschätzt offenbar die Fähigkeit des Publikums, im Komischen das Tragische zu entdecken – und das produktiv zu machen. Womit sich die oben gestellte Frage beantworten lässt: Wenn das Schrille und Ironische nicht mehr Ausnahme und Abweichung von der Regel ist, sondern die Norm, beruht der Erfolg von nach solchem Muster gestrickten Komödien auf dem Bedürfnis, dass alles so bleibt, wie es ist. In der Spektakel-Gesellschaft wird derjenige am meisten beachtet, der am lautesten brüllt – egal, worum es geht.