Der britische Regisseur Stephen Frears hat ein Händchen für charismatische alte Damen; zuerst die „Queen“ (2006), dann „Philomena“ (2014) und nun „Florence Foster Jenkins“. In diesem Trio darf sie als die schillerndste Person gelten: Ihr Vermächtnis – oder auch Fluch – ist ihr Ruf als schlechteste Opernsängerin aller Zeiten.
Info
Florence Foster Jenkins
Regie: Stephen Frears,
110 Min., Großbritannien 2016;
mit: Meryl Streep, Hugh Grant, Simon Helberg
Wagner-Walküre im tableau vivant
Mit einer solchen soirée setzt der Film ein. Florence (Meryl Streep) lässt sich als Walküre in ein von Richard Wagner inspiriertes tableau vivant hieven. Von diesem aufwändig inszenierten, „lebenden Bild“ ist das Publikum begeistert. Es feiert sie und ihren Gatten St. Clair Bayfield (Hugh Grant), einen englischen Salonlöwen und unehelichen Adelsspross mit tadellosen Manieren und Rezitations-Talent.
Offizieller Filmtrailer
1000 Gratis-Karten für Soldaten in Carnegie Hall
In dieser sorglosen Welt der happy few spielt Musik die Hauptrolle. Irgendwann reicht Florence ihre stumme Nebenrolle nicht mehr: Im vorgerückten Alter beschließt sie, Opernsängerin zu werden, um noch mehr Freude zu verbreiten. Neben einem Gesangslehrer wird ein junger Begleiter am Klavier engagiert. Der schüchterne Pianist Cosmé McMoon (Simon Helberg) stolpert als Außenseiter in diese Seifenblase gut situierter Musikfreunde und hört sofort, was niemand Florence zu sagen wagt: Sie kann überhaupt nicht singen.
Da aber alle in ihrem Umfeld finanziell von ihr abhängig sind und sie überdies ein sehr warmherziger Mensch mit fast kindlichem Gemüt ist, lässt man sie unverdrossen weiter üben. Ihr Mann Bayfield organisiert Konzert-Abende mit „Musikliebhabern“, die ihr allesamt gewogen sind. Davon beflügelt, bucht sie 1944 die Carnegie Hall in New York für ihren großen Auftritt und lässt 1000 Karten an Soldaten verschenken. Damit gerät die bislang gut eingespielte balance außer Kontrolle; sogar ihr Pianist will den Dienst quittieren.
Zwischen Schulmädchen + Haremsdame
Jenkins schräge Bühnen-Karriere erfreut sich derzeit großer Beliebtheit. Im Vorjahr verlegte Regisseur Xavier Giannoli für seine Komödie „Madame Marguerite“ Hauptfigur und Handlung nach Paris. Vor zwei Wochen kam „Die Florence Foster Jenkins Story“ ins Kino; ihr Leben rollt Regisseur Ralf Pfleger halbdokumentarisch auf.
Die Version von Stephen Frears bildet quasi die Weltstar-Variante von Filmen zum Phänomen Jenkins. Es wäre leicht, aus ihrer Geschichte eine platte Groteske zu machen. Regisseur Frears nimmt aber seine Heldin ernst; in ihrem abgeschotteten Universum geht es nur um Musik und die Begeisterung dafür. Etwas Exzentrik gehört dazu: von Florences kitschig überladener Wohnungs-Ausstattung bis zu ihrem Kleidungsstil irgendwo zwischen Schulmädchen und überladen glitzernder Stummfilm-Haremsdame.
Als 17-Jährige mit Syphilis infiziert
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Madame Marguerite oder die Kunst der schiefen Töne" – Komödie über Möchtegern-Operndiva von Xavier Giannoli
und hier eine Besprechung des Films "Philomena" – anrührende Tragikomödie um Kindesraub mit Judi Dench von Stephen Frears
und hier einen Bericht über den Film "Die eiserne Lady" – Biopic über Margaret Thatcher von Phyllida Lloyd mit Meryl Streep
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Florine Stettheimer" - erste deutsche Werkschau der exzentrischen New Yorker Amateur-Künstlerin + Mäzenin im Lenbachhaus, München.
Meryl Streep spielt Florence mit großer Sympathie für ihre Figur; da wird es einem fast peinlich, bei ihrem Gequieke zu lachen – und dazu hat man oft Gelegenheit. Im Film ist nicht Jenkins‘ Original-Stimme zu hören, sondern die von Streep: Sie nahm eigens Gesangs-Unterricht, um dann schön falsch zu singen. Dass sie hervorragend singen kann, weiß man seit dem ABBA-musical „Mamma Mia“.
Lebe Deinen Traum!
Mit unbekümmerter Verve und voller Freude kämpft sich Streep als Jenkins durch den klassischen Opernkanon; immer einen Ton daneben, aber mit viel Gefühl. Das begreifen sogar die tobenden Massen von Soldaten beim Carnegie Hall-Konzert – und das berührt und belustigt noch heute. An ihrer Seite überzeugt Hugh Grant als fürsorglicher Gatte in dieser für ihn neuen, ernsthaften Rolle.
Ihnen ebenbürtig tritt Simon Helberg als linkischer Pianist mit überzogenen Ambitionen auf. Allen drei ist gemeinsam, dass sie zwar nicht das Talent haben, ihren Traum umzusetzen, es aber trotzdem tun: Was zwar keine moralisch hochwertige Botschaft ist, aber zum Gutfühlen genau die richtige.