Die Sammlung Schack ist zwar das kleinste Münchener Museum der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, aber wohl das schönste: Während etwa die Alte Pinakothek eher imperiale grandezza verströmt, wirkt die Schack-Galerie so pittoresk wie ein kostbares Kabinettschränkchen. Von einem „Schmuckkästchen“ sprechen die Staatsgemäldesammlungen – ein Kleinod, das teilweise lange unter Verschluss gehalten wurde.
Info
Sammlung Schack:
Neue Räume - Von Gibraltar bis Helgoland
27.04.2016 - 31.12.2016
mittwochs bis sonntags
10 bis 18 Uhr
in der Sammlung Schack, Prinzregentenstraße 9, München
Katalog 19,80 €
Dem Kaiser Wilhelm II. vermacht
Dass sie seit mehr als 120 Jahren praktisch unverändert geblieben ist, verdankt sich dem politischen Kalkül von Wilhelm II. Der Sammler Adolf Friedrich Graf von Schack (1815-1894) hatte seine Kollektion 1865 für das Münchener Publikum geöffnet. Er vermachte sie elf Jahre später testamentarisch dem deutschen Kaiser – unter der Auflage, sie müsse als Einheit erhalten bleiben. Als Schack 1894 starb, war die Sorge groß, sein populärer Bilderschatz werde nach Berlin abtransportiert.
Impressionen der Ausstellung
Persische Klassiker übersetzt
Doch Wilhelm II. wollte das gespannte preußisch-bayerische Verhältnis nicht zusätzlich belasten. Er beließ die Sammlung in München und ließ 1909 dafür ein eigenes Galeriegebäude errichten. Dort wird sie seither präsentiert; nur die Auswahl und Anordnung der Werke hat mehrmals gewechselt.
Ab 1857 bis Anfang der 1880er Jahre hatte Schack insgesamt 267 Gemälde deutscher Maler erworben – davon 183 Originale und 84 Kopien von Werken Alter Meister, die er meist selbst bestellt hatte. Der adlige Diplomat im Dienst von Mecklenburg war 1851 aus dem Staatsdienst ausgetreten, um fortan als vermögender Privatgelehrter seinen Neigungen zu frönen. Schack bereiste oft den Mittelmeerraum und Nahen Osten, sprach etliche europäische und orientalische Sprachen, übersetzte u.a. Klassiker aus dem Persischen und dichtete selbst – seine Epen und Dramen mit historischen Stoffen sind allerdings längst vergessen.
Italien-Stipendien für Altmeister-Kopien
Dieser literarisch versierte grandseigneur kam 1856 nach München; unter König Maximilian II. blühte die Stadt kulturell. Bald wurde er zum Mäzen für aufstrebende Maler, die im damaligen Kunstbetrieb noch wenig Anerkennung gefunden hatten. Schack begnügte sich nicht damit, fertige Bilder zu kaufen. Er ließ Entwürfe zu Ölgemälden ausarbeiten, gab Kompositionen in Auftrag und schickte manche Künstler jahrelang nach Italien, damit sie dort für ihn Kopien von Renaissance- und Barock-Meisterwerken anfertigten.
Als strategisch denkender Großsammler band Schack junge Talente an sich und baute sie systematisch auf, um seiner Kollektion ein unverwechselbares Gepräge zu geben. Ihre Werke sollten seiner Forderung nach „Poesie“ genügen: Darunter verstand er Historien- und Landschafts-Malerei. Die seinerzeit beliebten genre-Bilder interessierten ihn wenig; von Ausnahmen abgesehen, etwa Carl Spitzweg.
Zuckrig überladene Kostümfeste
Diese eindeutige Ausrichtung lässt heutige Betrachter ebenso entschieden reagieren: Während pompöse Mythen-Darstellungen voller kitschigem Pathos nur noch schwer erträglich sind, beeindrucken etliche Leinwand-Landschaften durch ihre stimmungsvoll überhöhte Schönheit. Gerade dann, wenn die gezeigte Szenerie so nicht mehr existiert – oder niemals existierte.
Unübertroffener Großmeister der sentimentalen fantasy-Malerei war Moritz von Schwind; von ihm erwarb Schack nicht weniger als 33 Gemälde. Ob Sagen- oder Märchenstoffe, Allegorien von Flüssen oder Tageszeiten: Alles geriet Schwind zum zuckrig überladenen Kostümfest. Da erscheint sein schlichtes interieur „Die Morgenstunde“ von 1860 als überraschend nüchterne Fingerübung. Dagegen gelang Joseph von Führich mit „Einführung des Christentums in die deutschen Urwälder“ (1864) eine Geschichts-Lektion, die genauso prätentiös und verquast aussieht wie ihr Titel klingt.
Projektionsflächen für vergangene Größe
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Andreas Achenbach – Revolutionär und Malerfürst" – Werkschau des berühmtesten Landschaftsmalers der Düsseldorfer Schule in Baden-Baden + Düsseldorf
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Es drängt sich alles zur Landschaft…" über „Landschaftsbilder des 19. Jahrhunderts“ mit Werken von Arnold Böcklin + Carl Spitzweg im Museum für bildende Künste, Leipzig
und hier eine Kritik der Ausstellung "Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models" mit Werken von Anselm Feuerbach in der Hamburger Kunsthalle
und hier einen Bericht über die Ausstellung “Viaggio in Italia – Künstler auf Reisen 1770 – 1880” über Landschaftsmalerei in Italien mit Werken von Arnold Böcklin + Anselm Feuerbach in der Staatlichen Kunsthalle, Karlsruhe.
Auch Anselm Feuerbachs Variationen seiner römischen Geliebten Anna Risi als Madonna, Dante-Heldin oder Staffage-Figur in wechselnden Konstellationen genügten Schacks Ansprüchen an poetische Darstellung. Am stärksten entsprachen ihnen jedoch menschenleere Landschaften: Sie dienten dem gebildeten Grafen quasi als Projektionsflächen für seine Einbildungskraft, um die Größe vergangener Epochen heraufzubeschwören.
Tempel-memento an versiegter Quelle
Etwa „Die Quelle Kalirrhoe bei Athen“ (1848) von Carl Rottmann: Sie ist fast versiegt – im abendlichen Dämmerschein erkennt man nur ödes Felsgeröll. Doch Schack sah darin das memento für einen prachtvollen Tempel, der hier einst errichtet worden war. Ähnlich imaginierte er die maurische Glanzzeit bei Ansichten von Granada und der Alhambra, die Franz von Lenbach für ihn schuf; beide bereisten 1868 gemeinsam Spanien.
Schack war ein intimer Kenner der iberischen Halbinsel. Er trug die hierzulande größte Kollektion von Bildern ihrer Landschaften zusammen, die man im 19. Jahrhundert noch kaum kannte – 200 Jahre lang pilgerten deutsche Künstler lieber nach Italien. Ein Pionier war Fritz Bamberger: Seine Ansichten von Gibraltar, Toledo oder der Sierra Nevada zählen zu den eindrucksvollsten der Sammlung.
Zeitlose Chiffren des Erhabenen
Dramatisch vom Abendrot beleuchtet, werden Bergketten und Wasserläufe zu zeitlosen Chiffren des Erhabenen – auch wenn der Maler dafür flache Seeufer künstlich mit einer karstigen Schlucht säumte. Solchen Kulissenzauber verzeiht man Panoramen, die derart unnachahmlich spröden Schmelz ausstrahlen, gern.