
Ein Geländewagen rast über eine steinige Wüstenstraße. Der Fahrer mit Sturmhaube hält im Hof eines einsam gelegenen Hauses. Zwei Männer mit MGs drängen ihre Geisel in einen düsteren Raum. Die Frau mittleren Alters schreit ihre Entführer wütend an: Sie sei die Leiterin der Mission und verlange eine Erklärung. Dasselbe wünscht sich inständig der Zuschauer.
Info
Salt And Fire
Regie: Werner Herzog,
97 Min., Bolivien/ Deutschland/ USA 2015;
mit: Veronica Ferres, Michael Shannon, Gael García Bernal
Steiler Sturz des Autorenfilm-Nestors
Für Werner Herzogs neuen Film gilt das Gegenteil. Dass der Sturz so steil verläuft, liegt auch an seiner Fallhöhe: Er dreht seit 54 Jahren und hat mit Werken wie „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972) und „Fitzcarraldo“ (1982) mit Klaus Kinski in den Hauptrollen Kino-Geschichte geschrieben. 2009 zählte das Time Magazine Herzog sogar zu den „100 einflussreichsten Menschen der Welt“.
Offizieller Filmtrailer
Ein Großkonzern-CEO als kidnapper
Solche Vorschuss-Lorbeeren verbrauchen sich rasch, während man den verwirrenden Anfangs-Szenen zusieht, die im hacienda–Zufluchtsort enden. Der plot ist – wie von Herzog gewohnt – eher nebulös: Die deutsche Professorin Laura Sommerfeld, gespielt von Veronica Ferres, reist mit ihren Kollegen Doktor Cavani (Gael Garcia Bernal) und Doktor Meier (Volker Michalowski) nach Bolivien. Das Trio soll im UNO-Auftrag eine Umweltkatastrophe untersuchen: Der Salzsee „Diablo Blanco“ („Weißer Teufel“) breitet sich immer weiter aus. Bei ihrer Ankunft werden die Drei von zwielichtigen Gestalten entführt.
Während die beiden Doktoren in der hacienda ruhig gestellt werden, bekommt Sommerfeld ein Einzelzimmer. Matt Riley (Michael Shannon), Typ verwegener cowboy und von Selbstzweifeln geplagter Anführer der Truppe, ist ihr wohlgesonnen. Er sei kein Terrorist, erklärt er seiner weiblichen Geisel beim Frühstück, sondern CEO eines internationalen Großkonzerns, der für die Umweltkatastrophe verantwortlich zeichne.
Ferres hätte besser Koka-Tee getrunken
So weit, so verwirrend und anstrengend. Riley trägt nicht nur Mitschuld am drohenden Ende der Welt, sondern auch an der unbeholfen voranstolpernden Handlung. Vor dem Hintergrund toller Landschafts-Aufnahmen besteht sie vorwiegend aus gestelzten Dialogen, die wie aus dem Schultheater klingen. Hat Regisseur Herzog seinen stars Veronica Ferres, die Nicole Kidman des deutschen Vorabendfernsehens, Gael Garcia Bernal und Michael Shannon, der als Apokalypse-Opfer im mystery thriller „Take Shelter – Ein Sturm zieht auf“ (2012) glänzte, absichtlich diese Amateurhaftigkeit abgerungen?
Desperado-CEO Riley sagt im Kern schlaue, aber in diesem Kontext sinnfreie Einsichten wie: „Alle kollektiven Ängste verdichten sich zu Verschwörungs-Theorien“. Dagegen könnten die Fragen und Monologe, die das Drehbuch seiner deutschen Geisel in den Mund legt, banaler kaum sein. Bis man sich wünscht, sie hätte den Kokablätter-Tee, der ihr zu Beginn angeboten wird, besser annehmen sollen: Hilft er doch dem Kreislauf, sich an die dünne Bergluft im bolivianischen Hochland zu gewöhnen.
Auf dem Salzsee zu sich selbst finden
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Königin der Wüste – Queen of the Desert" – malerisches Orient-Historienepos mit Nicole Kidman von Werner Herzog
und hier einen Bericht über den Film "Die Wahlkämpferin – Our Brand is Crisis" – schillernde Polit-Satire über eine Präsidenten-Wahl in Bolivien von David Gordon Green mit Sandra Bullock
und hier einen Beitrag über den "Take Shelter – Ein Sturm zieht auf" – realistischer Katastrophen-Thriller von Jeff Nichols mit Michael Shannon
und hier ein Bericht über den Film "Und dann der Regen – También la Lluvia" – kluges Drama über postkoloniale Konflikte in Bolivien von Icíar Bollaín mit Gael García Bernal.
In dieser surrealen Landschaft wird die Professorin mit zwei blinden Jungen ausgesetzt, um im Einklang mit zwangsbesinnlicher Filmmusik zu sich selbst zu finden. Was bei diesem Mix aus shopping mall muzak, bolivianischer Männerchor-Folklore und new age-Melodieflächen überaus schwierig ist.
Flickenteppich zähflüssiger Szenen
Dabei sind die Bilder vom Salar de Uyuni in Bolivien – der größten ausgetrockneten Salzpfanne des Planeten, die aus der Vogelperspektive wie ein überdimensionales Mosaik aussieht – bei weitem das Interessanteste. Regisseur Herzog spricht von einem „Tagtraum, der nicht den Regeln des Kinos folgt“. Doch herausgekommen ist ein hanebüchener Flickenteppich aus zähflüssigen Szenen, die weder narrativ noch assoziativ oder emotional funktionieren – nicht einmal als Satire.
Sein interessanter Ansatz wird in der Ausführung zu einem der monumentalsten flops des Kinojahres 2016; selten war eine Landung, sei sie noch so hart, erlösender als hier.
Zumindest der ambivalente Titel des Films ist gut gewählt: Feuer und Salz sind nicht nur diejenigen Stoffe, die hier die Erde zerstören. Es sind auch Zutaten, die dieser Film dringend benötigt hätte.