
Alle Welt kennt „The Palm Jumeirah“, zumindest von Fotos: Die vier Kilometer lange Inselgruppe in Form einer Palme wurde ab 2001 an der Küste von Dubai aufgeschüttet. Als spektakulärer Standort für Luxus-Villen mit skyline-Panorama und Symbol für den märchenhaften Reichtum der Emirate, der zwar keine Berge versetzen, aber künstliche Inseln anlegen kann. Doch wer kennt schon „Diamond Island“?
Info
Diamond Island
Regie: Davy Chou,
104 Min., Kambodscha/ Thailand/ Frankreich 2016;
mit: Noun Sobon, Nov Cheanik, Nut Samnang
Glitzernde Wohlstands-Verheißung
Kambodscha ist ein armes Land; fremde Geldgeber stehen nicht gerade Schlange, um hier ihre Dollarmilliarden anzulegen. Mit dem futuristischen Anblick von „The Palm“ kann sich „Diamond Island“ nicht messen. Doch für hiesige Verhältnisse ist es ein hot spot aus moderner Bausubstanz und Infrastruktur – und eine glitzernde Verheißung für alle Kambodschaner, dereinst an diesem Wohlstand teilzuhaben.
Offizieller Filmtrailer, OmenglU
Bauernsöhne auf Insel-Baustellen
In diesem synthetischen Stadtteil hat der 33-jährige Exil-Kambodschaner Davy Chou, dessen Eltern vor der Terror-Herrschaft der Roten Khmer (1975-1979) nach Frankreich geflohen waren, seinen ersten Spielfilm gedreht. Dass es Chou gelingt, dem recht begrenzten Insel-Areal immer neue Ansichten und Einblicke abzugewinnen, ist noch das Beste, was sich über sein Debüt sagen lässt – dortige Investoren werden sich über die kostenlose publicity freuen.
Bei Personal und plot hat Regisseur Chou keine glückliche Hand. Der junge Bauernsohn Bora (Nuon Sobon) wandert aus seinem Dorf nach Phnom Penh ab; dort verdingt er sich als Tagelöhner auf den Baustellen von „Diamond Island“. Seine Freizeit schlägt er mit gleichaltrigen Kollegen tot. Eines Tages begegnet Bora zufällig seinem älteren Bruder Solei (Nov Cheanik), der vor Jahren spurlos verschwand. Nun nimmt er Bora in seine clique aus middle class kids auf, die sich Motorroller und smartphones leisten können.
Statt nach Amerika in den coffee shop
Mehr geschieht nicht; der Rest ist teenager-Getändel. Viel Zeit verbringen Bora und seine Freunde mit der unter Halbstarken existentiellen Frage, wie man an Mädchen rankommt und sie rumkriegt. Wenn sie nicht Anmach-Tipps ausprobieren, stromern sie kreuz und quer durch ihr Eiland-Reservat. In die quirlige Kapitale jenseits der Insel-Brücke mit ihren engen Gassen und niedrigen Kolonial-Häusern entführt sie der Regisseur höchstens für eine Nacht in der Nobel-disco. So erscheint der Film seltsam ortlos; er könnte in jeder Sonderwirtschaftszone eines Schwellenlandes spielen.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Bonne Nuit Papa" – Doku über eine deutsch-kambodschanische Familie und Folgen des Terror-Regimes der Roten Khmer von Marina Kem
und hier eine Besprechung des Films "Cemetery of Splendour" – Mystery-Drama über das heutige Thailand von Apichatpong Weerasethakul
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Mythos Goldenes Dreieck" über buddhistische Bergvölker in Südostasien im Ethnologischen Museum, Berlin.
Mit aktuellem iPhone verführen
So erfährt man kaum etwas über Kambodschas einzigartige Kultur, tragische Geschichte und problematische Gegenwart: Unter dem Einfluss von Vietnam mutiert es derzeit zum sweatshop-Standort für internationale Konzerne. Regisseur Chou sind Markennamen und „Youtube“- video clips wichtiger. Das dürfte auch an seinen Laien-Darstellern liegen, die er vor Ort und via „Facebook“ engagiert hat: Sie mögen authentisch sein, talentiert sind sie nicht.
Nur Boras Kumpel Virak (Nut Samnang) zeigt Rampensau-Qualitäten, die über braves Aufsagen banaler Dialogzeilen hinausgehen. Da bleibt nur die Einsicht, wie globalisiert Verführungskünste mittlerweile sind: Auch in Phnom Penh ist das neueste iPhone-Modell entscheidend.