Emma Stone + Ryan Gosling

La La Land

(Kinostart: 12.1.) Mit sieben Golden Globes prämiert: Im Neo-Musical von Damien Chazelle verlieben sich Schauspielerin und Jazz-Musiker. Was sie verbindet, trennt sie wieder: das Showbusiness. Eine wunderbar beschwingte Hommage an klassische Vorbilder.

Es gab einmal eine Zeit, als das Kino nicht nur ein Ort der mehr oder weniger anspruchsvollen Unterhaltung war, sondern auch ein Ort der Träume, des Sich-hinweg-Träumens. Dahin, wo die Welt noch in Ordnung ist: wie in den großen Hollywood-Musicals der 1930er bis 1960er-Jahre mit Ginger Rogers, Fred Astaire oder Gene Kelly.

 

Info

 

La La Land

 

Regie: Damien Chazelle,

127 Min., USA 2017; mit: Emma Stone, Ryan Gosling, John Legend, J.K. Simmons

 

Website zum Film

 

Mit deren Verrentung schien das Genre Revuefilm passé. Aber die Zeit scheint reif zu sein für ein revival, etwa diesen Sing- und Tanz-Film reinsten Wassers: „La La Land“ von Damien Chazelle wurde schon bei seiner Premiere während der Filmfestspiele in Venedig gefeiert. Er hat alles, was die großen Vorbilder ausmachte, allerdings mit einem modernen Ansatz.

 

Im Autobahnstau tanzen

 

Das zeigt schon die erste Szene: Nach ein paar Sekunden in Schwarzweiß wird das Leinwandbild auf cinemascope-Format verbreitert und gibt den Blick frei auf einen riesigen Autobahnstau in Los Angeles. In jedem Radio dudelt etwas anderes, bis eine Frau singend aus dem Auto steigt und bald alle in und auf den Autos tanzen.

 

Im Stau treffen auch die Protagonisten des Films als genervte Fahrer erstmals aufeinander – und giften sich gegenseitig an. Mia (Emma Stone) ist Schauspielerin aus der Provinz und will es in Hollywood schaffen. Auf ein Studiogelände hat sie es zwar schon geschafft, aber nur als Bedienung im coffeeshop. Nach zig erfolglosen castings stellt sie langsam ihre Berufswahl infrage.

Offizieller Filmtrailer


 

Das echte Leben kommt dazwischen

 

Sebastian (Ryan Gosling) ist Vollblutmusiker. Der Jazz-Pianist aus Überzeugung klimpert für seinen Lebensunterhalt in Bars herum, möchte aber eigentlich seinen eigenen club aufmachen. Immer wieder laufen sich beide über den Weg, bis es eines Abends zwischen ihnen funkt. Sie verlieben sich, entdecken gemeinsam Los Angeles neu – das titelgebende La La Land – und planen ihre gemeinsame Zukunft. Dann kommt das echte Leben dazwischen: Sebastian schließt sich einer erfolgreichen band an und ist ständig auf Konzert-Tourneen unterwegs, während Mia zuhause an ihrer eigenen Karriere arbeitet – eine zu große Belastungsprobe für die junge Liebe.

 

2014 verpasste Regisseur Damien Chazelle 2014 mit „Whiplash“ über einen jungen Jazz-Schlagzeuger, der sich gegen seinen despotischen Lehrer durchsetzt, dem Musikfilm-genre eine Verjüngungskur. Nun unternimmt er dasselbe mit dem klassischen, eigentlich tot geglaubten Kino-Musical. Sein großes Vorbild ist offenkundig der französische Regisseur Jacques Demy: Er erneuerte in den 1960er Jahren das genre, indem er seine Protagonisten im Geiste der nouvelle vague an ganz normalen Orten singen ließ, etwa einer Autowerkstatt in „Die Regenschirme von Cherbourg“ (1964). Auch Damien Chazelle setzt auf Realismus, wenn auch anders.

 

Los Angeles als dritte Hauptfigur

 

Anstelle von alltäglichen Orten wählt er die Kulissen der Kulturszene von Hollywood. Die interieurs sind sehr authentisch: von einer schicken Villa über ein historisches Kino und einen alten Jazzclub bis zu spärlich möblierten Wohnungen. Im Zentrum des plots steht neben dem Zwiespalt zwischen künstlerischem Anspruch und realem Leben vor allem die Liebe von Mia und Sebastian.

 

Deren Verlauf ist sehr realistisch: Sebastian wirkt als hoffnungsloser Schwärmer und Traditionalist anziehend auf Mia. Er zeigt ihr, wie lebendig der Jazz ist, während sie ihm die reizvollen Seiten Los Angeles näherbringt; die kalifornische Metropole fungiert quasi als dritte Hauptfigur. Beide teilen ähnliche Träume und Wünsche, inspirieren sich und geben einander Halt, scheitern aber schließlich als Paar.

 

In den Sternenhimmel entschweben

 

Ihre Beziehung ist nicht im klassischen Sinne romantisch, obwohl Regisseur Damien Chazelle an Romantik nicht spart: etwa, wenn sich beide in einem alten Kino treffen, um den Klassiker „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ (1955) mit James Dean anzusehen. Danach gehen sie in das Planetarium, das soeben im Film vorkam und wunderbarerweise nachts zugänglich ist. Dort schweben sie buchstäblich auf den nach oben projizierten Sternenhimmel zu.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films “Les Misérables”opulente Musical-Verfilmung von Tom Hooper mit Eddie Redmayne nach dem Roman von Victor Hugo

 

und hier einen Bericht über den Film "Die Liebenden – von der Last, glücklich zu sein – Les bien-aimés" – brillantes Musical-Melodram mit Catherine Deneuve von Christophe Honoré

 

und hier einen Beitrag über den Film "Magic in the Moonlight" – romantische Sittenkomödie von Woody Allen mit Emma Stone.

 

Oder wenn beide vor einer Laterne steppen, die Ryan Gosling wie Gene Kelly umrundet – allerdings ohne Regen. Ab und zu wird auch gesungen, teilweise sogar mit großem Ohrwurmpotential. Mit der zauberhaften Verwandlung solcher Alltagsorte setzt der Film dem Zuschauer quasi die rosarote Brille der Verliebten auf: Emma Stone und Ryan Gosling geben ein schönes, glaubhaftes Paar ab. 

 

Zitatfest für Cineasten

 

Für Cineasten wimmelt es von Zitaten oder Verbeugungen vor den alten Meistern; das macht Lust darauf, sie neu zu entdecken, genauso wie bei der Musik. Der nur 31-jährige Regisseur Chazelle ist eingefleischter Jazz-Fan; dafür schwärmen auch die Hauptfiguren seiner beiden letzten Filme.

 

Hier passt alles wunderbar zusammen: von den Kostümen in knalligen Grundfarben über das mitunter nostalgische setting bis zur Musik von Justus Hurwitz. „This is for the ones who dream“, singt Mia beim für sie entscheidenden casting: Das gilt für den ganzen Film und macht gute Laune. Offenbar auch der Auslandspresse in Hollywood: Bei der gestrigen Preisverleihung wurde „La La Land“ mit sieben Golden Globes ausgezeichnet – so oft wie kein Film je zuvor.