Fast „Wie ein wilder Stier“: Aus diesem Stoff hätte auch eine krachledernde Variation des Films „Raging Bull“ (1980) von Martin Scorsese werden können. Der unscheinbare Bäcker Olli Mäki (Jarkko Lahti) boxt und gewinnt diverse Kämpfe. Sein Manager Elis (Eero Milonoff) will ihn zum ersten finnischen Weltmeister machen und verspricht der Presse ein Spektakel ungeahnten Ausmaßes – die Geschichte der Niederlage des „Bäckers aus Kokkola“ ist vielen Finnen bis heute geläufig.
Info
Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki
Regie: Juho Kuosmanen,
92 Min., Finnland/ Schweden/ Deutschland 2016;
mit: Jarkko Lahti, Oona Airola, Eero Milonoff
Kein suspense
Viel mehr als die Vorbereitung auf den Kampf und sein Ablauf passiert auf der plot-Ebene nicht. Auf suspense setzt Regisseur Juho Kuosmanen in seinem Langfilm-Debüt „Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki“ überhaupt nicht. Zumal es hier ohnehin nicht ums Gewinnen geht, eigentlich nicht einmal ums Boxen. Seine unaufgeregte Kraft bezieht der Film vor allem aus seinen Bildern: Alles geschieht mit einer in sich ruhenden Selbstverständlichkeit.
Offizieller Filmtrailer
Retro, aber dezent
Gedreht wurde in Schwarzweiß auf 16-Millimeter-Material, was einen sehr dezenten und tatsächlich immersiven, also vereinnahmenden retro-Effekt erzeugt. Musik wird weitgehend ausgespart, oder abstrahierend eingesetzt, von Emotionslenkung keine Spur. Die Wahl des Bildausschnitts korrespondiert in beiläufig wirkender Präzision mit dem Erzählten.
Beim Training bleibt die Kamera nah am Körper. Wenn Olli, von seinem zunehmend nervös werdenden Manager gedrängt, macht, was er machen muss, ziehen sich die Räume zusammen. In der Begegnung mit dem geliebten Menschen hingegen kehrt Frieden ein und der Bildraum wird tendenziell weit. Regisseur Kuosmanen gelingt damit eine interessante Verschaltung von Künstlichkeit und Realismus.
Entschleunigter Rhythmus
Beiläufig und genau sind auch die Schlüsselszenen gesetzt; etwa der Moment, der klarstellt, dass diese Liebe eine ernsthafte ist: Olli Mäki liegt in der unteren Ebene eines Hochbetts, oben Raija. Kurz vor dem Einschlafen legt er die Hand von unten an ihre Matratze, mehr nicht – ein Aufschub und ein Versprechen auf Intimität.
Hintergrund
Lesen Sie hier ein Interview zum Film mit Regisseur Juho Kuosmanen
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Keine Kaurismäki-Kopie
Man kann diesen Film in seinem langsamen Rhythmus und der forciert wirkenden Vermeidung jedweder Dramatik fade finden. Wenn er einen aber im richtigen Moment erwischt, gibt es unverhoffte Schönheit zu entdecken. Sie räumt dann auch den sich aufdrängenden Anfangsverdacht aus, man habe es hier mit einer klischeehaft „finnischen“ Kopie des renommierten Autorenfilmers Aki Kaurismäki zu tun.
Kuosmanens Film erschöpft sich nicht in seiner lakonischen Atmosphäre, sondern erzählt stringent und pointiert von einer heilsamen Indifferenz gegenüber allen Versuchen, sich größer zu machen, als man ist.
Scheitern, aber gewinnen
Während der Pressekonferenz im Vorfeld des Kampfes erklärt Olli Mäki als Anwärter auf den Weltmeistertitel den Journalisten und seinem zunehmend entnervten Manager, dass er sich freue, gegen einen Gegner wie Davey Moore anzutreten: „So verliere ich wenigstens nicht gegen einen schlechten Boxer.“
In dieser entspannten Haltung gegenüber der Möglichkeit des Scheiterns, die der Film mit seinem Helden teilt, widerspricht „Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki“ den gängigen Konventionen seines Genres vehement. Kein Film über kämpfende Männer, sondern einer, dem es gelingt, von einer schließlich geglückten Verbindung zweier Menschen zu erzählen, ohne einen falschen Ton anzuschlagen.