Olivier Assayas

Personal Shopper

Maureen (Kristen Stewart) sucht Kleider für ihre Auftraggeberin Kyra aus. Foto: © Carole Bethuel. Fotoquelle: Weltkino Filmverleih
(Kinostart: 19.1.) Von allen guten Geistern verlassen: Regisseur Olivier Assayas lässt eine Star-Einkäuferin auf Botschaften aus dem Jenseits warten. Sein Mystery-Thriller voller Geraune über Okkultes walzt das Elend von Lifestyle-Esoterik aus.

Nur ein Schatten ihrer selbst: Maureen (Kristen Stewart) verbringt ihre Arbeitstage mit shopping in Luxus-Boutiquen. Als persönliche Einkäuferin sucht sie für den superstar Kyra (Nora von Waldstätten) stapelweise neue Kleider und Juwelen aus, die sie in deren Pariser Edel-Apartment bringt. Dabei sieht sie ihre Auftraggeberin nie; Kyra und Maureen kommunizieren nur über voice messages und emails miteinander.

 

Info

 

Personal Shopper

 

Regie: Olivier Assayas,

105 Min., Frankreich/ Deutschland 2016;

mit: Kristen Stewart, Lars Eidinger, Nora von Waldstätten

 

Website zum Film

 

Als wäre diese Chefin ein Phantom: Maureen bekommt sie nur zu Gesicht, wenn sie sich video clips von Kyras Auftritten auf irgendwelchen showbiz gala shows anschaut. Was ihr wenig ausmachen dürfte, obwohl sie ansonsten ihren job hasst: Der Geisterwelt steht Maureen mit gespannter Erwartung gegenüber. Ihr Zwillingsbruder Lewis ist vor mehreren Wochen gestorben; seitdem hofft Maureen auf ein Zeichen von ihm aus dem Jenseits.

 

Abstraktes von Hilma af Klint

 

Um sich die Wartezeit zu verkürzen, klickt sich das Möchtegern-Medium auf smartphone und iPad durch diverse websites zum Thema Spiritismus. Etwa zur schwedischen Künstlerin Hilma af Klint (1861-1944), die Anfang des 20. Jahrhunderts abstrakte Bilder malte – im Auftrag höherer Mächte, wie sie dachte. Ein stets nach Neuem gierender Kunstbetrieb hat 2013 ihre outsider art wiederentdeckt; deren ästhetischer Reiz hält sich aber in Grenzen.

Offizieller Filmtrailer


 

Smartphone-gesteuerte Schnitzeljagd

 

Außerdem liest sich Maureen in die übersinnlichen Neigungen von Victor Hugo (1802-1885) ein. Der berühmte Romancier hielt jahrelang spiritistische Sitzungen ab; er glaubte, mit mehr als 100 großen Geistern der Vergangenheit in Verbindung zu stehen. Über Hugos Tischerücken und Gespenster-Gespräche wird man ausführlich im Schulfunk-Stil eines internet tutorial unterrichtet.

 

In der leeren Villa ihres toten Bruders muss sich Maureen allerdings mit dürftigen Signalen von Klein-Geistern wie Klopfzeichen und tropfenden Wasserhähnen begnügen. Denn auch das Jenseits ist inzwischen digitalisiert: Plötzlich erhält sie mysteriöse SMS – ihr Absender verblüfft mit intimem Detailwissen. Maureen lässt sich auf eine smartphone-gesteuerte Schnitzeljagd ein. Dahinter könnte aber auch Kyras Noch-Liebhaber Ingo (Lars Eidinger) stecken, der sich mit stalking amüsiert.

 

Dauergegrübel über Übersinnliches

 

Soweit das abstruse Personal dieses Films: eine orientierungslose Arbeitsameise der bling bling-Sphäre, eine abwesend allmächtige Ausbeuter-Chefin und eine dekadente dandy-Nebenfigur; die wird nur eingeführt, um aus dieser blutleeren Kunstwelt mit Gewalt herauszukommen. Dazu viel Geraune über allerlei Okkultes, das willkürlich kommt und geht.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Wolken von Sils Maria" - vielschichtiges Schauspielerinnen-Drama mit Kristen Stewart + Juliette Binoche von Olivier Assayas

 

und hier ein Interview mit Regisseur Olivier Assayas über „Die Wolken von Sils Maria“

 

und hier einen Beitrag über den Film "Die wilde Zeit – Après mai" – brillante Kollektiv-Biographie der französischen Jugend in den frühen 1970er Jahren von Olivier Assayas

 

und hier einen kultiversum-Bericht über den Film "Carlos – Der Schakal" – Biopic über den linksradikalen Top-Terroristen der 1970er Jahre von Olivier Assayas.

 

Das Problem des Films ist nicht, dass er Übersinnliches in Anspruch nimmt; wie jeder mystery thriller. Sein Problem ist vielmehr, dass er damit nichts anzufangen weiß. Alle behaupteten Phänomene nicht von dieser Welt streifen die Protagonisten völlig folgenlos. Sie lösen bei ihnen nichts aus; nicht einmal eine Entscheidung, ob sie daran glauben wollen. Ihr Dauergegrübel breitet nur das Elend einer lifestyle-Esoterik aus, die die Skepsis einer restlos aufgeklärten Moderne nicht los wird, obwohl sie ihre Nüchternheit verabscheut.

 

Dämon Ideenlosigkeit

 

Ein einziges Mal gönnt der Regisseur sich und dem Zuschauer einen angeblichen Blick auf die andere Seite – und der gerät so bieder wie das Turmgespenst im Spukschloss. Das verwundert bei Assayas, der seine Filme meist schnörkellos im Diesseits verankert; mit „Carlos – Der Schakal“ (2010) und „Die wilde Zeit – Après mai“ (2012) hat er den rebellischen Geist der 1970er Jahre so konzise und kraftvoll im Kino heraufbeschworen wie kaum ein anderer.

 

Zwar ließ er Kristen Stewart schon am Ende von „Die Wolken von Sils Maria“ (2014) sich in Luft auflösen – aber das passte als rätselhafte Volte einer Gratwanderung zwischen den Welten. Diesmal stapft sie nur zusehends ermattet durch demoralisierenden Dauerfrust. Welcher Dämon mag wohl in Assayas gefahren sein; etwa der der Ideenlosigkeit? Vermutlich war es der gleiche, der beim Festival von Cannes die jury bewog, diesen Hui-Buh-Humbug mit dem Preis für die Beste Regie zu prämieren.