Gore Verbinski

A Cure for Wellness

Hannah (Mia Goth) nimmt ein ungewöhnliches Bad. Foto: © 2017 20th Century Fox
(Kinostart: 23.2.) Dr. Frankenstein praktiziert im Zauberberg-Spa: An Drehorten wie dem Johannisbad in Zwickau, Burg Hohenzollern und Beelitz-Heilstätten entfesselt Regisseur Gore Verbinski subtilen Sanatoriums-Horror – mit heilsamem Quellwasser.

Die Welt ist aus den Fugen geraten, zumindest ein wenig. Ein leichtes Zittern, eine ungewöhnliche Perspektive und der Blick auf ein irritierendes Detail wecken dunkle Ahnungen von etwas profund Ungemütlichem. Ein Mann stirbt. Herzinfarkt, heißt es später zur Todesursache des überarbeiteten Managers einer Finanzdienstleistungs-Firma. Kein Wunder, oder? Warum widmet der Film eigentlich so viel irritierende Aufmerksamkeit dem Wasser, das der Manager noch gegen die Schmerzen in seiner Brust trinkt, ehe er umfällt?

 

Info

 

A Cure for Wellness

 

Regie: Gore Verbinski,

146 Min., Deutschland/ USA 2016;

mit: Dane DeHaan, Jason Isaacs, Mia Goth

 

Engl. Website zum Film

 

Diese leichte Verzerrung der Wahrnehmung setzt sich im mystery-Horrorfilm „A Cure for Wellness“ von Regisseur Gore Verbinski nahtlos fort. Als Nachfolger des unlängst Verblichenen reist nunmehr sein junger Kollege Mr. Lockhart (Dane DeHaan) in die Schweiz. Er soll im Auftrag seiner Arbeitgeber den Aufsichtsrats-Vorsitzenden, der in einem abgelegenen Sanatorium zur Kur weilt, zurück nach New York zu bringen.

 

Manager benötigen Sündenbock

 

Jener hatte in einem seltsamen Schreiben angekündigt, gar nicht mehr heimkommen zu wollen. Doch seine Kollegen benötigen ihn dringend als Sündenbock, falls bei einer anstehenden Firmenfusion die Unregelmäßigkeiten in den kreativ geführten Büchern auffallen sollten. So einfach, wie sich der Karrierist Lockhart seine Aufgabe vorstellt, wird sie aber nicht.

Offizieller Filmtrailer


 

Blaugrüne Schachfiguren im Kachel-Traum

 

Das ahnen genre-erfahrene Zuschauer spätestens beim Anblick der düsteren Burg in den Bergen, in der das Sanatorium angesiedelt ist. Offenbar hat diesen von finsteren Legenden umrankten Ort seit geraumer Zeit niemand mehr verlassen. „Warum sollten wir?“, verkünden die zufriedenen Patienten unisono, während sie frohgemut das heilsame Quellwasser trinken, das ihnen der Leiter des Sanatoriums (Jason Isaacs) immer wieder anpreist.

 

Das Vergnügen an „A Cure for Wellness“ speist sich nicht zuletzt aus der geschlossenen Welt des Sanatoriums, in die man als Zuschauer eintaucht: einem (Alb-)Traum aus gekachelten Gängen in Creme- und Türkis-Tönen, für den die set designer selbst die schwarzen Figuren eines Schachspiels gegen blaugrüne ausgetauscht haben.

 

Ein Pfleger liest den „Zauberberg“

 

Diese Sanatoriums-Welt entstand unter der Federführung von Studio Babelsberg weitgehend an Drehorten in Deutschland; darunter dem Johannisbad in Zwickau, der neogotischen Burg Hohenzollern im baden-württembergischen Bisingen und den Beelitzer Heilstätten in der Nähe von Potsdam. Der langsam verfallende Gebäudekomplex verleiht dem Film neben dem flair einstiger grandezza zugleich die nötige Patina sowie einen Hauch des Unheimlichen.

 

Hintergrund

 

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und hier eine Besprechung des Films "The Neon Demon" – stilisiertes Psychodrama im Model-Milieu von Nicolas Winding Refn

 

und hier einen Bericht über den Film "The Strange Colour of Your Body’s Tears" – labyrinthischer Erotik-Thriller in italienischer Giallo-Tradition von Hélène Cattet + Bruno Forzani

 

und hier einen Beitrag über den Film "Dr. Ketel – Der Schatten von Neukölln" – messerscharfer Medizin-Thriller von Linus de Paoli.

 

Geschickt verbindet die Handlung business-Satire, hochkulturelle Anspielungen – dass ein Pfleger den „Zauberberg“ von Thomas Mann liest, ist nur eine der offensichtlichsten –, viele Zitate der Kinogeschichte und einen sehr unbehaglichen Horror. Der beruht nicht auf überfallartigem Schrecken, sondern auf dem genüsslichen Ausspielen von Urängsten, die langsam, aber stetig aus den dunklen Winkeln des eigenen Hirns hervorkommen, um sich festzukrallen.

 

Potpourri aus Klassikern der 1920/30er

 

Mr. Lockhart wacht nach einem bizarren Wild-Unfall wieder im Sanatorium mit einem Gipsbein auf; fortan schleicht er durch endlose, geflieste Gänge brandenburgischer Klinik-Komplexe. Dabei entdeckt er nach und nach schreckliche Dinge. Währenddessen kann man sich nie sicher sein, ob sie vielleicht nur das Produkt seiner überreizten Fantasie und eines Kindheits-Traumas sind: Sein Vater sprang vor seinen Augen von einer Brücke in den Tod.

 

Am Ende aber wird der Riss in der Maske vermeintlicher Normalität immer größer. Dahinter kommt amüsanter trash horror zum Vorschein, der seine Vorbilder nicht verbirgt: ein Potpourri von Themen und Figuren klassischer Filme der 1920er- und 1930er Jahre. Mit einem verrückten Wissenschaftler, der in einer Art Frankenstein-Laboratorium nach ewigem Leben sucht; einer mysteriösen, bedrohten Jungfrau (Mia Goth) und Bediensteten, die nachts unheimliche Bahren durch eine Grotte wie aus dem „Phantom der Oper“ schieben.

 

Dabei ist dieser Film von Gore Verbinski, dem Regisseur der ersten drei Teile von „Fluch der Karibik“, in seiner Gemächlichkeit großes entertainment: wunderbar anzusehen und in seiner Eindringlichkeit tiefgreifend schaurig.