Es gibt noch Menschen, die an das Gute glauben. Einer von ihnen ist der finnische Regisseur Aki Kaurismäki – auch wenn seine Filme, die oft von Randexistenzen in trostlosen Umgebungen handeln, auf den ersten Blick in tristesse schwelgen. Auf den zweiten Blick sticht in jener Unwirtlichkeit jedoch stets umso deutliche das Humane hervor. In Kaurismäkis neuem Film landet der junge Syrer Khaled (Shervan Haji) als blinder Passagier im Hafen von Helsinki. Er ist aus Aleppo vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen und sucht Asyl.
Info
Die andere Seite der Hoffnung
Regie: Aki Kaurismäki,
98 Min., Finnland 2017;
mit: Sherwan Haji, Sakari Kuosmanen, Kati Outinen
Hinterhof-Schlagabtausch
Die Behörden haben Khaleds Asylantrag inzwischen abgelehnt. Er beschließt, illegal in Helsinki zu bleiben; eine Rückkehr in seine zerbombte Heimatstadt kommt nicht infrage. Seine Flucht endet in Waldemars Hinterhof, der zum Schauplatz der wohl denkbar kürzesten Beschreibung des Verhältnisses von so genannter Erster zu Dritter Welt wird: Als Waldemar hinter seinen Mülltonnen den Syrer entdeckt, scheucht er ihn weg. „Aber das ist mein Schlafzimmer“, widerspricht Khaled. „Das ist mein Müllplatz, und ich bin größer“, entgegnet Waldemar.
Offizieller Filmtrailer
Naives Entwicklungshilfe-Verständnis
Die beiden geraten aneinander, haben schließlich blutige Nasen, werden aber schon bald Freunde. Waldemar bietet dem Syrer eine Stelle als Putzhilfe an, Essen und Schlafplatz inklusive. Es wirkt so, als könnte alles gut werden, doch das gefällt nicht allen Einheimischen, vor allem nicht den Neonazis von der „Вefreiungsarmee Finnland“.
Bereits in Kaurismäkis letztem Film „Le Havre“ ging es um die Flüchtlingsthematik. Dort musste ein schwarzer Junge aus Afrika beschützt und erzogen werden – ein eher naives Bild des europäischen Verständnisses von Entwicklungshilfe. „Die andere Seite der Hoffnung“ basiert auf einer ähnlichen, wenn auch realistischeren Grundkonstellation.
Syrer lockt Gutes hervor
Khaled ist den nicht gerade wohlsituierten Finnen ebenbürtig, die den Film bevölkern – und im Gegensatz zu ihnen voller Hoffnung. Er bringt in den Akteuren das Gute zum Vorschein. Sie kümmern sich gerne um ihn, denn er bringt Farbe in ihre monochrom triste Welt, in der ältere Herren an Straßenecken auf Gitarren schrammeln. Und das, obwohl ihm die Behörden bei seiner offiziellen Anmeldung klarmachen, dass niemand auf ihn wartet. Die Massenunterkunft, in der Khaled wohnt, ist ebenso wenig einladend.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films „Le Havre“ - Flüchtings-Drama von Aki Kaurismäki
und hier einen Bericht über den Film “Dämonen und Wunder – Deephan” – südasiatisches Flüchtlings-Drama von Jacques Audiard, Cannes-Sieger 2015
und hier eine Besprechung des Films „Mediterranea“ – Flüchtlings-Drama in Süditalien von Jonas Carpignano
Melancholisches Weltpolitik-Märchen
Insbesondere, als die hünenhaften Schlägertypen von der „Вefreiungsarmee Finnland“ schließlich Khaleds habhaft werden: Da erweist sich Kaurismäki abermals als Sozialromantiker, der die Welt schlicht und einfach erklären will – genau das macht den Charme dieses Films aus. Dafür gab es auf der Berlinale den Silbernen Bären für die beste Regie.
Sie ist weder moralinsauer noch allzu komisch und verpackt Weltpolitik in einem wunderbar melancholischen Mädchen. Ob die Geschichte am Ende für Khaled gut ausgeht, ist ungewiss, aber er ist zumindest nicht allein. Mehr braucht es vielleicht auch im wirklichen Leben nicht.