Josef Hader

Wilde Maus

Georg (Josef Hader) noch oben auf. Foto: Majestic Filmverleih
(Kinostart: 9.3.) So schön scheitert die Mittelklasse: Im Regiedebüt des Kabarettisten Josef Hader verliert ein alternder Musikkritiker seinen geliebten Job und gerät in eine Lebenskrise. Eine radikal komische Gesellschaftskomödie.

In Österreich ist der Schauspieler Josef Hader ein Kassenmagnet, egal ob im Kino oder auf der Kabarettbühne. In Deutschland ist er vor allem als grantelnder Detektiv Brenner aus den Krimifilmen nach Wolf Haas („Der Knochenmann“) bekannt. Die Kriminalkomödie „Wilde Maus“ ist sein Regiedebüt.

 

Info

 

Wilde Maus

 

Regie: Josef Hader,

103 Min., Österreich 2016;

mit: Josef Hader, Pia Hierzegger, Georg Friedrich

 

Website zum Film

 

Wilde Maus ist kein antiquierter Kosename, sondern eine Achterbahn im Wiener Prater. Eine passende Metapher für den von Hader selbst gespielten Protagonisten Georg. Der gerät in kurzer Zeit durch Hochs, Tiefs, scharfe Kurven und schließlich fast aus der Bahn. Eigentlich hatte Georg sich seine Lebensmitte anders vorgestellt. Als angesehener Musikkritiker bei einer großen Wiener Zeitung ist er eine Institution. Seine sprachgewaltigen Verrisse haben ihm einen guten Ruf bei den Lesern verschafft, und er liebt seine Arbeit über alles.

 

Job weg, Lebenskrise da

 

Von heute auf morgen ist damit Schluss. Der neue Chef Waller (Jörg Hartmann) entlässt ihn aus Kostengründen, einfach so. Zu Hause verschweigt Georg seiner Frau Johanna (Pia Herzegger) die Schmach. Die ist ohnehin zu sehr mit ihrer Tätigkeit als Psychologin und ihrem Kinderwunsch beschäftigt. Stattdessen geht er jeden Tag wie üblich aus dem Haus und treibt sich im Prater herum, wo er Erich (Georg Friedrich) kennenlernt.

Offizieller Filmtrailer


 

Dilettantischer Rachefeldzug 

 

Der ist zwar ein schlichtes Gemüt, hat aber auch seinen job verloren und große Pläne. Er will das in die Jahre gekommene Fahrgeschäft „Wilde Maus“ übernehmen. Da Georg nichts anderes zu tun hat, steigt er mit ein. Seine Probleme löst das aber nicht; stattdessen wirbelt es die ruhigen Fahrwasser seines bisherigen Lebens erst so richtig auf.

 

Georg ist ohne seine geliebte Arbeit vollkommen haltlos und lässt sich gehen. Die Ansprüche seiner jüngeren Frau überfordern ihn schon lange. Seine Wut auf den neuen Piefke-Chef kanalisiert er in einem dilettantischen Rachefeldzug, was jedoch unbefriedigend ist. Sein Rauswurf ist nur der Katalysator für eine ohnehin schwelende Krise, die selbst seine Frau als Psychologin nicht sieht. Bei ihnen findet Kommunikation, die sie immer ihren Patienten empfiehlt, nicht mehr statt.

 

Selbst Suizid scheitert

 

In der Redaktion war Georg nicht mehr der Allwissende, eher ein Fossil aus der „guten alten“ Zeit des Kulturbetriebs, als eine Kritik noch Karrieren anschieben oder vernichten konnte. Gut illustriert in der Szene, wenn er und eine junge Kollegin (Nora Waldstätten) sich darüber streiten, ob Anton Bruckner oder das Neobluesrock-Duo „White Stripes“ die Grundlage des beliebtesten Fußball-Mitgröhl-Lieds lieferten. Diese Redakteurin übernimmt dann Georgs Stelle, obwohl sie keine Ahnung von Klassik hat.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films „Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika“ beeindruckendes Biopic über den Star-Autor im Exil von Maria Schrader mit Josef Hader

 

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und hier einen Beitrag über den Film „Ich und Kaminski“brillante Satire auf den Kulturjournalismus von Wolfgang Becker mit Daniel Brühl

 

Auch die anderen Figuren haben ihre Abgründe und Heimlichkeiten und kommen am Ende auf verschlungenen Pfaden zusammen. Alles in allem scheitert hier ein Mann auf ganzer Linie: Selbst beim Suizidversuch versagt er glorios und macht sich buchstäblich nackig, um danach endlich reden zu können.

 

Traurig und komisch zugleich

 

Josef Hader behauptet von sich selbst, nichts richtig gelernt zu haben und nur zufällig Kabarettist geworden und dann ins Filmgeschäft gestolpert zu sein. Seine Figur des miesepetrigen Antihelden Brenner („Das ewige Leben“) hat Kultstatus. In „Wilde Maus“ kulminiert alles, was er in seiner langen Laufbahn gelernt hat: Bei diesem Film ist nicht nur Regisseur und Hauptdarsteller, sondern auch Drehbuch-Autor.

 

Sein aktuelles Werk ist radikal und auf traurige Art komisch. Dieser Film, in dem viel getrunken, geraucht und geflucht wird, wobei jeder mit sich allein ist, kommt sehr lebensecht daher. Nur sind die Dialoge witziger und die Situationen absurder als die Wirklichkeit: eine so subtile wie lakonische Bestandsaufnahme der scheinbar arrivierten Mittelschicht, die ihre besten Zeiten schon hinter sich hat. Für Hader-fans ist „Wilde Maus“ ein Muss; alle übrigen werden sich gewiss ebenso amüsieren.