
1975 schließt Seyolo Zantoko im französischen Lille sein Medizinstudium ab. Er kommt aus dem Kongo, doch das Land, das er vor Jahren gen Europa verlassen hat, heißt jetzt Zaïre. Die Politik des neuen Präsidenten Mobutu ist ihm so verhasst, dass Seyolo das Angebot ablehnt, dessen Leibarzt zu werden. Er will lieber im Ausland bleiben und stürzt sich auf die erste Gelegenheit, die sich bietet: eine Stelle in einem Dorf im öden Norden Frankreichs.
Info
Ein Dorf sieht schwarz
Regie: Julien Rambaldi,
96 Min., Frankreich 2016;
mit: Marc Zinga, Aïssa Maïga, Bayron Lebli, Médina Diarra
Keine feelgood-Komödie
Der deutsche Titel des Films ist so plump, das er schon wieder passt. Besonders, weil er für die beschränkte Weltsicht der Dorfbewohner steht. Im Gegensatz zu anderen französischen feelgood-Komödien ist nichts Kauziges oder Sympathisches an der Xenophobie der Dörfler. Der Film benötigt, anders als etwa der Heirats-Schwank „Monsieur Claude und seine Töchter“ (2014) von Philippe de Chauveron oder die Krimikomödie „Paulette“ (2012) von Jérôme Enrico, keine rassistischen Witze, um Rassismus zu thematisieren. Er benötigt auch keinen gefallenen weißen Helden, der am esprit des Afrikaners gesundet und dabei die üblichen Klischees fortschreibt: Lebensfreude, guter Sex, Rhythmus im Blut und leichter Zugang zu weichen Drogen.
Offizieller Filmtrailer
Neues komödiantisches Terrain
Rambaldi vermeidet die Fettnäpfchen, indem er die Geschichte aus der Sicht der Familie schildert: Die Zantokos entsprechen als anspruchsvolle bourgeois-Großstädter, die fließend Französisch sprechen, nicht gerade dem landläufigen Klischee schwarzer Einwanderer. Das gibt dem Regisseur viele Freiheiten, komödiantisch unerschlossenes terrain zu erforschen – zum Beispiel, wenn die Verwandtschaft aus Brüssel auftaucht, oder wenn Anne bei der ersten Telefonrechnung voller Ferngespräche das Gesicht entgleist.
Oder wenn sie den Landeiern auf dem Marktplatz endlich mal die Leviten liest. Denn im Vergleich zu den Bewohnern von Marly-Gomont sind die Zantokos viel kosmopolitischer und aufgeklärter. Die wenigen, die im Dorf zu ihnen halten, sind schweigsame, einfache Leute, die gegenüber der Borniertheit der Mehrheit resigniert haben. Mit dem wohldosierten Mix aus Familienerinnerungs-Folklore und situationskomischer Zuspitzung erobern die Zuzügler die Herzen der Zuschauer sehr rasch.
Musik spielt wichtige Rolle
Damit erinnert der Film an eine andere, starke Migranten-Komödie aus Frankreich: „Nur wir drei gemeinsam“ (2016) des Komikers Kheiron. Dessen Idee, die Geschichte im Abspann mit echten Familien-Fotos aus der geschilderten Vergangenheit zu beglaubigen, wurde hier ebenfalls übernommen. Wie bei Kheiron ist der Sohn Kamini Zantoko der eigentliche Erzähler der Handlung; sie basiert auf realen Ereignissen, also der Geschichte der wirklichen Familie Zantoko.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films „Nur wir drei gemeinsam“ – bewegende iranisch-französische Migranten-Tragikomödie von Kheiron
und hier einen Bericht über den Film “Monsieur Claude und seine Töchter” – französische Multikulti-Komödie von Philippe de Chauveron
und hier einen Beitrag über den Film "Madame Christine und ihre unerwarteten Gäste" - französische Sozial-Komödie von Alexandra Leclère.
Die Empathie der Kinder
Als der erste Schnee fällt, erklingt eine sentimentale französische Version von „White Christmas“: Ganz ohne Tümelei kommt auch dieser Film nicht aus. Da muss, bis Seyolo als Arzt akzeptiert wird, erst einmal ein veritables Weihnachtswunder her. Am Ende sind es dann rührenderweise die Kinder des Dorfes, die den Erwachsenen jene Empathie vorleben, die ihnen fehlt.
Bis dahin wird die Geschichte stringent und ohne Durchhänger nachgezeichnet; sie hält dabei virtuos die balance zwischen Beklemmung und befreiendem Gelächter. Es ist gut und wichtig, dass einem dabei immer wieder ein dicker Kloß im Halt sitzt. Wenn das den Film als Wohlfühl-Komödie disqualifiziert, dann ist er eben keine – sondern etwas Besseres.