
Sind „The Stooges“ die wichtigste Band in der Geschichte des rock ’n’ roll? Ja, wenn es nach Regisseur Jim Jarmusch geht. Zumindest behauptet er es, gleich zu Beginn seines neuen Dokumentarfilms „Gimme Danger“ über die Detroiter Rockband um den Sänger Iggy Pop. Der Anspruch fällt allerdings in erster Linie auf seinen eigenen Film zurück: Derart eingestimmt, möchte man nun auch wissen, warum. Das aber löst die brav-solide Dokumentation über eine ganz und gar nicht brave Band nur bedingt ein.
Info
Gimme Danger
Regie: Jim Jarmusch,
108 Min., USA 2016;
mit: Iggy Pop, Ron Asheton, James Williamson, Scott Asheton
Mehr performance als Konzert
Die Karriere der Band begann Ende der 1960er Jahre unter dem Namen „Psychedelic Stooges“. Zu diesem Zeitpunkt hatte lediglich Iggy Pop als Schlagzeuger seiner high school band „The Iguanas“ und der blues-lastigen Gruppe „The Prime Movers“ musikalische Erfahrung gesammelt. Seine neuen Mitstreiter Ron Asheton (Gitarre), Scott Asheton (Schlagzeug) und Dave Alexander (Bass) waren Neulinge an ihren Instrumenten. Live boten sie ihren Zuschauern vor allem performance-Kunst mit langen Improvisationen um simple Gitarren-riffs.
Offizieller Filmtrailer
Mehr Experimente
Als die „Stooges“ durch Vermittlung der befreundeten Band „MC5“ einen Vertrag mit der Plattenfirma „Elektra“ bekamen, mussten sie mit ihren limitierten Fähigkeiten songs für ihre erste LP schreiben. Das Ergebnis, „The Stooges“ von 1969, ist mit Songs wie „No Fun“ und „I Wanna Be Your Dog“ einer der großen proto punk-Klassiker: hochenergetischer Gitarrenrock mit einfachen riffs und schneidenden, effektlastigen Soli. Nur das zehnminütige Stück „We Will Fall“ erinnert noch an die Psychedelic Stooges. Auf dem Nachfolger „Fun House“ (1970) setzten die Musiker mit dem neuen Saxophonisten Steven Mackay ihr Konzept fort – und fanden zu einer experimentelleren Form mit Einflüssen aus blues, psychedelic rock und dem freien jazz eines John Coltrane.
Das vor allem von live gigs stammende Video-Archivmaterial dürfte Kennern weitgehend bekannt sein. Jarmusch lässt dabei die Musiker samt einigen Weggefährten die Geschichte der band bis zur Wiedervereinigung in den 2000er-Jahren erzählen. Deutlich wird aber, dass offenbar nur Iggy Pop wirklich ausführlich zur Verfügung stand. Ron Asheton ist 2009 verstorben und nur auf Archiv-Bildern präsent, sein Bruder Scott litt zum Zeitpunkt des Filmdrehs sichtlich an den Folgen eines Schlaganfalls. Die Interviews mit Steven Mackay und James Williamson wirken, als hätte der Regisseur gerade einmal fünf Minuten Zeit für die Gespräche mit ihnen gehabt.
Attitüde zählte mehr als Können
Hintergrund
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und hier einen Bericht über den Film "William S. Burroughs: A Man Within" – Doku über den drogensüchtigen Literaten von Yony Leyser mit Iggy Pop.
Zwar mag die Band kommerziell ein Reinfall gewesen sein – doch ihre wenigen Bewunderer fanden in ihrer Rolle als Außenseiter bald Gleichgesinnte, mit denen sie etwas Eigenes auf die Beine stellen konnten. Attitüde zählte dabei mehr als Können – auch das ist ein Vermächtnis der „Stooges“. Regisseur Jarmusch unterschlägt das nicht völlig, kann es aber mit einer eher beiläufigen Erwähnung nicht wirklich vermitteln.
Musealer Ritterschlag
Dass stattdessen die Aufnahme der Band in die „Rock ’n‘ Roll Hall of Fame“ 2010 erörtert wird, ist typisch amerikanisch. Was in den USA als Ritterschlag gilt, klingt in europäischen Breiten eher nach öder Museumsreife. Das wird den „Stooges“ überhaupt nicht gerecht. Wer die Band – selbst in späteren Jahren – einmal live gesehen hat, weiß: Ihre brachiale Gewalt lässt sich filmisch nicht einfangen.