Renaissance in Potsdam – das klingt im ersten Moment widersinnig. War doch die Epoche der Renaissance längst zu Ende, als die Stadt vom Großen Kurfürsten und später von König Friedrich II. zur Residenz geadelt und ausgebaut wurde: Potsdam ist eine Barockstadt. Doch was sich derzeit dort abspielt, lässt sich als Renaissance im Wortsinne beschreiben – als Wiedergeburt einer Stadtmitte.
Info
Impressionismus – Die Kunst der Landschaft
23.01.2017 - 28.05.2017
täglich außer dienstags
11 bis 19 Uhr,
im Museum Barberini, Alter Markt, Humboldtstraße 5–6, Potsdam
Katalog 29,90 €
Stadtschloss-Fassade finanziert
Zu jeder Renaissance gehören Gönner, die den Aufbruch ins Neue bezahlen; das war schon in den italienischen Stadtrepubliken so. Potsdams großzügigster Mäzen ist Hasso Plattner. Der gebürtige Berliner hat als Mitgründer des SAP-Konzerns Milliarden verdient; 1998 gründete er ein nach ihm benanntes IT-Institut an der Universität. Er finanzierte auch die historische Fassade und das Kupferdach des Stadtschlosses mit mehr als 22 Millionen Euro – und ebenso den Wiederaufbau des Palais‘ für ein Kunstmuseum, das künftig seine Stiftung betreiben wird.
Impressionen der Ausstellung
Konzerte + Kino im Palais
Ursprünglich wollte Plattner dafür eine Kunsthalle am Lustgarten errichten – und dazu das Hotel-Hochhaus abreißen, das sich dort wie ein Mahnmal der DDR-Architektur zwischen Hauptbahnhof und Stadtmitte emporreckt. Doch es hagelte Proteste: Viele Potsdamer verbinden mit dem 17-stöckigen Plattenbau nostalgische Erinnerungen an Familienfeiern und dergleichen. Dann bot ihm die Stadt das Barberini-Areal zwischen Altem Markt und Havel an – und Plattner verwirklichte seine Pläne 100 Meter weiter nördlich.
Unter der Auflage, das originale Erscheinungsbild wieder herzustellen: Den Vorgängerbau hatte Friedrich der Große 1771/2 nach dem Vorbild des barocken Palazzo Barberini in Rom errichten lassen – dieser dient heute ebenfalls als Kunstmuseum. Der preußische Nachbau glänzte mit prachtvoller Fassade; dahinter verbargen sich schlichte Bürgerwohnungen. Er wurde mehrfach umgebaut und beherbergte meist auch kulturelle Einrichtungen: etwa Konzertsäle, eine Bücherei und ab 1910 sogar ein Kino. 1945 zerstörten Fliegerbomben das Gebäude, drei Jahre später wurde die Ruine abgetragen.
Geschmackssichere noblesse
Nun steht der dreiflügelige Bau wieder am angestammten Platz. Im Inneren wurden aus früher fünf Geschossen jetzt drei Etagen mit 17 hohen, großzügigen Ausstellungs-Sälen; technisch auf dem neuesten Stand, optisch mit Deckenvouten und Eichenparkett edel hergerichtet. Alles wirkt durchdacht und perfekt aufeinander abgestimmt – doch ohne jeden auftrumpfenden Gestus, der manchen Museums-Neueröffnungen der letzten Jahre einen marktschreierischen look gab. Das ganze Haus verströmt selbstbewusste, aber zurückhaltende noblesse.
Ebenso geschmackssicher zeigt sich auch das Eröffnungsprogramm von Gründungsdirektorin Ortrud Westheider. Sie hat Erfahrung mit Museen in privater Hand: Zehn Jahre lang leitete sie das „Bucerius Kunst Forum“ in Hamburg, das von der ZEIT-Stiftung getragen wird. Wie dort setzt sie auch in Potsdam auf jährlich zwei bis drei Wechselausstellungen mit publikumsträchtigen Werken und wissenschaftlichem Anspruch. Das dürfte dem Museum auch nach der Anfangsbegeisterung dauerhaft Aufmerksamkeit und Zulauf bescheren.
Halbes Dutzend Heuschober-Bilder
Der Auftakt könnte kaum gelungener sein. „Impressionismus – Die Kunst der Landschaft“ verbindet die Popularität der evergreens von Monet, Pissarro oder Renoir mit dem Fokus auf Landschaftsmalerei: Bei keinem anderen sujet kam die Konzentration der Impressionisten auf Lichteinfall und Wetter-Phänomene so deutlich zur Geltung. Das lässt sich gut an den Winterbildern studieren, denen eine von acht Abteilungen gewidmet ist: Motive wie Wege, Felder und kahle Bäume sind meist banal, ihre Darstellung in subtil changierenden Weißtönen ist oft spektakulär.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "ImEx – Impressionismus – Expressionismus. Kunstwende" als Vergleich beider Mal-Stile in der Alten Nationalgalerie, Berlin
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Pissarro – Der Vater des Impressionismus" im Von Der Heydt-Museum, Wuppertal
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Monet und die Geburt des Impressionismus" im Städel Museum, Frankfurt am Main
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die Schönste der Welt" als "Wiederbegegnung mit der Bildergalerie Friedrichs des Großen" in der Bildergalerie Sanssouci, Potsdam.
Aus ungenannter Privatsammlung
Allein von Monet sind 41 der 92 gezeigten Bilder; damit stellt die Schau einen Schwerpunkt von Plattners Kollektion vor. Zwar werden sie diskret einer ungenannten „Privatsammlung“ zugeschrieben, und Westheider hat zudem etliche Werke aus erstrangigen Häusern ausgeliehen – doch es ist klar, dass die meisten Exponate im Besitz des Hausherrn sind. Was zugleich die ökologische Nische des Barberini markiert: Sein umfangreicher und erstklassiger Bestand französischer Impressionisten schließt eine Leerstelle in der ansonsten dichten Museumslandschaft von Berlin-Brandenburg.
Ergänzt um einen Skulpturen-Saal, in dem allein 14 Plastiken von Auguste Rodin zu sehen sind: eine kluge Kombination, weil diese Leihgaben die Perspektive auf die Bildhauerei der Epoche erweitern. Allerdings werden sie einer anderen Ausstellung namens „Klassiker der Moderne“ mit 60 Werken zugeordnet: Sie erscheint, obwohl hochkarätig bestückt, wie eine Art best of-Musterschau von Plattners Sammlung.
DDR-Überblick im Herbst
Dann gibt es noch zwei Säle mit „Künstlern in der DDR“: Diese kleine Zusammenstellung wirkt wie ein appetizer für Künftiges. Im Spätherbst will das Haus unter dem Titel „Hinter der Maske“ einen Überblick über Kunst im sozialistischen Deutschland ausrichten, die der Stifter ebenfalls eifrig sammelt. Damit dürfte sein Museum auch diejenigen Potsdamer ansprechen, denen der Erhalt des Plattenbau-Hotels am Herzen liegt. Ohnehin strömen die Besucher seit der Eröffnung in Scharen, und anfängliche Kritik am Privatpalast eines Krösus ist verstummt: Solche ungeteilte Zustimmung hat das Barberini wahrlich verdient.