Virginia, Anfang des 19. Jahrhunderts: Nat Turner wächst als Sklave auf einer kleinen Baumwollplantage auf. Dort lernt er lesen, was aber eher ein karitatives Prestigeprojekt der Gattin des Plantagenbesitzers ist. So stirbt die Hoffnung auf eine Karriere im weißen Haushalt schnell. Nat wird Baumwollpflücker.
Info
The Birth of a Nation -
Aufstand zur Freiheit
Regie: Nate Parker,
120 Min., USA 2016;
mit: Nate Parker, Armie Hammer, Aja Naomi King
Langer Weg in die Freiheit
„The Birth of a Nation“, der neue Film des US-Regisseurs Nate Parker, handelt vom 48-stündigen Aufstand von Nat Turner und seiner Schar im Jahr 1831. Sie zogen von Plantage zu Plantage, befreiten andere Sklaven und töteten rund 60 Weiße. Nachdem Milizen den Aufstand blutig niedergeschlagen hatten, wurden drei Mal so viele Schwarze umgebracht, darunter Turner selbst. Als erster offener Sklaven-Aufstand war diese Revolte ein Auftakt zum langen Weg in die Freiheit, der für viele Nachfahren der verschleppten Afrikaner noch immer nicht beendet ist.
Offizieller Filmtrailer
Keine kanonische Konfliktlösung
Der Titel des Films ist gut gewählt: D.W. Griffiths gleichnamiger Stummfilm von 1917, dessen Deutung des US-Bürgerkriegs lange in amerikanischen Köpfen nachhallte, war voll von rassistischen Klischees und Sympathien für den Ku-Klux-Klan. Dem hält Nate Parker eine alternative Erzählung entgegen – und lässt den schockierten Zuschauer mit vielen Fragen zurück.
Was für eine Nation wurde 1831 geboren? War Nat Turner Patriot oder Terrorist? War er, wie er glaubte, ein Medium Gottes? Um den Streit um Turners Bedeutung zu aktualisieren, nutzt der Film die Mittel des biopics und bürstet sie an entscheidenden Stellen gegen den Strich. Als Milizionäre seine Frau vergewaltigen, wäre die kanonische Konfliktlösung für Nat, sich mit seinem weißen Boss und Sandkastenkumpel Samuel zusammenzutun, die Sache mit einer Schießerei zu klären und dann als Freigelassener eine Karriere als Anwalt, Prediger oder Fluchthelfer einzuschlagen.
Nicht eine, sondern viele Nationen
Stattdessen nimmt er die Axt, erschlägt Samuel und fordert seine Leute auf, mit ihren weißen Bossen dasselbe zu tun. Das ist radikal. Regisseur Parker beharrt darauf, dass seine „Nation“ zur Nation wurde, als Turner den Schritt zum handelnden Subjekt vollzog, anstatt Objekt weißer Kalküle und Aktionen zu bleiben. Er pfeift auf Vorgänger wie die TV-Serie „Roots“ oder den Oscar-prämierten Spielfilm „Twelve Years a Slave“ (2013) von Steve McQueen, die ein Versprechen auf künftige Befreiung und Versöhnung enthielten.
Parker erinnert daran, dass die Überwindung der barbarischen Unterdrückungs-Industrie keine geeinte Nation hervorbrachte, sondern mehrere. Ihre unterschiedlichen Erfahrungen prägen die USA bis heute. Mit allen Mitteln eines Revolutions-Epos durchläuft der Film die Stationen eines Leidensweges: die Machtstrategien und die Herablassung der weißen Besitzerklasse, selbst in Momenten der Freundlichkeit; sowie die physischen, psychischen und nicht zuletzt sexuellen Demütigungen. Bis zum Punkt, an dem es sowohl für Revolutionäre wie für Terroristen und Märtyrer aller Art gleichermaßen kein Zurück mehr gibt. Nat Turner hat von allen dreien etwas; das macht ihn so umstritten.
Das eigene Leid rächen
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films “Twelve Years a Slave” – fesselnde Sklaverei-Saga von Steve McQueen, 2014 mit dem Oscar für den besten Film prämiert
und hier eine Besprechung des Films “Django Unchained” – Italo-Western über Südstaaten-Sklaverei von Quentin Tarantino
und hier einen Beitrag über den Film „Nächster Halt: Fruitvale Station“ – Doku-Drama über die Erschießung eines US-Schwarzen von Ryan Coogler.
War Turner Revolutionär oder göttlicher Gesandter? Hier wollte Regisseur Parker offenbar nicht zu eindeutig auf die christliche Karte setzen, indem er sich Hintertüren offen lässt: zum afrikanischen Animismus und zur Psychologisierung der Figur. Wer würde sich für solches Leid nicht rächen wollen? Dabei steht die historisch nicht verbürgte Vergewaltigung seiner Ehefrau im Mittelpunkt.
Traurige Ironie des Films
Ausgerechnet dies ist aber nicht mehr zu trennen von dem Skandal, der den Film eingeholt hat: Regisseur Parker und sein Ko-Autor Jean McGianni Celestin waren als Studenten angeklagt, 1999 eine Kommilitonin vergewaltigt zu haben. Trotz rechtskräftiger Freisprüche kochten US-Medien diese Vorwürfe nach der Premiere im Januar 2016 beim „Sundance Festival“ wieder auf. Der Fall nimmt dem Film die verdiente Wucht – und bestätigt mit seiner ganzen Komplexität und traurigen Ironie, was das Revolten-Epos postuliert: dass durch die US-amerikanische Nation weiterhin ein tiefer Riss verläuft.