„Das Weltall – unendliche Weiten“: Der Anfangssatz der TV-Serie „Raumschiff Enterprise“ gilt genauso für das genre der science fiction-Filme. Seit der Franzose Georges Méliès 1902 erstmals Stummfilm-Schauspieler auf eine „Reise zum Mond“ schickte, haben Regisseure so ziemlich alle Himmelkörper angepeilt und fremde Lebensformen aufgespürt, die sich denken lassen.
Info
Things to Come -
Science · Fiction · Film
30.06.2016 - 14.05.2017
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr,
donnerstags bis 20 Uhr
in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, Berlin
Aufschwung seit Terroranschlägen
Spektakuläre Raumfahrt-Erfolge blieben in den 1980/90er Jahren aus; das Ende der bipolaren Weltordnung war aufregender. Science fiction wandelte sich zur Materialschlacht-fantasy wie in der „Star Wars“-Saga, oder zu familientauglichen Märchen wie „E.T.“ (1982) von Steven Spielberg. Seit den Terroranschlägen von 2001 wirkt die Erde wieder ungemütlicher – und das genre erfährt abermals einen rasanten Aufschwung.
Feature über die Ausstellung + Interview mit Kurator Nils Warnecke; © MrAgoodlife
Paketversand als postnukleare Seelsorge
In jüngster Zeit spielen vermehrt Großproduktionen diverse Aspekte der conditio humana durch, mit hohem Anspruch auf Plausibilität. „Interstellar“ (2013) von Christopher Nolan reist mithilfe von cutting edge-Astrophysik zu Schwarzen Löchern. Alfonso Cuarón malt in „Gravity“ (2013) drastisch die Bedrohung durch Weltraum-Schrott aus. „Arrival“ (2016) von Denis Villeneuve fasziniert mit linguistischen Gedankenspielen über Kommunikation mit Außerirdischen.
Dagegen inspiriert offenbar die immer stärker miniaturisierte Digitaltechnik einen gegenläufigen trend: Unaufwändige Kammerspiele verlegen science fiction in künftigen Alltag. In „Ex Machina“ (2015) von Alex Garland soll der Held herausfinden, ob ein Roboter menschliches Bewusstsein besitzt – Google-Entwicklungslabore lassen grüßen. Und in „The Whispering Star“ (2015) inszeniert der Japaner Sion Sono mit einfachsten Mitteln einen interplanetarischen Paketversand-Dienst – als postnukleare Seelsorge.
Weltall, Zukunfts-Gesellschaft + das Fremde
Da liegt der Gedanke an eine Überblicks-Schau nahe: Was sagt science fiction über kollektive Vorstellungen von Machern und Publikum aus? Obwohl auf die Zukunft fixiert, ist sie meist eng an ihre Entstehungszeit gebunden: Die Riesen-Kanone, mit der Georges Méliès seine Figuren ins All schoss, ähnelt einer „Dicken Bertha“ – Raketen waren noch unbekannt. Im britischen Film „Things to Come“ („Was kommen wird“, 1936), dessen Titel diese Ausstellung übernimmt, prophezeit Drehbuchautor H.G. Wells einen großen Krieg: mit exakt dem Waffenarsenal, das drei Jahre später zum Einsatz kam.
Um sich nicht in den Weiten des Kino-Kosmos zu verlieren, beschränken sich die Kuratoren auf drei Bereiche: das Weltall, die Gesellschaft der Zukunft und das Fremde. In denen filtern sie aus etlichen Filmen Typisches heraus, das ihnen gemeinsam ist. Für ihre vergleichende Soziologie der Zukunftsfantasien betrachten sie auch löblich viele Beispiele aus der DDR, Polen und der Sowjetunion: SciFi war im Ostblock beliebt, weil das zur technikgläubigen KP-Ideologie passte – und sich zugleich kaum verhüllte Systemkritik üben ließ.
Fritz Lang erfand NASA-countdown
Manchmal beeinflusst das genre tatsächlich die Wirklichkeit: Der countdown, mit dem US-Weltraumflüge starten, wurde 1929 von Regisseur Fritz Lang für den Film „Die Frau im Mond“ erfunden – und später von der NASA übernommen. Einige schwungvolle Stahlbeton-Bauten der 1960/70er Jahre waren erkennbar von SciFi-Kulissen inspiriert. Zuweilen zeichnet science fiction reale Entwicklungen vor. Etwa bei „Hyperschlafräumen“, in denen Astronauten jahrzehntelang vor sich hin schlummern, um extrem weite Reisen zu überstehen. Diese so genannte Kryonik wird mittlerweile systematisch erforscht.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Arrival" – faszinierend intelligenter SciFi-Psychothriller über Kommunikation mit Außerirdischen von Denis Villeneuve mit Amy Adams
und hier eine Besprechung des Films "The Whispering Star" – wunderbar elegisches SciFi-Kammerspiel über einen interstellaren Paketdienst von Sion Sono
und hier einen Beitrag über den Film "Ex Machina" – raffiniertes SciFi-Kammerspiel um künstliche Intelligenz von Alex Garland
und hier einen Bericht über den Film "Interstellar" – visuell überwältigendes SciFi-Epos in fünf Dimensionen von Christopher Nolan.
Aliens aus dem irdischen Tierreich
Beim „Fremden“ muss die Ausstellung in Anbetracht einer unübersehbaren Vielfalt passen; sie bietet nur ein paar beispielhafte Szenenbilder, Modelle und Kostüme auf. Die meisten set designer lassen bei der Gestaltung von Außerirdischen ihrer Fantasie freien Lauf – angelehnt an Vertrautes, etwa Formen der irdischen Fauna und Flora. Angefangen mit Mammut-Pilzen und -Schwämmen auf dem Mond von Méliès über die Känguru-Menschen von „Avatar“ (2009) bis zu siebenfüßigen Tintenfischen in „Arrival“.
Angelegt als labyrinthischer Rundgang durch galaktische Zonen auf drei Etagen, bietet diese Schau von jedem etwas: den trekkies und andern SciFi fans, die sich für memorabilia begeistern, etwa einen Original-„Phaser“ mit der Unterschrift von „Raumschiff Enterprise“-Kommandeur William Shatner alias „Captain Kirk“.
Immer bessere SFX
Dagegen können Normalsterbliche in Kompilationen kurzer Filmschnipsel mitverfolgen, wie sich Geschlechterverhältnisse an Bord, der Umgang mit cyborgs oder auch in der Atmosphäre verglühende Trümmer im Lauf der Zeit verändert haben. Mag auch die Vision von der Auswanderung ins All ausgeträumt sein – die special effects haben sich stetig verbessert.