
Mit nur 25 Jahren ist der Sohn von Vicki und Eyal an Krebs gestorben. Es ist der letzte Tag der shiv‘a. Eine Woche haben die Eltern mit der Verwandtschaft in ihrem Haus die traditionelle jüdische Totenwache gehalten, nun wollen sie, so haben sie es verabredet, wieder in die Normalität zurückkehren. Während Vicki (Evgenia Dodina), die als Lehrerin arbeitet, feststellt, dass das gar nicht so einfach ist, zaudert Eyal (Shai Avivi). Er ist verschlossen, passiv-aggressiv und gibt nicht viel von sich preis. Im Nachlass seines Sohnes findet er medizinisches marihuana und nimmt es mit nach Hause.
Info
Ein Tag wie kein anderer
Regie: Asaph Polonsky,
98 Min., Israel 2016;
mit: Shai Avivi, Evgenia Dodina, Sharon Alexander
Keine stoner-Komödie
Ein älterer Herr raucht zum ersten Mal Gras. Allein dafür wurde die auf leisen Füßen daherkommende israelische Komödie ″Ein Tag wie kein anderer‶ auf Festivals bereits gefeiert und sogar als Kandidat für den Auslands-Oscar eingereicht. Erfreulicherweise geht es Regisseur Asaph Polonsky nicht darum, aus diesem nicht eben taufrischen sujet eine entspannte stoner-Komödie für zwei Generationen abzuliefern.
Offizieller Filmtrailer
Blick auf die kleinen Dinge
Das Gras wirkt bei Eyal erst einmal gar nicht. Er gehört wohl eher zu denen, die beim Kiffen noch verschlossener werden. Es gibt keinen befreienden Ausbruch aus den Konventionen, keine absurden Verwicklungen. Aber dennoch wirkt das marihuana wie ein Katalysator für die Trauerarbeit der beiden Eheleute und ihrem trotteligen Ersatzsohn auf Zeit. Es schärft den Blick für kleine Dinge. Es zeigt Eyal, dass vieles, was er über seinen Sohn zu wissen meinte, nicht stimmte, oder banaler war, als er dachte. Es bringt ihn dazu, innezuhalten, und es führt zu Momenten berührender Anteilnahme zwischen den drei Protagonisten dieses bürgerlichen Kammerspiels.
Mit absoluter Sicherheit lässt sich das alles nicht sagen. Die Figuren bleiben mit ihren Gedanken oft allein. Das erinnert in der Tat, wie der Verleih suggeriert, an die stillen Helden der Regisseur-Brüder Coen, etwa den „unauffälligen Mr. Crane“ („The Man Who Wasn’t There“). Aber während dort um den schweigsamen Grübler heilloses Chaos herrscht, tendiert „Ein Tag wie kein Anderer“ dramatisch gesehen eher zur Implosion.
Rechte Winkel dominieren
Hintergrund
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Selbst die neugeborenen Katzen im Garten haben seine Symbolfunktion. Trotz der Zeichen macht es der Film dem Zuschauer nicht einfach: Indem fast nichts geschieht, richtet er den Blick auf die kleinen Gesten und Reaktionen der Darsteller. Vieles bleibt offen. Eine Komödie zum Schenkelklopfen ist das keinesfalls, sondern eher eine Einladung, drei Menschen durch einen sehr persönlichen Prozess zu begleiten – und dabei gelegentlich zu schmunzeln.