Bruno Ganz

Ohnmacht an der Ostberliner Grenze

Schauspieler Bruno Ganz. Foto: Wikipedia. org
Schauspieler Bruno Ganz, der "In Zeiten des abnehmenden Lichts" einen greisen SED-Genossen mimt, kannte die Ex-DDR gut: Als Schweizer durfte er problemlos einreisen. Die strengen Grenzkontrollen machten ihm aber furchtbare Angst, erzählt er im Interview.

Herr Ganz, bei „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ spielen Sie einen Altstalinisten in der früheren DDR. Kamen Sie mit solchen Leuten jemals in Berührung?

 

Mit diesem Thema habe ich nur theoretisch Kontakt gehabt; über Literatur und beim Theater – vor allem an der „Schaubühne“ in Berlin, wo wir alle Linke unterschiedlichster Schattierungen waren.  Ich wusste also eine ganze Menge über die DDR, doch ich bin nie einem richtigen Stalinisten begegnet. Ich habe aber viel über sie gelesen, sodass sie mir nicht fremd waren.

 

Waren Sie jemals Trotzkist, Maoist oder Anarchist?

 

Info

 

In Zeiten des abnehmenden Lichts

 

Regie: Matti Geschonneck,

101 Min., Deutschland 2017;

mit: Bruno Ganz, Hildegard Schmahl, Sylvester Groth

 

Weitere Informationen

 

Na ja, ich war immer – wie man in der DDR gesagt hätte – ein bürgerlicher Künstler mit linken Tendenzen. Ich mochte damals in den 1960/70er Jahren die moskautreue Fraktion nicht, die Maoisten waren mehr im Trend – aber im Nachhinein glaube ich, dass die Leute in der DDR mit Recht über uns Studenten gelacht haben, die im Westen den Sozialismus einführen wollten. Das war ziemlich absurd.

 

Wandern im Elbsandsteingebirge

 

Sind Sie, wenn Sie in den 1970/80er Jahren an der „Schaubühne“ spielten, öfter mal nach Ostberlin gefahren?

 

Ich kam sehr leicht nach Ostberlin; schon zu einer Zeit, als das Westberlinern noch nicht gestattet war. Manchmal besuchte ich auch Dresden und Meißen; später ging ich auch Wandern gegangen im Elbsandsteingebirge. Mein politisches Interesse an der DDR war jedoch von zeitgenössischer Literatur geprägt und dem, was ich in Zeitungen gelesen habe. Das hat mich immer stark interessiert.

Offizieller Filmtrailer


 

Gefühl des wehrlosen Ausgeliefertseins

 

Wie haben Sie bei Ihren Besuchen die DDR empfunden?

 

Als kleiner Schweizer hatte ich am Anfang furchtbare Angst, wenn ich am S-Bahnhof Friedrichstraße einreisen wollte. Da musste man in den Keller und dann durch die Kontrolle, wo es immer hieß: ‚Machen Sie jetzt Ihr Ohr frei!’ Dann dachte ich: Wenn mir jetzt etwas passiert, beschützt mich hier keiner. Hier gibt es keinen Rechtsstaat; die können mit mir machen, was sie wollen. Ein Gefühl des wehrlosen Ausgeliefertseins.

 

Änderte sich dieses Gefühl irgendwann?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "In Zeiten des abnehmenden Lichts" von Matti Geschonneck mit Bruno Ganz

 

und hier eine Besprechung des Films "Das Geständnis" – fesselndes Kammerspiel über die DDR-Justiz von + mit Bernd Michael Lade

 

und hier einen Bericht über den Film "Anderson" – informative Doku über den Stasi-Spitzel Sascha Anderson von Annekatrin Hendel

 

und hier einen Beitrag über den Film "Erich Mielke – Meister der Angst" – Doku über den Geheimdienst-Chef der DDR von Jens Becker + Maarten van der Duin.

 

Ich stamme ja aus einem Land, in dem eine ganze andere Art von Behütung herrschte. Als ich anfing, mich mehr mit der DDR zu beschäftigen, ist mein ursprüngliches Unbehagen abgelöst worden durch mein Interesse an der politischen Situation – ohne dafür Sympathie zu empfinden. Ich fand immer diese offensichtliche Gängelei und Unterdrückung so unangenehm, dass ich damit nichts zu tun haben wollte. Da hätte ich nicht leben wollen.

 

Weitermachen, solange es geht

 

Wie war es, Menschen in der DDR kennenzulernen?

 

Diejenigen, die ich kennenlernte, hatten meist gar nicht so ein Problem mit ihrem Staat. Wichtiger waren Freundschaften; die Leute konnten sich sehr aufeinander verlassen. Wir im Westen hingegen lebten und leben in einem sehr kühlen System. Kapitalismus ist nichts Warmes; das haben die Menschen aus der früheren DDR inzwischen auch gelernt. 

 

Im Film „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ feiern Sie als SED-Altkader Wilhelm Powileit Ihren 90.Geburtstag. Davon sind Sie selbst mit 76 Jahren noch weit entfernt; wollen sie trotzdem auch im hohen Alter als Schauspieler auftreten?

 

Ich mache das so lange, wie es mein Körper und Geist erlauben. Irgendetwas sagt mir: ‚Mach‘ doch weiter; es ist doch eine tolle Art, Zeit zu verbringen!‘ Ich habe einfach das Bedürfnis, es beschäftigt mich auf großartige Art und Weise; und ich bin immer noch ziemlich gesund.