Volker Schlöndorff

Rückkehr nach Montauk

Max Zorn (Stellan Skarsgård) und Rebecca (Nina Hoss) verbringen einen Tag in Montauk. Foto: Ann Ray. Fotoquelle: © Wild Bunch Germany
(Kinostart: 11.5.) Keine Penelope in New York: In seinem Drama nach Motiven der Novelle von Max Frisch baut Regisseur Volker Schlöndorff eine sentimentale Altmänner-Fantasie auf, um sie dann schonungslos zu zerlegen – mit einer Glanzrolle für Nina Hoss.

Manchmal gibt es eine Person, die grenzenlos fasziniert. Die unerreichbar weit entfernt ist und sich immer entzieht – zu der man dennoch, oder gerade deshalb, eine besondere Art der Verbindung fühlt. Beides bringt die Logik und die eigenen Maßstäbe durcheinander, die man sonst anlegt. Weil das, was man in der begehrten Person zu sehen glaubt, plötzlich mehr zählt als alles andere.

 

Info

 

Rückkehr nach Montauk

 

Regie: Volker Schlöndorff

105 Min., Deutschland 2016;

mit: Stellan Skarsgård, Nina Hoss, Susanne Wolff

 

Weitere Informationen

 

So eine Person ist die Schauspielerin Nina Hoss. An deren verhaltenem Spiel man sich nicht satt sehen kann, sei es im Kino oder auf der Bühne. Weil sie mit einer winzigen Bewegung ihrer Augenbrauen alles verändern kann. Und so eine Person ist auch Rebecca, die Nina Hoss in Volker Schlöndorffs neuem Film spielt. Deshalb kann die Hauptfigur, der Schriftsteller Max Zorn (Stellan Skarsgård), sie nicht vergessen, auch nach mehr als 15 Jahren nicht.

 

Stadt der Frauen

 

Nach dieser langen Zeit kommt er zurück nach New York; dort war er damals mit Rebecca zusammen. Offizieller Grund ist die Lesereise für seinen neuen Roman, in dem es ebenfalls um Rebecca geht. Dort trifft er auch seine wesentlich jüngere Frau Clara (Susanne Wolff) wieder; ihr Praktikum in einem lokalen Verlag hat er selbst ihr organisiert. Doch beides ist kaum mehr als ein Vorwand: Eigentlich, wie schnell klar wird, geht es Max darum, Rebecca wiederzusehen.

Offizieller Filmtrailer


 

Getanes + Nicht-Getanes bereuen

 

Dass er sie damals verlassen hat, indem er durch Europa reiste und Affären hatte, anstatt bei ihr zu bleiben, erfährt man erst später. Dass sie seine Projektion ist, eine Traumgestalt, ahnt man früh. „Es gibt nur zwei Dinge im Leben, die zählen: Das eine, was du getan hast, und das du bereust. Und das andere, das du nicht getan hast, und das du bereust“, zitiert er am Anfang seinen Vater.

 

In New York wird er versuchen, Rebecca zurückzuerobern. Sie ist inzwischen eine erfolgreiche Anwältin und wohnt in einem riesigen loft mit Blick über Manhattan. Beide fahren noch einmal zusammen nach Montauk ans Meer, wie damals. Er fühlt sich seinem Glück ganz nah – und erlebt eine schmerzhafte Überraschung, die ihm seine Eitelkeit vor Augen führt.

 

Vorwurf der Altmänner-Sentimentalität

 

Diese Desillusionierung – Max‘ Einsicht in die eigenen Schwächen – ist der stärkste Teil des Films. Er wird ganz aus seiner Perspektive erzählt: aus derjenigen eines eitlen Mannes, der auch seine Eitelkeit zu Kunst macht, indem er darüber schreibt. Eines Mannes, der die Frauen liebt, und sie doch nicht als eigenständige Wesen sehen kann – weil er zu sehr damit beschäftigt ist, sich selbst zu sehen.

 

Als Schlöndorffs Film im Wettbewerb der Berlinale lief, fielen die Reaktionen der Kritiker überwiegend frostig aus. Von „Altmänner-Sentimentalität“ war die Rede, oder von Kitsch auf dem Niveau einer Fernseh-Schmonzette. Das ist nicht ganz falsch: Sonnenuntergänge sehen hier arg pastellfarben aus. Der score ist alles andere als subtil, und die Dialoge sind auf Deutsch stellenweise unfassbar hölzern. Ganz abgesehen davon, dass die Hauptfigur ein nicht mehr junger, sehr sentimentaler Mann ist.

 

Hochglanz-Ästhetik mit Selbstironie

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Diplomatie" – virtuoses Kammerspiel über die Rettung von Paris im Zweiten Weltkrieg von Volker Schlöndorff

 

und hier das Interview "Paris könnte komplett weg sein" mit Volker Schlöndorff über seinen Film „Diplomatie“

 

und hier einen Bericht über den Film "Verräter wie wir" – rasanter Mafia-Agenten-Thriller mit Stellan Skarsgård von Susanna White

 

und hier einen Beitrag über den Film "Phoenix" – komplexes KZ-Überlebenden-Drama von Christian Petzold mit Nina Hoss.

 

Auch die Figuren sind nicht ganz richtig besetzt: Zum Beispiel nimmt man der wunderbaren Susanne Wolff, die auch hier großartig spielt, dennoch die Rolle einer jungen, party-begeisterten Praktikantin einfach nicht mehr ab. Stellan Skarsgård verkörpert zwar sehnsüchtige Gequältheit perfekt – aber die Behauptung, er sei immer noch so ungeheuer verführerisch wie einst, wirkt angesichts seiner kahlen, vor Schweiß glänzenden Stirn zumindest merkwürdig. Einzig Nina Hoss scheint als distanzierte, hintergründig-ironische Begehrte am richtigen Platz zu sein.

 

So passt zwar einiges nicht recht zusammen in diesem Film, der Eitelkeit dekonstruieren will und sie zugleich als Stilmittel verwendet. Wer aber Regisseur Schlöndorff diese Hochglanz-Ästhetik bloß vorwirft, macht es sich zu einfach. „Rückkehr nach Montauk“ ist schlauer und subtiler, als es auf den ersten Blick wirken mag, der von Kitsch verschreckt wird. Der Film zeigt die Desillusionierung seiner Hauptfigur so schonungslos, dass es im Nachhinein scheint, als seien auch die anfänglichen Pastellfarben schon mit Selbstironie gemalt worden.

 

Mutige Selbstzergliederung

 

Das ist deshalb bemerkenswert, weil es sich nicht um eine Verfilmung der 1975 erschienenen Novelle „Montauk“ von Max Frisch handelt. Volker Schlöndorff bezieht sich lediglich lose auf Thema und Schauplatz der Erzählung. Er erzählt stattdessen seine eigene Geschichte: Bei der Berlinale sprach er offen darüber, dass der Film autobiographisch grundiert sei. Umso mutiger ist, wie er diese Altherren-Fantasie zergliedert. Ein kluger, trauriger und komplexer Film – ach, Nina Hoss spielt übrigens auch mit.