Bigmouth strikes again: Nach Filmbiographien über den 1996 ermordeten Rapper Notorious B.I.G. (großartig: Jamal „Gravy“ Woolard) und die Rap-Combo NWA wird nun der ebenfalls 1996 erschossene Rap-Künstler 2Pac alias Tupac Shakur Held eines biopic. Wie sein Freund und späterer Erzfeind Notorious B.I.G. alias Biggie Smalls war Tupac ein begnadeter Stilist, der rap als Kunstform seinen eigenen, melodiösen Stempel aufdrückte.
Info
All Eyez on me
Regie: Benny Boom,
137 Min., USA 2017;
mit: Demetrius Shipp Jr., Danai Gurira, Jamal Woolard
East coast oder west coast?
Der rapper hätte, das legt auch der Film von Regisseur Benny Boom eindringlich nahe, ein respektierter Repräsentant seiner community werden können. Er hätte das anstrengende rap business, wie seine Kollegen Common oder Ice Cube, gegen eine einträgliche Schauspielkarriere tauschen können. Stattdessen ließ er sich hineinziehen in eine medial befeuerte east coast–west coast-Konkurrenz, die mehreren Menschen das Leben kostete und nach der das Geschäft bis auf weiteres in die Hände von Leuten wie Sean „Puff Daddy“ Combs, Jay-Z und Kanye West fiel – die es zum mega business ausbauten.
Offizieller Filmtrailer
Tribut an die Mutter
Der offenbar in Absprache mit der Familie und den Rechteinhabern entstandene Film versucht, diesen tragischen Konflikt herauszuarbeiten. „All Eyez on Me“ holt hinter „2Pac“, dem von der Boulevardpresse hochstilisierten Paten des thug life („Schurken-Daseins“) jenen Tupac hervor, den jeder gerne über seine dunkle Seite hätte triumphieren sehen. Er war ein talentierter Schauspieler und Shakespeare-Kenner, der Autor von klarsichtigen und empathischen Songs wie „Brenda’s Got A Baby“ und „Dear Mama“. Letzteren widmete er seiner alleinerziehenden Mutter, der Black Panther-Aktivistin Afeni Shakur, deren Bedeutung für Tupacs Charakter im Film viel Platz eingeräumt wird.
In ungeklärten oder strittigen Fragen – es geht um Schießereien, Verträge, wer wen zuerst wie beleidigte sowie einen Vergewaltigungsfall – ergreift das Drehbuch offensichtlich für den verlorenen Sohn Partei. Dabei stützt sich der erste Teil der Erzählung auf ein interview, dass Tupac im Jahr 1995 im Gefängnis gab. Die historischen Details der ersten Filmhälfte sind demnach als seine eigene Sicht auf die Dinge zu verstehen.
Alleine gegen die Welt
Dennoch verschonen die Fragen des Journalisten Tupac nicht. Vielmehr bekommt man einen Eindruck, wie Tupacs schnelle, steile Karriere durch die Augen seiner Familie oder enger Freunde ausgesehen haben mag. Die sehen ihren schönen, talentierten Bruder, Freund und Sohn, der in seinem ersten music video clip noch in afrikanischem Häuptlingskostüm posierte, abrutschen in einen Sog aus Gerichtsverhandlungen, Künstlerverträgen und den Verlockungen des Reichtums. Dazu kommt eine Privatfehde mit der Polizei, eine „Ich gegen die Welt“-Attitüde mit Jesus- und Machiavelli-Referenzen, die sich – wie der Titel nahelegt – durch sein ganzes Werk zieht; und vor allem: falsche Freunde. Trittbrettfahrer, bodyguards, Zuhälter, dealer und Gelegenheitsräuber, die eine Atmosphäre der Gewalt und des Machismo um ihn herum erzeugten, der er sich einfach nicht entziehen konnte.
Das ist so nachvollziehbar wie tragisch und wird zumindest von den Hauptrollen überzeugend vermittelt, allen voran vom newcomer Demetrius Shipp Jr. Auch Tupacs Jugendfreundin Jada Pinkett, heute verheiratet mit dem Schauspieler Will Smith, die star rapper Dr. Dre und Snoop Dogg sowie „Suge“ Knight, mephistophelischer Label-Boss von „Death Row Records“ treten auf. Um alle Details zu verstehen, sind allerdings, wie bei jedem rap song jener Zeit, etwas Vorkenntnisse vonnöten. Der Film hat seine eigene Codierung, die sich zusammensetzt aus historischen, zum Teil noch lebenden Figuren, verbürgten und spekulativen Ereignisverläufen und einer genauen Rekonstruktion des looks der 1990er Jahre.
Wie im Mafiafilm
Hintergrund
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Die Schluss-Sequenz, die gnadenlose auf das tödliche Ende zusteuert, erinnert an die großen Gangsterdramen von Martin Scorsese („Mean Streets“, „Goodfellas“) und De Palma („Carlito’s Way“, „Scarface“). Selten ließ sich in einem Spielfilm besser beobachten, wie der Lebensstil von gangsta rap stars die medialen Versatzstücken des Hollywoodfilms imitiert – bis in den Tod. „All Eyez on Me“ erzählt nicht nur von dem Paradigmenwechsel, der das golden age des Rap beendete, sondern auch ein weiteres Kapitel der alten amerikanischen Erzählung vom Aufstieg um jeden Preis.