Jasna Fritzi Bauer

Axolotl Overkill

Mifti (Jasna Fritzi Bauer) und Ophelia (Mavie Hörbiger). Foto: © 2017 Constantin Film Verleih GmbH / JC Dhien
(Kinostart: 29.6.) Wohlstands-Verwahrlosung deluxe: Jungautorin Helene Hegemann verfilmt ihren Skandal-Bestseller von 2010 selbst – als beliebigen Bildersalat voller Kaputtniks, der nur vom grenzenlosen Narzissmus seiner Macherin zusammengehalten wird.

Live fast, die young: Dieser Jugendkultur-Mythos ist unverwüstlich. Eine aktuelle Version servierte Helene Hegemann in ihrem Romandebüt von 2010. „Axolotl Roadkill“ enthielt alle standards: jede Menge sex & drugs & rock ’n‘ roll, wobei zeitgemäße techno beats durch wilde club raves hämmerten. Dazu Kater, Katzenjammer und nägelkauende Nabelschau bei der haltlos durch ihren Alltag taumelnden teenager-Hauptfigur Mifti, dem kaum kaschierten alter ego der damals 18-jährigen Autorin.

 

Info

 

Axolotl Overkill

 

Regie: Helene Hegemann,

93 Min., Deutschland 2017;

mit: Jasna Fritzi Bauer, Arly Jover, Mavie Hörbiger

 

Weitere Informationen

 

Ihre biographischer Hintergrund sorgte für hochkulturelles name dropping: Helene ist die Tochter von Carl Hegemann. Der langjährige Volksbühnen-Dramaturg entwickelte für den Intendanten Frank Castorf in den 1990er Jahren eine spezifisch Ostberliner Variante von Klassiker-trash-Theater, quasi als corporate identity der Prenzlauer-Berg-intelligenzija. Offenbar war Helene aufmerksam dabei: So kam in dem schmalen Band vieles zusammen, was die Feuilletons aufmerken ließ.

 

Von Berghain-blogger abgekupfert

 

Mitten im lautesten Kritiker-Jubel wurde klar: Hegemann hatte abgekupfert. Lange Passagen über sex- und drogengeschwängerte Nächte im „Berghain“-club waren wörtlich aus internet-Texten des bloggers Airen übernommen; auch bei anderen Kollegen hatte sich die Autorin ausgiebig bedient. War ihre coming of age-story eher eine copy & paste-Orgie und ihr angeblich exzessiver Lebenswandel angelesen? Sie rechtfertigte sich mit wortreichen Erklärungen über die Unbestimmbarkeit des schreibenden Subjekts im Zeitalter von open source – doch der Plagiats-Verdacht blieb.

Offizieller Filmtrailer


 

Zwischen Preis-Gala + Heroin-Dröhnung

 

Vor zwei Jahren drehte Hegemann ihren ersten Spielfilm; nun kommt er endlich ins Kino. Nicht als Roman-Verfilmung, beteuert die Nachwuchs-Regisseurin; deshalb heißt er „Axolotl Overkill“. Doch die Parallelen sind offensichtlich: Die Hauptfigur Mifti (Jasna Fritzi Bauer) haust als frühreife und altkluge 16-Jährige mit Schwester und Bruder in einer chaotischen teenie-WG. Ihr Vater lebt mit seiner Geliebten im minimalistischen design-Betonklotz. Wenn seine Tochter ihn besucht, bombardiert er sie mit Bildungsbürger-Sottisen; sonst kümmert er sich kaum um Mifti.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "About a Girl" - subtile Suizid-Tragikomödie von Mark Monheim mit Jasna Fritzi Bauer

 

und hier einen Besprechung des Films "Scherbenpark" - Prekariats-Girlie-Porträt von Bettina Blümner mit einer wunderbar rotzigen Jasna Fritzi Bauer

 

und hier einen Bericht über den Film "Liebe Mich!" – charmantes Low-Budget-Beziehungsdrama um eine chaotische 20-Jährige von Philipp Eichholtz

 

und hier einen Bericht über den Film "Lollipop Monster" - originell bebildertes Coming-of-Age-Drama über eine Mädchen-Freundschaft mit nymphomaner Lolita von Ziska Riemann + Luci van Org.

 

Bevor sie die Schule schmeißt, freundet sie sich noch mit Ophelia (Mavie Hörbiger) an; die muss dort nach Suff am Steuer ein paar Stunden Sozialarbeit absolvieren. Die hysterische Jungschauspielerin irrlichtert auf der Überholspur zwischen Preisverleihungs-Gala und Heroin-Dröhnung herum, mit der begeisterten Mifti im Schlepptau. Falls sie nicht von ihrer lesbischen Affäre mit der androgynen Alice (Arly Jover) träumt; als Mifti diese Luxus-Dealerin wiedertrifft und ihre Beziehung fortsetzen will, geht das schief. Ansonsten passiert nicht viel.

 

Altbackene freak show

 

Sie habe das Innenleben ihrer Romanheldin nach außen kehren und in Handlung umsetzen wollen, erzählt Hegemann. Wenn es denn eine gäbe: In diesem beliebigen Episoden-Reigen wird nie plausibel, warum etwas passiert oder jemand plötzlich auftaucht und irgendwelche Satzbrocken ausspuckt. Mifti trudelt missmutig und orientierungslos durchs nächtliche Berlin; die Kamera trudelt mit und lichtet Belangloses ab. Da ist jeder dreiminütige music video clip fesselnder.

 

Den formlos ausfransenden Bildersalat hält allenfalls der Narzissmus seiner Macherin zusammen. Sie kann sich an ihrer alter ego-Hauptdarstellerin nicht satt sehen: Das Objektiv fängt Jasna Fritzi Bauer aus tausend Blickwinkeln ein, verharrt gefühlte Ewigkeiten auf ihrem Antlitz und registriert jede Zuckung. Selten hat eine Regisseurin ihre grenzenlose Selbstverliebtheit so offensiv ausgestellt wie Hegemann. Als Ausgleich dafür, dass sie nichts zu sagen hat: Diese freak show aus dauerkoksenden und -plappernden Kaputtniks, die sie über die Leinwand scheucht, passt zu keiner Jugendkultur – sie wirkt ungeheuer altbacken.