Jeff Nichols

Loving

Mildred Loving (Ruth Negga) und ihr Ehemann Richard Loving (Joel Edgerton). Fotoquelle: Universal Pictures International
(Kinostart 15.6.) Wenn Liebe legal wird: Regisseur Jeff Nichols erzählt die wahre Geschichte der Lovings, die wegen ihrer "Mischehe" verhaftet werden. 1967 gehen sie vor Gericht – und kippen das US-Gesetz: leises Bürgerrechts-Drama über zwei unfreiwillige Helden.

Die beiden US-Amerikaner Richard (Joel Edgerton) und Mildred Loving (Ruth Negga) werden im Januar 1959 zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Gefängnisstrafe können sie entgehen, wenn sie den Bundesstaat Virginia augenblicklich verlassen. Ferner müssen sie versprechen, sich in den nächsten 25 Jahren niemals gleichzeitig in Virginia sehen zu lassen.

 

Info

 

Loving

 

Regie: Jeff Nichols,

124 Min., USA 2017;

mit: Joel Edgerton, Ruth Negga, Marton Csokas

 

Website zum Film

 

Ihr Vergehen? Sie haben verschiedene Hautfarben und sind verheiratet: ein Verstoß gegen das „Rassenintegrationsgesetz“ von 1924, demzufolge ihre Ehe in 15 südlichen Staaten der USA strafbar ist. Neun lange Jahre dauert es, bis sich ihre Situation ändert. 1967 wird der Fall „Loving vs. Virginia“ am Obersten Gerichtshof verhandelt; ein Meilenstein der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

 

Versehentlich Geschichte schreiben

 

In „Loving“ erzählt Regisseur Jeff Nichols jenen historischen Fall. Der Film beruht zu großen Teilen auf der Dokumentation „The Loving Story“ (2011) von Nancy Buirski; sie verwendet darin Archiv-Aufnahmen von 1965. Damals hatte die TV-Senderkette „ABC“ das Paar porträtiert. Nichols nimmt sich viel Zeit, die Atmosphäre der damaligen Zeit einzufangen und dem Zuschauer das Leben der Beiden nahe zu bringen. Ihm gelingt ein intimes Porträt über ein Paar, dass eher versehentlich Geschichte schrieb.

Offizieller Filmtrailer


 

Unerlaubt verheiratet

 

Richard und Mildred sind jung und sehr naiv. Sie ist gerade 18 geworden, er ist Maurer und ein stiller Typ. Mildred ist schwanger; ihr Richard, der einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hat, möchte für seine Familie sorgen und Verantwortung übernehmen. Er liebt die junge Frau, sie liebt ihn, für beide ist die Sache klar. Trotzig und heimlich lassen sie sich im Bundesdistrikt Washington D. C. trauen. Doch nach ihrer Rückkehr wird das Paar verraten, verhaftet und angeklagt.

 

Fünf Tage verbringt die schwangere Mildred im Gefängnis, bevor der Richter ihre Kaution akzeptiert. Richard lässt alle Schikanen schweigend über sich ergehen. Er weiß weder, wie man mit der Obrigkeit spricht, noch kennt er seine Rechte. Nach der Verurteilung lebt das Paar gezwungenermaßen in Washington D.C. Hier ist die Mischehe nicht illegal, doch wirklich frei leben sie nicht. Sie vermissen ihre Familien und ihre Heimat, ertragen ihr Schicksal jedoch stoisch und gottergeben.  

 

Zufällige Helden

 

In einer Szene sitzt Mildred vor dem Fernseher und sieht, wie Martin Luther King jr. am 28. August 1963 seine berühmte „I have a dream“-Rede vor 250.000 Zuhörern am Capitol hält. Sie blickt aus dem Fenster, doch die umliegenden Gebäude sind zu hoch: Sie kann die Menschenmassen nur auf dem Bildschirm sehen. Mildred seufzt, schaltet den Fernseher aus und wendet sich wieder ihrer Hausarbeit zu.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Moonlight" – Coming-of-Age-Drama eines schwarzen Ghetto-Kid von Barry Jenkins, Oscar für den besten Film 2017

 

und hier einen Bericht über den Film "Selma" – Drama über Martin Luther King jr. + die US-Bürgerrechts-Bewegung von Ava Duvernay

 

und hier eine Besprechung des Films "Take Shelter – Ein Sturm zieht auf" – bildgewaltiger Katastrophen-Thriller von Jeff Nichols mit Michael Shannon.

 

Regisseur Nichols zeigt, dass die Lovings weder Aktivisten noch strahlenden Kämpfer waren. Sie sind zufällig zu Helden geworden, weil sie ihre eigene Situation verbessern wollten: Mildred schreibt 1963 einen Brief an Robert F. Kennedy, den damaligen Justizminister – es geht ihr schlicht um das Recht, im Staat Virginia leben zu dürfen. Der Brief gelangt zur Bürgerrechtsorganisation „American Civil Liberties Union“.

 

Zermürbend + wenig glanzvoll

 

Dort wittern zwei ehrgeizige Anwälte, Bernard Cohen und Philip Hirschkop, einen historischen Prozess, der die Vereinigten Staaten verändern könnte. Am 12. Juni 1967 findet die Gerichtsverhandlung statt. Der Rest ist Geschichte: Bis heute feiern nicht nur die rund 4,3 Millionen Paare unterschiedlicher Hautfarbe an diesem Tag in Amerika den „Loving-Day“.

 

Das Besondere am Film „Loving“ ist der ruhige, unaufgeregte Ton. Es gibt keine mitreißenden Reden und Pamphlete, keine überzeichneten Bösewichte und, trotz des Teilerfolges, kein glorreiches happy end. Regisseur Jeff Nichols ist klar, dass sich seit den 1960er Jahren zwar einiges getan hat, Rassismus in den USA aber immer noch zu spüren ist. Der Film hat einige Längen, doch er zeigt eindrucksvoll, dass der Weg zu einer legalen Ehe zermürbend und wenig glanzvoll war. Es braucht nicht immer die große Revolution, um den Lauf der Geschichte zu verändern.