Alexej Mizgirev

Der Duellist

Der professionelle Duellist Yakovlev (Pjotr Fjodorow) zieht Erkundigungen ein. Foto: Kinostar Filmverleih GmbH
(Kinostart: 6.7.) Stellvertreter-Schütze bei Ehrenhändel: Einen Ex-Offizier, der sich für Duelle anheuern lässt, jagt der russische Regisseur Alexej Mizgirev durch einen rasant-opulenten Abenteuerfilm voller Literatur-Referenzen im Petersburg von 1860.

Versuche, russische Kino-Großproduktionen auch deutschen Zuschauern schmackhaft zu machen, sind selten geworden. Und wenn sie gewagt werden, dann meist mit wenig Erfolg: Die in Russland sagenhaft populären fantasy-Epen „Wächter der Nacht“ (2004) und „Wächter des Tages“ (2006) liefen hierzulande nur in der DVD-Auswertung gut.

 

Info

 

Der Duellist

 

Regie: Alexej Mizgirev,

109 Min., Russland 2017;

mit: Pjotr Fjodorow, Martin Wuttke, Vladimir Maschkov, Julia Khlynina

 

Website zum Film

 

Scheinbar will das deutsche Publikum aus Russland allenfalls preisgekrönte Autorenfilme sehen, etwa „Leviathan“ (2014): Andrej Swjaginzews gnadenlose Abrechnung mit Rechtlosigkeit in Putins regime wurde beim Festival in Cannes für das beste Drehbuch prämiert. „Leviathan“-Produzent Alexander Rodnjanski zeichnet auch für „Der Duellist“ verantwortlich; Regie führte dabei Alexej Mizgirev.

 

Zwei vertraute Gesichter locken

 

Dieser klassische Abenteuerfilm im historischen Gewand will hiesige Zuschauer offenbar auch mit vertrauten Gesichtern anlocken: Mit Martin Wuttke und Nina Petri sind zwei deutsche Schauspieler mit von der Partie. Hauptfigur ist aber ein gewisser Yakovlev (Pjotr Fjodorow). Er bringt sein Offiziers-Dasein a.D. als professioneller Duell-Teilnehmer im Sankt Petersburg des Jahres 1860 zu.

Offizieller Filmtrailer


 

Geheimnisse eines Verbannten

 

Dabei fungiert er als treffsicherer Stellvertreter für all diejenigen, die sich nicht in der Lage fühlen, bei einem Duell persönlich anzutreten; das war damals in Russland erlaubt. Ein gutes Geschäft, das außer ihm selbst auch noch den windigen Baron Staroe (Martin Wuttke) mehr als auskömmlich ernährt. Insbesondere ein mysteriöser Auftraggeber bezahlt die beiden fürstlich – um ihm im Weg stehende Herren ohne indiskrete Nachfragen zu beseitigen.

 

Auch Yakovlev hat ein Geheimnis. Vor einigen Jahren fiel der junge Adlige einer Intrige zum Opfer: Er verlor seinen Titel, und er wurde in die Verbannung nach Sibirien geschickt, was eigentlich den sicheren Tod bedeutete. Doch er überlebte und kehrte mit falscher Identität nach Petersburg zurück. Als Yakovlev klar wird, dass sein alter Feind Graf Beklemischev (Vladimir Maschkov) hinter den ungleichen, fingierten Duellen steckt, schwört er Rache – selbst um den Preis, dass sein Identitätsschwindel dabei auffliegt. Inzwischen muss er nicht nur seine Ehre verteidigen, sondern auch seine Liebe zur jungen Fürstin Martha (Julia Khlynina); ihr stellt der Graf ebenfalls nach.

 

Zurück ins Petersburg von 1860

 

Selbst wenn es den Anschein hat: Diesem Film liegt kein bislang unbekannter Abenteuerroman aus dem 19. Jahrhundert zugrunde. Er beruht auf einer originären Geschichte von Regisseur Alexey Mizgirev, der zuvor mit eher kleinen, aber hochdramatischen Produktionen wie „Buben Baraben“ (2009) oder „Convoy“ (2012) auch international Beachtung fand.

 

Bei „Der Duellist“ verfügte Mizgirev zweifellos über ein wesentlich höheres budget. Gedreht wurde teils an Originalschauplätzen in Sankt Petersburg; etwa dem Winterpalast, in dem heute die Eremitage untergebracht ist. Andere sets wurden computertechnisch bearbeitet, um das Petersburg von 1860 wiedererstehen zu lassen. Dessen look erinnert manchmal an die „Sherlock Holmes“-Filme von Guy Ritchie, verströmt aber dennoch den gewissen Reiz eines großen Historien-Epos‘.

 

Potpourri der Klassiker-Motive

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Leviathan" – fesselnde Tragödie über Rechtlosigkeit in Russland unter Putin von Andrej Swjaginzew

 

und hier einen Bericht über den Film "Anna Karenina" von Joe Wright mit Keira Knightley nach dem Klassiker von Leo Tolstoi

 

und hier eine Besprechung des Films "Große Erwartungen" – Verfilmung des Romans von Charles Dickens durch Mike Newell mit Jeremy Irvine + Ralph Fiennes

 

und hier einen Beitrag über den Film "Les Miserables" - opulente Musical-Verfilmung von Tom Hooper nach dem Roman-Klassiker von Victor Hugo.

 

Wie die ganze Handlung: Mizgirev rührt Elemente von nahezu allen wichtigen Klassikern der Abenteuerliteratur im 19. Jahrhundert hinein. Eine Prise Alexandre Dumas ist dabei, ein wenig Leo Tolstoi, aber auch Iwan Turgenjew oder Alexander Puschkin, der ja 1837 selbst einer Duell-Intrige zum Opfer fiel. Belesene Literatur-fans werden bei diesem Film am munteren Motive-Raten ihre Freude haben.

 

Darüber hinaus enthält der Film alles, was einen echten historischen Abenteuerfilm ausmacht: einen gut aussehenden, aber gebrochenen Helden, verzwickte Intrigen, schöne Frauen und exotische Schauplätze – der junge Held wird als Schiffbrüchiger an die Gestade der sibirischen See gespült und dort von einem schamanischen Naturvolk wieder aufgepäppelt. Dazu bietet Regisseur  Mizgirev prachtvolle Kostüme auf, sorgfältig rekonstruierte Stadtansichten und schön morbide interieurs, in denen jederzeit diverse Dostojewski-Figuren auftauchen könnten.

 

Gut gemachte Räuberpistole

 

All das macht deutlich, dass dieser Film auf ein internationales Publikum abzielt, das sich zumindest ein wenig in klassischer russischer Literatur auskennt. Ihrer untergegangenen Welt bleibt der Film durchgängig verhaftet. Da es bei russischer Kunst üblich ist, in ihren Werken nach versteckten Gegenwarts-Bezügen zu suchen, könnte man die Ränke des sinistren Grafen, der keine Widerworte duldet, als Anspielung auf die Arroganz der heutigen Machthaber interpretieren. Man kann sich von der gut gemachten Räuberpistole aber auch einfach nur gut unterhalten lassen.