Bonn

Iran: Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste + Der Persische Garten

Zitadelle der antiken Stadt Bam - aufgenommen im Oktober 2003, sechs Wochen vor dem verheerenden Erdbeben vom 26. 12. 2003. Provinz Kerman, Südostiran. Foto: © Barbara Helwing, Fotoquelle: Bundeskunsthalle, Bonn
Zwischen Wiege der Menschheit und Fachchinesisch: Mit erlesenen Exponaten stellt die Bundeskunsthalle etliche prähistorische Kulturen im Iran vor – und verliert sich im Dickicht der Fundstätten. Eine Freiluft-Nebenschau zur Gartenkunst bietet kaum Erholung.

In Bonn gelingt, was in Berlin gescheitert ist: gemeinsam mit iranischen Museen eine Ausstellung auf die Beine zu stellen. Wobei der Vergleich hinkt: Die Berliner Nationalgalerie wollte von Dezember bis Februar Werke aus dem „Teheran Museum für zeitgenössische Kunst“ zeigen. Dessen Sammlung war in den 1960/70er Jahren unter dem heute verfemten Schah Reza Pahlevi aufgebaut worden. Ein offenbar heikles Vorhaben; Teheran ließ es kurz vor Beginn ohne Angabe von Gründen platzen.

 

Info

 

Iran: Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste

 

13.04.2017 - 20.08.2017

 

Der Persische Garten - Die Erfindung des Paradieses

 

13.04.2017 - 15.08.2017

dienstags + mittwochs

10 bis 21 Uhr,

donnerstags bis sonntags

10 bis 19 Uhr

in der Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4, Bonn

 

Katalog 35 €

 

Weiter Informationen

 

Dagegen präsentiert die Bonner Bundeskunsthalle nun Leihgaben des Iranischen Nationalmuseums aus entlegener Vorzeit. Alle stammen aus den Jahrtausenden zwischen der Jungsteinzeit um 7000 v. Chr. und der Entstehung des ersten persischen Großreichs. 550 v. Chr. gründete Kyros II. das Achämenidenreich – Europäer kennen es vor allem als Kriegsgegner der antiken Griechen.

 

400 Objekte aus dem Arier-Land

 

Diese enorme Zeitspanne, in der etliche Völker und Herrschaftsgebiete einander abwechselten, macht die Region zwischen Persischem Golf und Kaspischem Meer zu einem der ältesten Kulturräume der Welt: für heutige Iraner eine Quelle ihres Nationalstolzes. Schon die Umbenennung des früheren Persien 1935, durchaus inspiriert vom Dritten Reich, sollte diese lange Tradition betonen: Iran bedeutet wörtlich „Land der Arier“. Da verwundert nicht, dass das Nationalmuseum umstandslos 400 wertvolle Stücke nach Bonn schickt; bereits 2001 war hier und in Wien die Schau „7000 Jahre persische Kunst“ mit 180 Objekten zu sehen.

 

Jedes Schulkind weiß, dass im Zweistromland zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris – also im heutigen Irak – eine der Wiegen der Menschheit stand. Kaum bekannt ist jedoch, dass dies genauso für das benachbarte iranische Hochland gilt. Die natürlichen Voraussetzungen waren günstig: Regenreiche Hänge und fruchtbare Täler der Gebirgsketten Elbrus im Norden und Zagros im Südwesten erlaubten intensive Landwirtschaft; zugleich schirmten sie das Landesinnere gegen feindliche Eindringlinge weitgehend ab.

Impressionen der Ausstellung


 

Von Rollsiegeln auf Städtebau schließen

 

Daher haben archäologische Ausgrabungen in allen Landesteilen Funde zutage gefördert, die eine praktisch lückenlose Rekonstruktion der menschlichen Besiedelung seit Ende der letzten Eiszeit erlauben. Oft stehen Paläontologen vor dem Problem, dass ihre Forschungsgegenstände optisch nicht viel her geben: Vitrinen voller Pfeilspitzen und Gebrauchskeramik beeindrucken wenig.

 

Das wird in dieser Schau gut gelöst: Diverse Computer-Simulationen und Film-Projektionen machen unscheinbare Dinge lebendig. So wird anschaulich vorgeführt, dass sich von kleinen Rollsiegeln aus Ton darauf schließen lässt, wie vor mehr als 5000 Jahren die Lehmbauten-Stadt Tschogha Misch im heutigen Südwest-Iran ausgesehen hat.

 

Skorpion-Mann als Speckstein-Spielbrett

 

Wobei die Kuratoren auch mit eindrucksvollen Blickfängen aufwarten können. Etwa einem ensemble verschwenderisch verzierter Chlorit-Gefäße, die bei Raubgrabungen nahe der Stadt Dschiroft im Südost-Iran gefunden und 2001 von den Behörden sichergestellt wurden; seither wird diese Stätte systematisch freigelegt.

 

Der schwarzgrün schimmernde Speckstein lässt sich so leicht bearbeiten wie Holz. Künstler im 3. Jahrtausend v. Chr. gaben ihm erstaunlich kühne Formen: Schlanke Gefäße sind mit expressiv verschlungenen Tierformen bedeckt; andere haben die Umrisse von Häusern mit dichtem geometrischen Dekor. Sogar zwei Spielbretter in Form eines Greifvogels und eines Skorpion-Mannes sind zu sehen – angesichts ihrer perfekt erhaltenen Oberflächen mag man kaum glauben, dass sie mehr als 4000 Jahre alt sind.

 

Geschichts-Abriss als Alibi-Feigenblatt

 

Nun gibt es unzählige prähistorische Fundstätten im Iran – und die Ausstellung hat leider den Ehrgeiz, fast zwei Dutzend von ihnen einzeln vorzustellen. Mit paradoxem Resultat: Je näher die betrachtete Periode an die Gegenwart rückt und je mehr über sie bekannt ist, desto unübersichtlicher wird die Darstellung.

 

Anstatt die Epochen der Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit im Iran in großen Linien aufzubereiten und mit ausgesuchten Exponaten einzelne Aspekt zu belegen, verliert sich die Schau im Kleinklein von Zuschreibungs- und Datierungsfragen. Da hilft auch am Eingang ein animierter Geschichts-Abriss im Schnellgalopp wenig: Er wirkt wie ein Alibi-Feigenblatt zum Auftakt, damit die Macher anschließend ihrem selbstverliebten Spezialistentum frönen können.

 

Historische Tiefendimension ignoriert

 

Wer sich Aufschluss vom Katalog erhofft, wird ebenso enttäuscht: Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind die meisten Beiträge, da mit Details und Fachchinesisch überfrachtet, für Laien nahezu unverständlich. Diese Arroganz der Akteure um Kuratorin Barbara Helwing, die offensichtlich nur Experten-Zirkel im Blick hat, wirkt doppelt ärgerlich. Schließlich ist der heutige Iran nicht nur ein Eldorado für Archäologen, sondern auch eine schiitische Großmacht mit expansiver Außenpolitik. Deren historische Tiefendimension ließe sich hier einem breiten Publikum vor Augen führen – doch diese Chance wird leichtfertig vertan.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Uruk: 5000 Jahre Megacity" über eine der ältesten Kulturen im Zweistromland in Berlin + Herne

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Gandhāra" zur antiken graeco-indischen Mischkultur im heutigen Afghanistan im Museum DKM, Duisburg

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Im Licht von Amarna - 100 Jahre Fund der Nofretete" über das altägyptische Reich von Echnaton im Neuen Museum, Berlin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Roads of Arabia" mit archäologischen Schätzen aus Saudi-Arabien im Pergamonmuseum, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf" über rätselhafte 3000 Jahre alte Monumente aus Syrien im Pergamonmuseum, Berlin.

 

So bleibt es beim Augenschmaus, teils aus deutlich späterer Zeit: etwa goldenen Bechern aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. mit unfassbar filigraner Treibarbeit. Oder Trinkgefäßen in Form von Schnabelkannen oder stilisierten Rindern, deren exzentrische Gestaltung ihresgleichen sucht. Oder Silberschalen und -scheiben aus derselben Zeit, deren Relief-Fabelwesen mit feinsten Beispielen des Hellenismus konkurrieren können.

 

Schlüssel zur Keilschrift-Entzifferung

 

Erst kurz vor Schluss schafft es die Schau, mit einem Kurzfilm über das Relief von Bisotun ästhetischen Genuss und inhaltlichen Anspruch wieder miteinander zu verbinden. Der persische König Dareios I. ließ das Relief um 520 v. Chr. in eine Felswand im Westiran meißeln.

 

Abgebildet wird, wie der Monarch über seine Feinde triumphiert; die Inschrift ist dreisprachig in Elamisch, Neubabylonisch und Altpersisch abgefasst. Da Letzteres bekannt war, ließ sich erstmals auch Keilschrift entziffern. Dadurch wurde dieses Monument ähnlich bedeutsam wie der Rosetta-Stein im British Museum für die Entschlüsselung ägyptischer Hieroglyphen.

 

Beutelschneiderei mit Beeten

 

Dagegen vermittelt die Begleitausstellung „Der Persische Garten“ nur eine schwache Ahnung vom üppigen Reichtum orientalischer Naturgestaltung – und gewiss keine von der „Erfindung des Paradieses“, wie der Untertitel vollmundig lautet.

 

In den Vorjahren, etwa 2013 zur Kleopatra- und 2016 zur Fürst-Pückler-Ausstellung, hatte die Bundeskunsthalle noch ihr gesamtes Dach passend bepflanzt; diesmal muss ein überschaubarer Pavillon im Vorhof dafür herhalten. Bei happigem Zusatz-Eintritt erscheinen mickrige Beete und müde plätschernde Fontänen nur wie Beutelschneiderei.