Nguyen, Barnes, Neergaard-Holm

David Lynch: The Art Life

David Lynch mit Zigarette. Foto: NFP marketing & distribution
(Kinostart: 31.8.) Porträt des Filmemachers als junger Maler: Diese Doku über David Lynch verfolgt seinen Werdegang vom bildenden Künstler zum berühmten Regisseur – mit Einblicken in biografische Hintergründe des Meisters suggestiver Horror-Szenarien.

David Lynch wurde mit Filmen wie „Eraserhead“ (1977), „Der Elefantenmensch“ (1980) und „Blue Velvet“ (1986) berühmt. Doch es war nie ein Geheimnis, dass seine Wurzeln und seine Leidenschaft in der Malerei liegen. Tatsächlich erinnern seine Filmbilder immer wieder an animierte Gemälde: der Umgang mit Licht und Schatten in „Lost Highway“ (1997) oder der Kontrast zwischen Dunkelheit und greller Farbigkeit in „Wild At Heart“ (1990) verraten einiges über den Handwerker Lynch. Die Filmleinwand und die zu bemalende Leinwand – in Lynchs Werk sind sie das Gleiche.

 

Info

 

David Lynch: The Art Life

 

Regie: Jon Nguyen, Rick Barnes + Olivia Neergaard-Holm;

90 Min. USA/ Dänemark 2016;

mit: David Lynch

 

Website zum Film

 

Die Doku „The Art Life“ des Regie-Trios Jon Nguyen, Olivia Neergaard-Holm und Rick Barnes erinnert an diese Beziehung. Die Kamera zeigt Lynch in seinem Atelier, bei der Arbeit an Bildern, mit seiner Tochter oder einfach im Sessel sitzend, rauchend, nachdenkend, und vor dem Mikrofon: Seine Stimme ist die einzige, die im Film zu hören ist. Illustriert mit Archivaufnahmen aus dem Familienalbum und eigenen, oft düsteren Malereien, entsteht eine Art Biografie: von der weitgehend unbeschwerten Jugend über die Entdeckung jener anderen Welt, die er selbst die „Art World“ nennt. Eine Welt, in der es möglich war, nach Herzenslust weitere Welten hervorzubringen.

 

Ist Lynch glücklich?

 

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Studienabbrecher mit einem Stipendium seine ersten Filme realisieren konnte – in seinen Worten ein Moment vollkommenen Glücks. Müssen wir uns den jungen David also als glücklichen Menschen vorstellen? Das Entsetzen und die Schockwirkung, die seine ersten Filme auslösten, entstanden aus seiner radikalen, durchaus aggressiven Bildsprache. Oft ging es um innere und äußere Deformationen, psychische und physische Gewalt, um die Flucht vor sich selbst und leere Räume voller Schrecken.

Offizieller Filmtrailer


 

Wilde Echos

 

Diese schrillen Zeichen hat der Filmkritiker Georg Seeßlen in seinem Buch „David Lynch und seine Filme“ (2007) mithilfe des Begriffs der „magischen Biografie“ eines Autors zu entschlüsseln versucht. Er meint die Verknüpfung jener Spuren, die auf prägende Kindheitserlebnisse zurückzuführen sind – etwa die einer nackten Frau auf einer Straße, die auf die nackte Isabella Rossellini in „Wild at Heart“ verweisen. Oder die in seinen Filmen gerne aus dem Dunkel der Nacht ins Off rasenden Mittelstreifen auf dem Asphalt; Lynchs Emblem für Bewegung und Flucht, aber auch rasenden Stillstand.

 

Eine Pointe dieses Dokumentarfilms ist, dass Lynch – indem er die Geschichten hinter einigen von ihnen erzählt – solche autobiografischen Schlüsselmomente zugleich entzaubert und mythologisiert. Sein Werk zeigt, wie solche Augenblicke in der Imagination eines Kindes und eines kreativen Geistes ihr Eigenleben entwickeln können. Wer nur mit den visuellen Echos in Lynchs Filmen vertraut ist, bekommt hier vorgeführt, wie sie sich auch in Lynchs statischen Bilderwelten Bahn brechen.

 

Der zornigste Hund der Welt

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier einen Beitrag über die "Berlin Art Week 2013: art berlin contemporary" - abc-Kunstmesse mit Werken von David Lynch in Berlin

 

und hier eine Rezension der Ausstellung "Gehorsam" mit zahlreichen Film-Installationen von Regisseur Peter Greenaway im Jüdischen Museum, Berlin

 

und hier eine Besprechung des Films "Tomorrow is always too long" - Musical-Doku-Filmcollage über die Abgründe des Gewöhnlichen vom Künstler Phil Collins.

 

Wiederkehrende Elemente sind der Junge mit unglaublich langen Armen im Ringelhemd, ein roter cartoon-Handschuh, porzellanweiße weibliche Torsi, und immer wieder grelles Rot, tiefes Schwarz oder strahlendes Weiß vor düster monochromen, aber prägnant texturierten Flächen. Viele Bilder sind rein schwarzweiß, andere enthalten handschriftliche Kommentare oder Titel.

 

Auch Lynchs cartoon-Figur „The Angriest Dog in the World“ ist als Gemälde verewigt. Leider erlaubt der schlaglichtartige Filmschnitt nur selten, bei der Bildansicht zu verweilen, geschweige denn, die undatierten Exponate historisch einzuordnen. Auch dies ist ein hübscher, medial produktiver Widerspruch: Die Bilder werden vom Rhythmus des Films aufgesogen und schließlich selbst zu Filmbildern.

 

Einfach nur rauchen

 

Dagegen stehen lange, retardierende Momente; etwa, wenn Lynch schweigt, gewissenhaft werkelt oder einfach nur raucht. Kinofreunde müssen sich mit verwackelten Impressionen von seinen ersten Kurzfilmdrehs und den Dreharbeiten von „Eraserhead“ begnügen. Aber der Streifzug durch das malerische Werk des Regisseurs entschädigt sie reichlich.