
David Lynch wurde mit Filmen wie „Eraserhead“ (1977), „Der Elefantenmensch“ (1980) und „Blue Velvet“ (1986) berühmt. Doch es war nie ein Geheimnis, dass seine Wurzeln und seine Leidenschaft in der Malerei liegen. Tatsächlich erinnern seine Filmbilder immer wieder an animierte Gemälde: der Umgang mit Licht und Schatten in „Lost Highway“ (1997) oder der Kontrast zwischen Dunkelheit und greller Farbigkeit in „Wild At Heart“ (1990) verraten einiges über den Handwerker Lynch. Die Filmleinwand und die zu bemalende Leinwand – in Lynchs Werk sind sie das Gleiche.
Info
David Lynch: The Art Life
Regie: Jon Nguyen, Rick Barnes + Olivia Neergaard-Holm;
90 Min. USA/ Dänemark 2016;
mit: David Lynch
Ist Lynch glücklich?
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Studienabbrecher mit einem Stipendium seine ersten Filme realisieren konnte – in seinen Worten ein Moment vollkommenen Glücks. Müssen wir uns den jungen David also als glücklichen Menschen vorstellen? Das Entsetzen und die Schockwirkung, die seine ersten Filme auslösten, entstanden aus seiner radikalen, durchaus aggressiven Bildsprache. Oft ging es um innere und äußere Deformationen, psychische und physische Gewalt, um die Flucht vor sich selbst und leere Räume voller Schrecken.
Offizieller Filmtrailer
Wilde Echos
Diese schrillen Zeichen hat der Filmkritiker Georg Seeßlen in seinem Buch „David Lynch und seine Filme“ (2007) mithilfe des Begriffs der „magischen Biografie“ eines Autors zu entschlüsseln versucht. Er meint die Verknüpfung jener Spuren, die auf prägende Kindheitserlebnisse zurückzuführen sind – etwa die einer nackten Frau auf einer Straße, die auf die nackte Isabella Rossellini in „Wild at Heart“ verweisen. Oder die in seinen Filmen gerne aus dem Dunkel der Nacht ins Off rasenden Mittelstreifen auf dem Asphalt; Lynchs Emblem für Bewegung und Flucht, aber auch rasenden Stillstand.
Eine Pointe dieses Dokumentarfilms ist, dass Lynch – indem er die Geschichten hinter einigen von ihnen erzählt – solche autobiografischen Schlüsselmomente zugleich entzaubert und mythologisiert. Sein Werk zeigt, wie solche Augenblicke in der Imagination eines Kindes und eines kreativen Geistes ihr Eigenleben entwickeln können. Wer nur mit den visuellen Echos in Lynchs Filmen vertraut ist, bekommt hier vorgeführt, wie sie sich auch in Lynchs statischen Bilderwelten Bahn brechen.
Der zornigste Hund der Welt
Hintergrund
Lesen Sie hier einen Beitrag über die "Berlin Art Week 2013: art berlin contemporary" - abc-Kunstmesse mit Werken von David Lynch in Berlin
und hier eine Rezension der Ausstellung "Gehorsam" mit zahlreichen Film-Installationen von Regisseur Peter Greenaway im Jüdischen Museum, Berlin
und hier eine Besprechung des Films "Tomorrow is always too long" - Musical-Doku-Filmcollage über die Abgründe des Gewöhnlichen vom Künstler Phil Collins.
Auch Lynchs cartoon-Figur „The Angriest Dog in the World“ ist als Gemälde verewigt. Leider erlaubt der schlaglichtartige Filmschnitt nur selten, bei der Bildansicht zu verweilen, geschweige denn, die undatierten Exponate historisch einzuordnen. Auch dies ist ein hübscher, medial produktiver Widerspruch: Die Bilder werden vom Rhythmus des Films aufgesogen und schließlich selbst zu Filmbildern.
Einfach nur rauchen
Dagegen stehen lange, retardierende Momente; etwa, wenn Lynch schweigt, gewissenhaft werkelt oder einfach nur raucht. Kinofreunde müssen sich mit verwackelten Impressionen von seinen ersten Kurzfilmdrehs und den Dreharbeiten von „Eraserhead“ begnügen. Aber der Streifzug durch das malerische Werk des Regisseurs entschädigt sie reichlich.