Das 17. Jahrhundert war das „Goldene Zeitalter“ der Niederlande: Sie erlebten durch den Handel mit Kolonialwaren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Der neue Reichtum ließen das Kunsthandwerk und extravagante Sammelleidenschaften aufblühen. Besonders begehrt waren Tulpen: In den 1630er Jahren brach eine regelrechte Tulpenmanie aus. Diese Blumen waren Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Osmanischen Reich eingeführt worden.
Info
Tulpenfieber
Regie: Justin Chadwick,
107 Min., USA/ Großbritannien 2017;
mit: Dane DeHaan, Alicia Vikander, Christoph Waltz
Nach Roman von Deborah Moggach
In „Tulpenfieber“ erzählt Regisseur Justin Chadwick von dieser abenteuerlichen Zeit; über die historischen Hintergründe informiert eine Erzählerin aus dem Off. Als Vorlage dient der Roman „Tulip Fever“ (1999) von Deborah Moggach: Sie verwebt reale Ereignisse mit zwei fiktiven Liebesgeschichten, deren Dramatik und Wucht an Theater-Tragödien erinnern. Ein Film mit großem Schauwert, der sich allerdings nicht recht entscheiden kann, welches Genre er eigentlich bedienen möchte.
Offizieller Filmtrailer
Glänzen + schwanger werden
Um einen Stammhalter zu bekommen, heiratet der reiche Gewürzhändler Cornelius Sandvoort (Christoph Waltz) die blutjunge Sophia (Alicia Vikander): Dafür kauft er sie der Äbtissin eines klösterlichen Waisenhauses ab. Die Äbtissin (Judi Dench) züchtet im Klostergarten Tulpen und handelt erfolgreich mit den begehrten Blumen. Sophia hat von nun an nur noch zwei Aufgaben: repräsentativ an Sandvoorts Seite in Samt und Seide glänzen – und schwanger werden.
Die junge Frau, dankbar für ihren sozialen Aufstieg, fügt sich in ihre unglückliche Ehe. Sie findet in ihrer Magd Maria (Holliday Grainger) eine ungleiche Freundin, die ihr das Leben in dem großen Grachten-Haus erträglich macht. Maria ist ein völlig anderer Charakter als die schüchterne und brave Sophia: Sie ist laut, leidenschaftlich und unvernünftig. Ihre große Liebe ist ein Fischhändler, mit dem sie süße Zukunftspläne schmiedet.
Wie bei Vermeer + Rembrandt
Für dieses Historienbild hat Regisseur Chadwick seinen Film üppig und sinnlich ausstattet. Opulente Mahlzeiten im feinen Grachten-Haus oder das derbe Leben von Händlern und Marktschreiern in den Straßen von Amsterdam sind in warmes Licht getaucht. So ähneln etliche Szenen berühmten Gemälden des 17. Jahrhunderts, etwa von Jan Vermeer oder Rembrandt.
Hintergrund
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Uneheliches Kind zu vergeben
Jan van Loos (Dane DeHaan) ist allerdings nur ein armer junger Künstler, der die Schönheit von Sophia auf Leinwand bannen soll. Hals über Kopf verlieben sich die Beiden und beginnen eine stürmische Affäre. Doch Sophia wird, trotz Liebhaber und dem allabendlich tapfer ertragenen ehelichen Beischlaf, einfach nicht schwanger. Ganz anders Maria: Durch ein tragisches Missverständnis wird sie von ihrem Fischhändler verlassen – ein uneheliches Kind würde Elend und Verderben bedeuten.
Also hecken Herrin und Magd einen raffinierten, aber perfiden Plan zum beiderseitigen Nutzen aus: Wenn er aufginge, hätte Sandvoort endlich seinen Erben und Sophia ihren Jan. Der Maler wird eingeweiht und steigt in den Tulpenhandel ein, um das nötige Geld zu beschaffen und mit seiner Geliebten in die Neue Welt auszuwandern. Beraten von der Äbtissin, setzt er ausgerechnet im Jahr 1637 alles auf eine Karte.
Tulpenhandel wird Kulisse
Zwar gelingt es Regisseur Chadwick, die raffinierte Grundidee immer stärker zu verdichten. Doch das Drehbuch will zu viel auf einmal. Mit zu vielen Themen und Personen schwankt der Film zwischen Wirtschaftskrimi, Liebesfilm, Kostümdrama, Komödie und Historienschinken hin und her – was zu einigen Längen führt. Dadurch geraten ausgerechnet die Praktiken im Tulpenhandel zur reinen Kulisse. So bleibt „Tulpenfieber“ ein visuell ansprechendes Liebesdrama, das sich den Anschein eines Historienfilmes gibt.