Reto Caduff + Stephan Plank

Conny Plank – The Potential of Noise

Conny Plank. Foto: Edition Salzgeber
(Kinostart: 28.9.) Als der Weltgeist der Rockmusik südlich von Köln wohnte: Conny Plank war einer der einflussreichsten Musikproduzenten der 1970/80er Jahre. Die Doku seines Sohnes Stephan beschwört wortreich den Mythos, erklärt ihn aber kaum.

Auch Popkultur lebt von Mythen: Sie ordnen die chaotische Vielfalt von Informationen zur sinnstiftenden Erzählung. Die erweist sich oft als recht langlebig – auch wenn ihr eigentlicher Gegenstand schon etwas verblasst ist. Ein solcher Fall ist der des Musikproduzenten Conny Plank; er starb bereits 1987 im Alter von nur 47 Jahren an Krebs. Dennoch lebt sein Ruhm unter Musikfans bis heute fort: Plank gilt als Miterfinder und -vollender des Krautrock- und frühen Elektronik-sounds der 1970er Jahre.

 

Info

 

Conny Plank – The Potential of Noise

 

Regie: Reto Caduff + Stephan Plank,

92 Min., Deutschland 2017;

 

Website zum Film

 

Diesen Mythos wärmt der Dokumentarfilm „Conny Plank – The Potential of Noise“ wieder auf, indem er an den Produzenten von Krautrock-bands wie „Can“ und „Neu!“ und Elektro-Pionieren wie „Kraftwerk“ erinnert. Später kamen Synthiepop-Größen wie „Ultravox“ oder das Duo „Eurythmics“ hinzu. Aus seinem unsichtbaren Tüftler-Dasein in seinem privaten Tonstudio südlich von Köln möchte ihn sein Sohn Stephan Plank herausholen; sein Regiedebüt hat er gemeinsam mit dem Schweizer Filmemacher Reto Caduff realisiert.

 

Der Stoff, aus dem Helden sind

 

Stephan war 13 Jahre alt, als sein Vater starb. Nun versucht er mit seiner filmischen Spurensuche laut eigenen Worten „den Conny Plank kennenzulernen, den ich nie kennenlernen konnte.“ Aus Interviews mit Freunden und Weggefährten konstruiert er als Sprecher und zentraler Protagonist einen Stoff, aus dem Heldengeschichten sind.

Offizieller Filmtrailer


 

Musik-Leistung unter Anekdoten begraben

 

Angefangen mit dem Klischee des einfachen Mannes von nebenan, 1940 geboren, der sich zum Genie mausert: durch die Ausbildung zum Elektrotechniker, dann zum Tonmeister beim Rundfunk. Nach Begegnungen mit E-Musik-Avantgardisten wie dem Komponisten Karl Heinz Stockhausen oder Mauricio Kagel und diversen Stationen richtet er 1974 auf einem alten Bauernhof in der rheinischen Provinz sein eigenes Tonstudio ein. Dort gehen schon bald nationale und internationale stars ein und aus: von „DAF“ und „Ideal“ bis zu Brian Eno und Gianna Nannini.

 

Um zu berichten, wie es zuging bei Conny, den sie alle kumpelhaft so nennen, wird eine Armee aus talking heads aufgefahren. Sohn Stephan, der ständig in irgendwelchen Taxis, Flugzeugen oder Zügen abgelichtet wird, lässt sie schwadronieren. Das ist mal mehr, öfter aber weniger interessant – weil Planks wirkliche musikalische Größe unter Anekdoten begraben wird.

 

Blumig begründungsloses Lob

 

Da kann David Stewart von den „Eurythmics“, der mit Hut, Sonnenbrille und Weinglas in seiner Luxuswohnung den unterkühlten Dandy mimt, noch so viel schwafeln. Da kann Robert Görl von „DAF“ – der Plank bis heute dankbar ist, weil er ihr Debütalbum in nur drei Tagen zum Schnäppchenpreis produzierte und dem Duo obendrein einen Plattenvertrag verschaffte – noch so viel schwärmen. Da können sich alle anderen noch so einig sein über sein Talent, jede Musik mit dem gewissen Etwas anzureichern: dieser refrain des blumig begründungslosen Lobes ermüdet so schnell wie die Reiseszenen und die sprechenden Köpfe.

 

Warum „Produced by Conny Plank“ ab Mitte der 1970er Jahre zur chiffre für einen neuen, frischen sound wurde, der seiner Zeit stets voraus war, bleibt im Vagen. Genauso wie die künstlerischen Motive des Mannes mit langen Haaren und perfekt gestutztem Vollbart. Wirklich Interessantes wird nur gestreift. Etwa, wenn der britische Musikjournalist David Stubbs einmal von den historischen Entstehungs-Umständen von Krautrock spricht; also jenem Musikstil, dessen Pate Conny wurde – und der im Ausland wesentlich berühmter war als im Land seiner Herkunft.

 

Zwangsjacke der song-strukturen abgestreift

 

Hintergrund

 

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Stubbs begreift ihn als soundtrack eines radikalen kulturellen Aufbruchs durch Abschütteln der Nachkriegsgeschichte; dieser Stil sollte eine neue, bessere, friedlichere Zukunft einläuten. Dabei war Planks Klanggestaltung revolutionär: Sie befreite nicht nur deutsche Rockmusik aus den Zwangsjacken einschlägiger song-Strukturen, sondern auch ihr Entstehungsland vom Ruch einer Spießer-Gesellschaft mit NS-Vergangenheit.

 

Dass sich der Querdenker-Produzent dessen durchaus bewusst war, wird angedeutet, wenn er in Archivmaterial selbst spricht: Etwa in einem TV-Interview, in dem er erläutert, warum er die schon damals berühmte irische Band „U2“ ablehnte – ihre Erfolgsgier war ihm zuwider. Oder er erklärt, dass Geld für ihn nur ein durchlaufender Posten sei: so „wie die laufenden Bänder im Studio“. Zwei aufschlussreiche Fundstücke, die diese durchschnittliche Doku vor der völligen Belanglosigkeit retten. Ein echter fauxpas ist aber, dass die Musik, um die sich alles dreht, nur als Klangbett im Hintergrund herumdudelt – ohne dass man erführe, was genau zu hören ist.

 

Papa was a workoholic

 

Befremdlich ist auch, dass der Film leicht verbittert endet. So erzählt Holger Czukay, vor kurzem verstorbener Bassist von „Can“, dem etwas verdutzt wirkenden Stephan, dass sich Conny damals kaum um seinen Sohn gekümmert habe. Dass jene Besessenheit, mit der Conny täglich viele Stunden vor dem Mischpult saß, zulasten seiner Familie ging, ist traurig – aber nichts, was die Planks von vielen anderen Familien unterschiede. So endet „The Potential of Noise“ als Doku väterlicher Versäumnisse – anstelle der Größe eines Mannes gerecht zu werden, der die Musik des späten 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt hat.