Rachel Weisz

Meine Cousine Rachel

Tee trinken und abwarten: Rachel (Rachel Weisz) und Philip (Sam Claflin) sind auf komplizierte Weise einander verbunden. Foto: © 2017 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 7.9.) Romantik kann so schön düster sein: Roger Michells Neuverfilmung eines Mystery-Thrillers von Daphne du Maurier lässt eine machthungrige Witwe den Erben ihres verstorbenen Gatten verführen – ein sehr englisches Drama über Fallstricke der Libido.

Wenn sich im klassischen Hollywood-Studiosystem Produzenten auf die Suche nach literarischen Vorlagen für neue Filme machten, bedienten sie sich gern bei bestsellers der Unterhaltungsliteratur: Die richteten sich an jenes Massenpublikum, das sie auch anpeilten. So wurden auch Romane und Kurzgeschichten der britischen Schriftstellerin Daphne du Maurier (1907-1989) über melodramatische Frauenschicksale in düsteren Herrenhäusern von Cornwall zu Favoriten der Filmemacher.

 

Info

 

Meine Cousine Rachel

 

Regie: Roger Michell,

96 Min., USA 2017;

mit: Rachel Weisz, Sam Claflin, Iain Glen

 

Website zum Film

 

Der Regisseur Alfred Hitchcock drehte mit „Jamaica Inn“ (1939), „Rebecca“ (1940) und „The Birds“ (1963) gleich drei Filme nach Vorlagen von du Maurier. Ihre historische Piratenromanze „Frenchman’s Creek“ (1944) wurde ebenso erfolgreich verfilmt wie die Kurzgeschichte „Don’t Look Now“ (1973) von Regisseur Nicolas Roeg, in Deutschland bekannt als Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Literaturkritiker warfen der Autorin sogar vor, sie würde ihre Geschichten von vornherein mit Blick auf ihre leichte Verfilmbarkeit konzipieren.

 

Frauenschicksal aus Mann-Perspektive

 

Mit dem 1951 veröffentlichten Roman „Meine Cousine Rachel“, der bereits ein Jahr später von US-Regisseur Henry Koster verfilmt wurde, hat sich der südafrikanische Regisseur Roger Michell erneut eines typischen Du-Maurier-Stoffes angenommen. Er handelt von einem Frauenschicksal im ländlichen England des ausgehenden 19. Jahrhunderts, allerdings aus männlicher Perspektive erzählt. Der 24-jährige Philip (Sam Claflin) ist als Waise auf dem Landsitz seines Cousins Ambrose aufgewachsen.

Offizieller Filmtrailer


 

Die Farben verdüstern

 

Ambrose musste die letzten Jahre allerdings auf Anraten der Ärzte im milden Klima Italiens verbringen; dort hat er seine entfernte Verwandte Rachel (Rachel Weisz) lieben gelernt und geheiratet. Schildert Ambrose seine große Liebe anfangs in glühenden Farben, werden seine Briefe an Philip bald immer düsterer. Schließlich behauptet er, Rachel trachte ihm nach dem Leben. Wenig später ist Ambrose tot; angeblich starb er an einem Hirntumor.

 

Erbe des Vermögens ist allerdings nicht Rachel, sondern Philip. Als Rachel ihren Besuch auf dem Landsitz in Cornwall ankündigt, ist Philip wütend und verstört zugleich. Kommt hier eine „Schwarze Witwe“ auf ihn zu, die ihn skrupellos zu umgarnen sucht? Oder waren Ambroses Verdächtigungen die haltlosen Anschuldigungen eines verwirrten Todkranken? Die Geschichte lebt von der Unsicherheit des Zuschauers: Was ist wahr ?

 

Charme schlägt Naivität

 

Regisseur Michell hält in seiner stimmungsvollen Verfilmung mysteriöse Verdachtsmomente und jugendlichen Überschwang in der Waage; er setzt Rachels Erfahrung und ihren unübersehbaren Charme gegen die Naivität des Landeis Philip. Dabei vergisst man allzu leicht, dass man eigentlich immer nur mit Philips Augen auf Rachel blickt: Er projiziert all seine Wunschvorstellungen und Hoffnungen, aber auch seine Eifersucht und Unsicherheit auf eine Frau, deren eigenständige Entscheidungen ihn immer wieder überraschen.

 

Hintergrund

 

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und hier eine Besprechung des Films "The Deep Blue Sea" - Melodram mit Rachel Weisz über eine Frau zwischen zwei Männern in Englands Nachkriegszeit.

 

Denn längst hat er sich angesichts von Rachels Liebreiz unsterblich in diese Frau verliebt, die sich in seiner Familiengeschichte besser auskennt als er selbst. Er überhäuft Rachel mit Geschenken, überschreibt ihr seinen Besitz, will sie heiraten – und missversteht ihre Zärtlichkeit gründlich. Schließlich kehrt sein Verdacht zurück; die Blicke werden finsterer. Rachel wird unzugänglicher und die Musik düsterer. Es regnet.  

 

Grüner als grün, feudaler als feudal

 

Es wäre Unsinn, „Meine Cousine Rachel“ in die längst überholte und stets abwertend gemeinte Kategorie der so genannten women’s pictures zu stecken, wie man in Hollywood früher derartige Filme bezeichnete; natürlich in der Annahme, dass ihr Publikum ausschließlich aus Frauen bestehen würde. An diesem Film Freude haben werden vor allem Zuschauer, die sich für diese sehr speziell englische Atmosphäre begeistern können.

 

Da grasen Schafe in Landschaften, die noch etwas grüner sind als grün, da locken die Abgründe der schroffen Felsenküste und prasseln die Kaminfeuer in feudalen Herrenhäusern, deren Bewohner in viktorianischen Gehröcken und Kleidern einherstolzieren. Nur leicht modernisiert und mit etwas romantischem Sex zeitgemäß aufgepeppt, zeigt der Film: Daphne du Mauriers mystery-Melodramen haben auch heute noch hohen Unterhaltungswert.