Jennifer Lawrence+ Javier Bardem

mother!

Him (Javier Bardem) und Mother (Jennifer Lawrence) in der tobenden Meute. Foto: Paramount Pictures Germany
(Kinostart: 14.9.) Mutter sei Dank: Regisseur Darren Aronofsky rechnet mit Paschatum ab, indem er Javier Bardem und Jennifer Lawrence durch wüsten Horror voller grotesker Bibelzitate jagt – eine geschmacklose Hymne auf die Frau als Erneuerin der Schöpfung.

Regisseur Darren Aronofsky hat es dem Publikum noch nie leicht gemacht. Seine Filme fordern stets volle Aufmerksamkeit: vom Mathematiker-Thriller „Pi“ (1998) über das Sportler-Drama „The Wrestler“ (2008) mit Mickey Rourke und den Ballett-Psychothriller „Black Swan“ (2010) mit Natalie Portman bis zur action-lastigen Bibelverfilmung „Noah“ (2014) mit Russell Crowe. Was auch immer man von seinem eigenwilligen Regiestil halten mag – er lässt keinen Zuschauer kalt.

 

Info

 

mother!

 

Regie:Darren Aronofsky,

121 Min., USA 2017;

mit: Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Ed Harris, Michelle Pfeiffer

 

Website zum Film

 

Nun will sich Aronofsky selbst übertreffen und noch nie Gesehenes bieten – doch mit „mother!“ landet er im Kino-Nirwana. Dieser alptraumhafte Horrortrip sprengt nicht nur alle geläufigen Formen, sondern lässt auch narrative Strukturen gänzlich außer Acht. Stattdessen führt er eine Abfolge von chaotischen Brutalitäten vor, deren Wahnsinn sich so rasch wie sinnfrei steigert. Alles nur zum Lob und Preis des mütterlichen Prinzips, das die Welt im Innersten zusammenhält.

 

Trautes Heim allein im Weizenfeld

 

Am Anfang ist das Feuer und dann ein mehrstöckiges Kolonialstil-Villa im Nirgendwo; dort wohnt ein namenloses Ehepaar (Jennifer Lawrence und Javier Bardem) abgeschieden inmitten eines Weizenfeldes. Er ringt als berühmter Schriftsteller mit einer ausgewachsenen Schreibblockade. Sie widmet als treu sorgendes Weib ihre ganze Energie der Renovierung und Verschönerung des vormals abgebrannten Hauses.

Offizieller Filmtrailer


 

Katastrophen im Minutentakt

 

Eines Tages stört ein Arzt (Ed Harris) die Zweisamkeit des Paares. Dieser sterbenskranke Mann ist ein fan des Autors und will noch unbedingt sein großes Idol kennenlernen. Der Autor genießt sichtlich seine Bewunderung; er lässt auch die Ehefrau (Michelle Pfeiffer) des Mediziners ins Haus. Sie nimmt das Anwesen sofort in Beschlag und gibt der Hausherrin ungefragt Tipps zum Liebesleben, denn sie weiß sofort, was Sache ist: Die Frau möchte ein Kind – doch der Dichter hat Angst davor, dann vernachlässigt zu werden.

 

Kurz darauf treffen auch die Söhne des Arzt-Paares ein. Unversehens geschieht ein Brudermord, der ausgiebig von deren Verwandten und Freunden beweint wird; sie tauchen wie aus dem Nichts auf. Dieses Unglück ist nur der Auftakt zu einer Kette von Katastrophen, die sich bald im Minutentakt überschlagen. Kein Wunder, dass Jennifer Lawrence bald fassungslos auf das unheilvolle Treiben um sie herum starrt.

 

Bibel-Zitierwut mit splatter-Symbolik

 

Zwischendurch ist Frauchen allerdings schwanger geworden, weswegen ihr Dichter-Gatte plötzlich wieder mit großem Erfolg schreibt. Das ruft eine riesige fan-Gemeinde auf den Plan, die sich im Haus einnistet und ihn für sein Werk abgöttisch verehrt. Als die Frau en passant einen Sohn gebiert, wird dieser erst als Messias gefeiert und dann in pseudoreligiösen Ritualen geopfert, während der hysterische Mob das Haus zu Klump und Asche haut. Damit endet der Irrsinn nicht; der Regisseur schiebt noch eine bluttriefende Reinkarnations-Pointe nach.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Noah - Das Ende ist erst der Anfang" - eigenwillige Bibel-Verfilmung mit Russell Crowe von Darren Aronofsky

 

und hier das Interview "Schwanensee als Halluzinogen-Trip" mit Darren Aronofsky über seinen Ballett-Psychothriller "Black Swan" mit Natalie Portman

 

und hier eine Besprechung des Films "Passengers" - aufwändige SciFi-Robinsonade von Morton Tyldum mit Jennifer Lawrence

 

und hier einen Beitrag über den Film "Babycall" - norwegischer Psychothriller über eine überforderte junge Mutter von Pål Sletaune mit Noomi Rapace.

 

Was für ein unverdaulicher Brocken! Wobei man die ganze Zeit rätselt, was Aronofsky eigentlich im Sinn hat: Er beschränkt sich nicht allein auf die Horrorversion einer Schaffens- und Beziehungskrise, sondern verhandelt auch noch all möglichen Aspekte der Weltlage unter Zuhilfenahme diverser Bibelmotive – von der Genesis über den Sündenfall samt Kain und Abel bis zur Geburt des Erlösers. Es scheint, als sei Aronofsky nach „Noah“ von einer Art Gleichnis-Zitierwut befallen, die er mit grotesker splatter-Symbolik ausagiert.

 

Zweistündige Liebeserklärung

 

Diesen Mumpitz kann man auch brachial-feministisch deuten: Der Großschriftsteller ist nur ein Pascha, der von seiner Frau umsorgt wird, all ihre Wünsche ignoriert – und ihr aufopferungsvolle Hingabe abverlangt, während er sich von tobenden Anhängern bejubeln lässt. Ein kritisches Selbstporträt von Regisseur Darren Aronofsky im Zenith seines Erfolgs? Jedenfalls sind er und Jennifer Lawrence im wirklichen Leben ein Paar. Und selten hat ein Filmemacher dem Ego seiner Hauptdarstellerin so sehr geschmeichelt: Unentwegt fixiert die Kamera entweder ihr Antlitz oder übernimmt ihre subjektive Perspektive.

 

Aronofsky zweistündige Liebeserklärung richtet sich aber an die Frau in ihrer Eigenschaft als Gebärerin, die für die Erneuerung der Schöpfung sorgt: Im Presseheft ist „mother’s prayer“ abgedruckt – eine Umdichtung des Vaterunser durch die US-Autorin Rebecca Solnit, adressiert an Mutter Erde. Man darf gespannt sein, wann die Klatschpresse von einem freudigen Ereignis im Haushalt des Hollywood-Traumpaars berichten wird.