Man kennt solche Leute: Sie stürzen sich bei Kaffeepausen von Konferenzen und Empfängen auf ihr Gegenüber, schmeicheln ihm schamlos, malen ihm tolle Chancen aus, drängen ihre Visitenkarte auf und wollen unbedingt die private Telefonnummer haben – man wird sie nur los, indem man Reißaus nimmt. So jemand ist Norman Oppenheimer (Richard Gere).
Info
Norman
Regie: Joseph Cedar,
118 Min., USA/ Israel 2016;
mit: Richard Gere, Lior Ashkenazi, Michael Sheen
Schuh-Geschenk für den Minister
Dann fängt er scheinbar einen dicken Fisch: Nach dem Auftritt des israelischen Vize-Ministers Micha Eshel (Lior Ashkenazi) auf einem Öl-Kongress verfolgt Norman ihn durch Manhattan und spricht ihn vor den Auslagen eines Herrenausstatters an. Micha hat ein Paar sündhaft teurer Schuhe im Auge, die er sich nicht leisten mag – und Norman schenkt sie ihm, einfach so. Das ist der Beginn einer wundervollen Freundschaft – denkt Norman.
Offizieller Filmtrailer
Direkter Draht nach Jerusalem
Immerhin kann er fortan Micha anrufen und ihm weitere Gefälligkeiten aufdrängen. Bis sein Freund zum israelischen Ministerpräsidenten aufsteigt, in New York eine Rede hält und beim anschließenden Empfang vor aller Welt seinen buddy umarmt. Der wähnt sich am Ziel seiner Wünsche: Wachträumend sieht er die Gesichter aller wichtigen Repräsentanten der lokalen jewish community, die seine Nähe suchen – für einen direkten Draht zum Regierungschef in Jerusalem. Etwa Rabbi Blumenthal (Steve Buscemi): Ihm sagt Norman zu, einen reichen Mäzen zum Erhalt seiner Synagoge aufzutreiben.
Doch es kommt anders: Die israelische Justizbeamtin Alex Green (Charlotte Gainsbourg) wird auf Norman und seine dubiose Großzügigkeit aufmerksam. Politische Gegner wittern Korruption; schon droht Micha die Amtsenthebung und eine Anklage. Um seinen mächtigen Freund zu retten, zahlt Norman einen sehr hohen Preis – auch wenn er in eine Erdnuss passt.
Nachfahre von Joseph Süss Oppenheimer
Diese „Geschichte vom bescheidenen Aufstieg und tragischen Fall eines New Yorker Geschäftsmann“, so der Untertitel, ist eine uramerikanische: dank des grenzenlosen Optimismus‘, den Norman verbreitet – obwohl er gar keine Geschäfte macht. Was er mit seiner rastlosen Gschaftlhuberei wirklich bezweckt, ist der MacGuffin des Films: blendend verpackt in zahllose memos und Rückruf-Nachrichten, die der Held überall hinterlässt. Garniert mit wichtigtuerischem business newspeak und jovialem Augenzwinkern, was er beeindruckend virtuos beherrscht.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Dinner" - fesselndes Konversations-Drama von Oren Moverman mit Richard Gere
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Märchenonkel als role model
Wobei jene in diesem Film ebenfalls jüdisch sind: Mit lustvoller Liebe zum Detail malen Regisseur Cedar und sein Produzent Oren Moverman die engen Verflechtungen zwischen den Eliten in New York und Jerusalem aus – manchmal weiß man kaum, auf welcher Seite der Atlantiks die Handlung gerade spielt. Das gerät jedoch nie folkloristisch, sondern wird ironisch gebrochen; wozu die Hauptfigur geradezu einlädt.
Stets in trenchcoat, Schiebermütze und schwerer Umhängetasche eingepackt, tappst Richard Gere durch den Film wie ein eloquenter Märchenonkel mit dickem Fell. Das braucht er auch, wenn er wieder einmal abgewimmelt oder vertröstet wird – worauf er stets mit warmen, mitfühlenden Worten reagiert. Auch wenn ihm das erhoffte Renommee versagt bleibt: Mit seiner liebenswürdigen Zuversicht taugt der verhinderte Finanzjongleur durchaus als role model.