Richard Gere

Norman

Auf großem Fuße leben: Norman Oppenheimer (Richard Gere, li.) schenkt dem israelischen Minister Micha Eshel ( Lior Ashkenazi) ein Paar sehr teurer Schuhe. Foto: © 2017 Sony Pictures
(Kinostart: 21.9.) Ich möchte Sie jemandem vorstellen: Richard Gere als Möchtegern-Magnat wird erst zum Freund von, dann zur Gefahr für Israels Regierungschef – eine subtile Hochstapler-Sittenkomödie in New Yorker Finanzkreisen von Regisseur Joseph Cedar.

Man kennt solche Leute: Sie stürzen sich bei Kaffeepausen von Konferenzen und Empfängen auf ihr Gegenüber, schmeicheln ihm schamlos, malen ihm tolle Chancen aus, drängen ihre Visitenkarte auf und wollen unbedingt die private Telefonnummer haben – man wird sie nur los, indem man Reißaus nimmt. So jemand ist Norman Oppenheimer (Richard Gere).

 

Info

 

Norman

 

Regie: Joseph Cedar,

118 Min., USA/ Israel 2016;

mit: Richard Gere, Lior Ashkenazi, Michael Sheen

 

Website zum Film

 

Er hat die Kunst der Belästigung perfektioniert. Finanzleuten in New York lauert er beim jogging auf, um sie mit grandiosen Geschäftsideen zu bombardieren. Jedem verspricht er, ihn mit hochrangigen Kontakten zusammenzubringen – sein Netzwerk an friends in high places scheint unerschöpflich zu sein. Allerdings sagt Norman nie genau, worauf sein todsicherer Tipp eigentlich hinausläuft; daher verabschieden sich seine Gesprächspartner meist bald. Da kann er so viele business cards mit der Aufschrift „Oppenheimer Strategies“ verteilen, wie er will.

 

Schuh-Geschenk für den Minister

 

Dann fängt er scheinbar einen dicken Fisch: Nach dem Auftritt des israelischen Vize-Ministers Micha Eshel (Lior Ashkenazi) auf einem Öl-Kongress verfolgt Norman ihn durch Manhattan und spricht ihn vor den Auslagen eines Herrenausstatters an. Micha hat ein Paar sündhaft teurer Schuhe im Auge, die er sich nicht leisten mag – und Norman schenkt sie ihm, einfach so. Das ist der Beginn einer wundervollen Freundschaft – denkt Norman.

Offizieller Filmtrailer


 

Direkter Draht nach Jerusalem

 

Immerhin kann er fortan Micha anrufen und ihm weitere Gefälligkeiten aufdrängen. Bis sein Freund zum israelischen Ministerpräsidenten aufsteigt, in New York eine Rede hält und beim anschließenden Empfang vor aller Welt seinen buddy umarmt. Der wähnt sich am Ziel seiner Wünsche: Wachträumend sieht er die Gesichter aller wichtigen Repräsentanten der lokalen jewish community, die seine Nähe suchen – für einen direkten Draht zum Regierungschef in Jerusalem. Etwa Rabbi Blumenthal (Steve Buscemi): Ihm sagt Norman zu, einen reichen Mäzen zum Erhalt seiner Synagoge aufzutreiben.

 

Doch es kommt anders: Die israelische Justizbeamtin Alex Green (Charlotte Gainsbourg) wird auf Norman und seine dubiose Großzügigkeit aufmerksam. Politische Gegner wittern Korruption; schon droht Micha die Amtsenthebung und eine Anklage. Um seinen mächtigen Freund zu retten, zahlt Norman einen sehr hohen Preis – auch wenn er in eine Erdnuss passt.

 

Nachfahre von Joseph Süss Oppenheimer

 

Diese „Geschichte vom bescheidenen Aufstieg und tragischen Fall eines New Yorker Geschäftsmann“, so der Untertitel, ist eine uramerikanische: dank des grenzenlosen Optimismus‘, den Norman verbreitet – obwohl er gar keine Geschäfte macht. Was er mit seiner rastlosen Gschaftlhuberei wirklich bezweckt, ist der MacGuffin des Films: blendend verpackt in zahllose memos und Rückruf-Nachrichten, die der Held überall hinterlässt. Garniert mit wichtigtuerischem business newspeak und jovialem Augenzwinkern, was er beeindruckend virtuos beherrscht.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Dinner" - fesselndes Konversations-Drama von Oren Moverman mit Richard Gere

 

und hier eine Besprechung des Films "Gold - Gier hat eine neue Farbe" - Hochstapler-Tragikomödie um Goldsuche-Betrug von Stephen Gaghan mit Matthew McConaughey

 

und hier einen Beitrag über den Film "A Most Violent Year" - faszinierender Wirtschaftskrimi im New Yorker Heizöl-Großhandel (!) von JC Chandor mit Oscar Isaac + Jessica Chastain

 

und hier einen Bericht über die Doku "The Forecaster" - Porträt eines Börsencrash-Propheten von Marcus Vetter.

 

Die Geschichte ist zugleich eine genuin jüdische – nicht zufällig trägt Norman denselben Nachnamen wie Joseph Süss Oppenheimer (1698-1738). Der jüdische Bankier war Vertrauter des Fürsten von Württemberg, wurde später diffamiert, hingerichtet und musste als Vorbild für den antisemitischen NS-Film „Jud Süß“ (1940) von Veit Harlan herhalten. Daher schwebt Regisseur Joseph Cedar eine Art Ehrenrettung der Figur des „Hofjuden“ vor; er ist Machthabern zu Diensten, weil er sich davon Ansehen und gesellschaftlichen Aufstieg erhofft.

 

Märchenonkel als role model

 

Wobei jene in diesem Film ebenfalls jüdisch sind: Mit lustvoller Liebe zum Detail malen Regisseur Cedar und sein Produzent Oren Moverman die engen Verflechtungen zwischen den Eliten in New York und Jerusalem aus – manchmal weiß man kaum, auf welcher Seite der Atlantiks die Handlung gerade spielt. Das gerät jedoch nie folkloristisch, sondern wird ironisch gebrochen; wozu die Hauptfigur geradezu einlädt.

 

Stets in trenchcoat, Schiebermütze und schwerer Umhängetasche eingepackt, tappst Richard Gere durch den Film wie ein eloquenter Märchenonkel mit dickem Fell. Das braucht er auch, wenn er wieder einmal abgewimmelt oder vertröstet wird – worauf er stets mit warmen, mitfühlenden Worten reagiert. Auch wenn ihm das erhoffte Renommee versagt bleibt: Mit seiner liebenswürdigen Zuversicht taugt der verhinderte Finanzjongleur durchaus als role model.