Reda Kateb

Django – Ein Leben für die Musik

Reda Kateb (Django Reinhardt) und der Hot Club de France auf der Bühne. Foto: © Roger Arpajou. Fotoquelle: Weltkino Filmverleih GmbH
(Kinostart: 26.10.) Sich arrangieren, ohne zu kollaborieren: Im Biopic über die Jazzlegende Django Reinhardt konzentriert sich Regisseur Étienne Comar auf die Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs – für ein rasantes Musiker-Drama mit gewagten Volten.

Django Reinhardt war Frankreichs erster Jazzmusiker von Weltformat; er feierte vor allem in London und New York Triumphe. Dabei war er ein musikalischer Quereinsteiger: Sein Hintergrund war die Musik seiner Leute, der Sinti, die in Frankreich „Manouches“ genannt werden. Es war Reinhardts Verdienst, die Intensität ihrer Musik mit Elementen des US-amerikanischen Jazz und Blues zu verbinden. 

 

Info

 

Django –
Ein Leben für die Musik

 

Regie: Étienne Comar,

117 Min., Frankreich 2017;

mit: Reda Kateb, Cécile de France, Beata Palya

 

Website zum Film

 

Dass er dabei ein handicap überwinden musste – nach einem Brand in seinem Wohnwagen waren ein Bein und zwei Finger seiner linken Hand gelähmt – und im falschen Moment eine Autorität wie den Jazz-Pianisten Duke Ellington durch Unpünktlichkeit brüskierte, hätte ihn für ein umfassendes biopic qualifiziert. Stattdessen wählt Regisseur Étienne Comar für „Django – Ein Leben für die Musik“ nur einen Ausschnitt aus Reinhardts Leben: die Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich.

 

Schutzengel Dr. Jazz

 

In der beklemmenden Eingangsszene wird deutlich, welches Unglück die Nazis auch über die französischen Sinti bringen würden. Django  wähnt sich mit seiner Familie in Paris jedoch sicher. 1943 lauschen ihm zugleich Franzosen und Deutsche, wenn er mit seiner Band die Ballsäle füllt. Er glaubt, er sei schlicht zu beliebt, um in Schwierigkeiten zu geraten, und der deutsche Besatzungsoffizier und Jazz-Fan Dietrich Schulz-Köhn, genannt „Dr. Jazz“, hält seine schützende Hand über ihn.

Offizieller Filmtrailer


 

Als Reinhardt eine tournée durch Deutschland angeboten wird, entzieht er sich. Die Auflagen sind lächerlich: Der Swing-Anteil soll bei nicht mehr als 20 Prozent liegen, Moll-Tonarten und Blues-Melodik sollen ebenso gemieden werden wie die jazz-spezifische Spieltechnik der Synkope, eine plötzliche rhythmische Unterbrechung des Taktbetonung. Instrumente wie die Kuhglocke sind ganz und gar verboten. Django wird allmählich klar, dass er in einem solchen System keine Zukunft hat. Er versucht, sich in die Schweiz abzusetzen. Dafür nutzt er Kontakte zur résistance, der französischen Widerstandsbewegung.

 

Fiktive Romanze statt Fakten

 

Hier verlässt der Film unter Einbindung einer fiktiven Romanze die Spur der gesicherten Fakten und improvisiert über Reinhardts versuchten Grenzübertritt ein moralisches Lehrstück. Denn der unpolitische und egoistische Musikus erkennt, dass er für seine Leute Farbe bekennen muss. Der Krieg, der „nicht der Krieg seiner Leute ist“, wie er sagt, hat nun auch sie erfasst und zu Feinden erklärt. Also schlägt sich Django, während er am Ufer des Genfer Sees auf seine Überfahrt wartet, widerwillig auf die Seite der Widerständler.

 

Sie können seine Hilfe gebrauchen: Sein Konzert bei einer Festveranstaltung der Wehrmacht soll die Offiziere ablenken, während ein abgestürzter britischer Pilot über den Genfer See in die Schweiz gebracht wird – eine etwas hanebüchene Volte des Drehbuchs, die jedoch äußerst rasant inszeniert wird. Django hält sich natürlich nicht an die Vorgaben der teutonischen Swing-Verächter, und schon bald wird aus dem förmlichen Fest eine orgiastische Party: der Alptraum jedes Herrenmenschen.

 

Zimmer-Pathos statt Reinhardt-Swing

 

Jetzt muss er nur noch seine eigene Haut retten, um in einer Kirche sein Requiem für die ermordeten Sinti aufführen zu können; die musikalischen Motive des Stücks haben sich bereits während des ganzen Films angekündigt. Diese Komposition soll zwar existiert haben, ist aber nicht erhalten. Die auf der Tonspur zu hörende Rekonstruktion wirkt in ihrem Pathos eher wie eine Variation vom score-Großtonsetzer Hans Zimmer. In dieser seltsamen Vermischung von Authentizität und Hollywood-Idiom spiegelt sich eine leichte Schräglage des Films.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Born to be Blue" - Biopic über die Jazz-Legende Chet Baker mit Ethan Hawke von Robert Budreau

 

und hier einen Bericht über den Dokumentarfilm "Newo Ziro – Neue Zeit" über Musiker der Sinti + Roma in Deutschland von Robert Krieg + Monika Nolte

 

und hier einen Beitrag über den Film "Die schönen Tage von Aranjuez" – Verfilmung eines Theaterstücks von Peter Handke durch Wim Wenders mit Reda Kateb.

 

Wenn Djangos alte Mutter zu Beginn mit den Nazis um Konzertgagen feilscht oder die Band zwischen Synkopenverbot und Abwanderung die nächsten Schritte diskutiert, erzeugt der Regisseur ein präzises Gefühl der Beklommenheit. So viel ist klar: Diese Familie tanzt auf einem Vulkan.

Selbstsicherer Gewinnertyp

 

Dabei verleiht der Hauptdarsteller Reda Kateb seinem Django die katzenhafte Erotik eines selbstsicheren Gewinnertypen, der sich vom Leben nicht herum schubsen lässt. Dass er sich jedoch, ohne zu kollaborieren, mit den Besatzern arrangiert hat, versteckt sich in den feinen Nuancen in Katebs Gesicht.

 

Zum Schluss scheint Regisseur Étienne Comar eine hommage auf die brillante NS-Tragikomödie „Sein oder Nichtsein“ (1942) von Ernst Lubitsch mit Gypsy-Swing inszenieren und schließlich auch ein sakrales Mahnmal errichten zu wollen. Das ist ehrenwert, aber ein bisschen viel auf einmal. Lässt man sich darauf ein, bleibt vom Film neben einem hervorragenden Hauptdarsteller tatsächlich die famose, vom niederländischen Rosenberg-Trio eingespielte Musik in Erinnerung. Django Reinhardt in hi-fi, das ist doch ein schönes Nebenprodukt eines ansonsten durchwachsenen Projekts.