Tarik Saleh

Die Nile Hilton Affäre

Der Polizist Noredin Mostafa (Fares Fares). Foto: © Port au Prince Pictures 2017
(Kinostart: 5.10.) Allein gegen alle: Im Neo-Noir-Krimi von Regisseur Tarik Saleh kämpft ein Kommissar auf eigene Faust gegen allgegenwärtige Korruption des Mubarak-Regimes in Ägypten. Ein so fesselnder wie düsterer Abgesang auf den Arabischen Frühling.

Korruption überall. Im Ägypten der Ära Mubarak geht nichts, ohne dass Geldscheine den Besitzer wechseln. Mittendrin: die Polizei. Von ihr wird geradezu eingefordert, dass sie jeden Monat Bestechungsgelder heranschafft. Auch Kommissar Noredin Mostafa (Fares Fares) ist Teil des Systems, das er bislang nicht infrage gestellt hat. Er ist die Karriereleiter vor allem deshalb nach oben gestolpert, weil sein Vorgesetzter zugleich sein Onkel ist. Als Mostafa von diesem beauftragt wird, den Tod einer Sängerin im noblen „Nile Hilton Hotel“ zu untersuchen, besteht seine erste Amtshandlung darin, der Toten das Bargeld aus der Handtasche zu stehlen.

 

Info

 

Die Nile Hilton Affäre

 

Regie: Tarik Saleh,

106 Min., Schweden/ Deutschland/ Dänemark/ Frankreich 2017;

mit: Fares Fares, Mari Malek, Yaser Maher

 

Website zum Film

 

In Tarik Salehs Krimi „Die Nile Hilton Affäre“ hat die Korruption nichts Verschämtes; sie ist alltäglich. Etwas, das jeder erwartet, der nicht total auf den Kopf gefallen ist. Das Vertrauen der Menschen in die Polizei ist entsprechend gering: Das illegal arbeitende sudanesische Zimmermädchen, das den mutmaßlichen Mörder der Sängerin gesehen hat, wendet sich selbstverständlich nicht an die Beamten – sondern an Bekannte aus der sudanesischen Gemeinde. Die halten es für normal, mit diesem Wissen einen Erpressungsversuch zu starten. Das ist keine gute Idee – und zieht bald weitere Morde nach sich.

 

Tatort Tahir-Platz

 

Tarik Saleh, schwedischer Regisseur ägyptischer Abstammung, lässt seinen Film vor dem Hintergrund der großen Demonstrationen gegen das Regime des damaligen Staatspräsidenten Hosni Mubarak auf dem Tahir-Platz spielen, an dem auch das „Nile Hilton Hotel“ liegt. In der schwedisch-dänisch-deutsch-französischen Ko-Produktion ein aktuelles politisches statement sehen zu wollen, griffe dennoch zu hoch.

Offizieller Filmtrailer


 

Düstere Zimmer, zynische Menschen

 

Saleh bezieht sich vielmehr auf das Genre des neo noir, in Anlehnung an die düsteren Detektiv- und Polizeigeschichten des französischen und amerikanischen film noir aus den 1940/50er Jahren: dunkle Straßen, schummrige Hinterzimmer, bevölkert von kettenrauchenden Menschen, die sich ohne viel Hoffnung eingerichtet haben in einer heruntergekommenen, zutiefst zynischen Welt, in der Menschenleben nicht viel wert sind.

 

Auch Kommissar Noredin Mostafa, dem der schwedisch-libanesische Schauspielerstar Fares Fares Kontur verleiht, passt in diese Welt. Er ist ein mürrischer, wortkarger Einzelgänger, der keinen besonderen moralischen Impetus aufweist, dafür aber eine fast naive Hartnäckigkeit. Dabei nimmt die Korruption manchmal geradezu absurde Züge an.

 

Mord wird zu Selbstmord

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "In den letzten Tagen der Stadt - In the Last Days of the City" – komplexes Porträt von Kairo und seiner Bewohner von Tamer El Said

 

und hier eine Besprechung des Films "Nach der Revolution – After the Battle" – facettenreiches Polit-Drama über den Umbruch in Ägypten von Yousry Nasrallah

 

und hier einen Beitrag über den Film "Mittwoch 04:45" – packendes Gangsterepos im Neo-Noir-Stil aus Athen von Alexis Alexiou

 

und hier einen Bericht über den Film "Hedis Hochzeit" – prägnantes Porträt eines jungen Tunesiers in der Post-Arabellion-Depression von Mohamed Ben Attia, prämiert mit Silbernem Bären 2016.

 

Als Noredin in einem von anderen Polizisten kontrollierten Gebiet einen Verdächtigen verhaften will, muss er erst seine Kollegen bestechen, um den Mann mitnehmen zu können. Auch der Fall der toten Sängerin ist für die Polizei nur ein Geschäft: Als sich herausstellt, dass ein reicher Bauunternehmer und Parlaments-Abgeordneter in die Geschichte verwickelt ist, wird der Fall kurzerhand zum Selbstmord erklärt.

 

Die Ermittlungen werden eingestellt, die Akte ist geschlossen – eigentlich. Denn nun entdeckt Kommissar Mostafa den verbliebenen Rest an Ehrlichkeit, Anstand und Berufsethos in sich. Er ermittelt auf eigene Faust weiter in dem immer verworreneren Fall, stößt auf illegale Arbeitnehmer, Edelprostituierte und eiskalte Geheimdienstkiller. Und begegnet dabei großer Verwunderung: „Was glauben Sie eigentlich, wo wir leben“, fragt ihn der Bauunternehmer: „in einer westlichen Demokratie?“

 

Revolution ohne Wirkung

 

Dass die Aufklärung des Mordes am Ende fast nebensächlich scheint, ist kein Manko in diesem atmosphärisch dichten Krimi, in der die aufrechte Hauptfigur immer einsamer wird. Darin besteht vielleicht eine schlüssige Parallele zur Realität: Das korrupte Mubarak-Regime konnten Demonstranten mit Mut, Aufrichtigkeit und Beharrlichkeit hinwegfegen. Viel gebracht hat das den Ägyptern jedoch bis heute nicht.