Vincent Cassel

Gauguin

Tehura (Tuhei Adams) und Paul Gauguin (Vincent Cassel) sind glücklich miteinander. Foto: Studiocanal
(Kinostart: 2.11.) Mit erträumten Südsee-Idyllen wurde Paul Gauguin zum Superstar der modernen Malerei. In seinem Biopic beschränkt sich Regisseur Édouard Deluc auf seine erste Tahiti-Reise: als tragisch tropischen Western fast ohne Kunst-Kontext.

Paul Gauguin (1848-1903) erfand das Rollenmodell vom Künstler als radikalem Aussteiger. Um den Zwängen der Zivilisation zu entfliehen, reiste er 1887 nach Panama und Martinique. Doch Geldnot und Tropenkrankheiten zwangen ihn, bald nach Frankreich zurückzufahren. 1891 schiffte er sich nach Tahiti ein; er träumte vom sorglosen Dasein in einem tropischen Paradies.

 

Info

 

Gauguin

 

Regie: Édouard Deluc,

104 Min., Frankreich 2017;

mit: Vincent Cassel, Tuheï Adams, Pua-Taï Hikutini

 

Weitere Informationen

 

Seine Erwartungen erfüllten sich nicht: Die Insel im Südpazifik war seit elf Jahren französische Kolonie, traditionelle Strukturen lösten sich auf. Zwar blieb Gauguin, lebte mit einer jungen Einheimischen zusammen und malte fleißig Gemälde. Dennoch musste er 1893 krank und mittellos ins Mutterland zurückkehren. Nach weiteren Fehlschlägen entschloss er sich 1895 zur abermaligen Auswanderung. Sein zweiter Aufenthalt auf Tahiti war kaum erfolgreicher, so dass er 1901 zur 1400 Kilometer entfernten Marquesas-Insel Hiva Oa weiterzog; dort starb er zwei Jahre später.

 

Nicht zurückkommen dürfen

 

So bezahlte Gauguin mit seinem Leben für den von ihm bebilderten Mythos vom edlen Wilden. Schon 1902, als seine Werke allmählich Anerkennung fanden, schrieb ihm der befreundete Sammler George-Daniel de Monfreid: „Derzeit sind Sie dieser unerhörte, legendäre Künstler, der aus dem fernen Ozeanien seine verstörenden, unnachahmlichen Werke sendet … Sie dürfen nicht zurückkommen!“ Was der Adressat unfreiwillig beherzigte – und damit zum Superstar der Klassischen Moderne wurde.

Offizieller Filmtrailer


 

Lust auf Abenteuerfilm

 

Die Dialektik zwischen Elend und Ruhm eines Abwesenden interessiert Regisseur Édouard Deluc wenig. Er pickt sich aus Gauguins bewegtem Leben nur die kurze Episode seiner ersten Reise nach Tahiti heraus, die er freihändig mit anderen Elementen seiner Biografie anreichert. Der Regisseur ist bekennender Western-Fan und hatte nach eigenen Worten „Lust, einen Abenteuerfilm zu drehen“. Was ihm streckenweise gelingt – indem er den Kunst-Kontext auf ein Minimum zusammenstreicht.

 

Der Film beginnt mit einem abgebrannten Gauguin (Vincent Cassel), der sich in Paris als Tagelöhner verdingt. Unterschlagen wird, dass er zuvor als Marineoffizier die Weltmeere bereist und als Börsenmakler in den 1870er Jahren prächtig verdient hatte. Seine dänische Frau Mette und fünf gemeinsame Kinder tauchen nur auf, um tränenreich Lebewohl zu sagen. Ebenso seine Pariser Künstlerfreunde wie Émile Bernard und Émile Schuffenecker; auf einem wilden Fest hält der Dichter Stéphane Mallarmé eine flamboyante Abschiedsrede.

 

Badespaß mit der Dorfjugend

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension über die Ausstellung "Blickwechsel: Pioniere der Moderne" - mit Werken von Paul Gauguin in München

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Tanz der Ahnen - Kunst vom Sepik in Papua-Neuguinea" - grandiose Überblicks-Schau über polynesische Kunst in Berlin, Zürich + Paris

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Emil Nolde – Retrospektive" - exellente Werkschau mit Bildern von Noldes Südsee-Reise 1913 im Städel Museum, Frankfurt/ Main

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Max Pechstein - Künstler der Moderne" mit seinen Arbeiten über das Südsee-Archipel Palau 1914 im Bucerius Kunstforum, Hamburg.

 

Umso mehr Zeit verbringt der Film in den vulkanischen Bergtälern von Tahiti; er kann sich an üppiger Vegetation und malerischen Wasserfällen kaum sattsehen. Im Nu hat Gauguin seine mädchenhafte Tehura (Tuheï Adams) ergattert und porträtiert sie in allen denkbaren Körperhaltungen. Nur unterbrochen von ausgiebigem Badespaß und Strandspielen mit der Dorfjugend – eine Art Club Mediterranée für Kreative avant la lettre.

 

Kein Wunder, dass seine Geliebte sich beim ewigen Modell-Sitzen langweilt, zumal oft kaum etwas zum Essen im Haus ist. Da erscheint der muskulöse Jotépha (Pua-Taï Hikutini) attraktiver; der pfiffige Nachbarsjunge kopiert nicht nur Gauguins Holzskulpturen mit traditionellen Motiven, sondern verkauft sie auch erfolgreich als Souvenirs an französische Kolonisatoren – während der Künstler als Hafenarbeiter anheuern muss. Eifersucht, Geldmangel und schlechte Gesundheit zwingen ihn schließlich, die Segel zu streichen und das Postschiff zu besteigen.

 

Künstlerische Vision bleibt blass

 

Regisseur Deluc zeichnet ihn ausgiebig als Exzentriker, der sich so monomanisch wie ziellos verausgabt – quasi als Don Quichotte der modernen Malerei. Doch welche künstlerische Vision Gauguin verfolgte, wird trotz vieler Szenen bei der Arbeit an Grafiken, Gemälden und Plastiken nicht recht deutlich. Sein Bildprogramm, eine erträumte – und längst verloren gegangene – Idylle der europäischen Kultur als Spiegel vorzuhalten, bleibt unscharf; obwohl gerade diese Bebilderung kollektiver Glücks-Fantasien seine Werke später so erfolgreich werden ließ.

 

Stattdessen vergräbt sich die Kamera geradezu in das zerzauste Antlitz des Helden. Vincent Cassel spielt ihn famos: Er pendelt ständig zwischen Hoffnung und Enttäuschung, er bäumt sich mit nimmermüder Energie gegen sein unabwendbares Scheitern auf. Doch warum dieser Berserker so wütet, erscheint rätselhaft: Am Ende strandet ein tragischer Westernheld schlicht in der Südsee.